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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Ritter, William: Ballettskizzen von Léon Bakst, Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0323

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LEON BAKST PARIS.

FEDERZEICHNUNG.

BALLETTSKIZZEN VON LEON BAKST-PARIS.

VON WILLIAM KITTER—MÜNCHEN.

Recht interessant wäre eine Geschichte der
Theaterdekorationskunst, von der klassi-
schen Zeit der modernen Literatur und Musik an
bis heute. In Hintergrund und Maschinerie, so-
wie in den Kostümen offenbart sich doch der Ge-
schmack einer jeden Epoche, das Genie gewisser
Regisseure, genau so wie im gesungenen oder
gesprochenen Text, oder in der Tanzhandlung.
Und man wird kaum die Dekorationskunst von
der Geschichte des modernen Theaters trennen
können, nachdem man sich doch hüten würde,
sie auch von der oberflächlichsten Studie über
das antike Theater, die mittelalterlichen Myste-
rien oder das Shakespearesche Werk auszu-
schließen. Wahr ist es, daß die Archäologie
von vornherein alle Sympathien für sich hat,
während das einfache Aufzählen der Ästhetik-
und Geschmackswandlungen fast immer frivol
erscheinen wird. Und doch! Denken wir nur
an jene großen Übergänge in der Geschichte
der Dekoration: die französische Tragödie zur
Zeit Ludwig XIV., die Opern von Gluck und
Piccini mit den von der Saint Huberty reformier-
ten Kostümen, die Reform Talmas wieder im

Sinne Davids, die Tätigkeit Goethes als Regis-
seur in Weimar, die Forderungen Wagners in
Bayreuth, diejenigen eines Maeterlincks für
seine ersten Stücke, die Neuerungen Mahlers
und Rollers in Wien, die Inszenierungen Fritz
Erlers im Künstlertheater zu München, jene
Sterns und Max Reinhardts für Ariadne auf
Naxos in Stuttgart, und andererseits die Roe-
richs und Bilibines, Baksts und Alexander
Benoists für die russische Oper und den russi-
schen Bühnentanz! Ist das kein Kapitel von
hoher und höchster Ästhetik? Zu lange war
man der Ansicht, das Ballett sei ein tadelhaftes
Divertissement für alte Herren und das Tanz-
foyer nichts anderes als ein privilegierter, für
Diplomaten bestimmter Harem. Ich spreche
freilich hier nur von Paris. Umsonst bemühte
sich dort der schöne dionysische Schwung der
Tanzgruppe von Carpeaux mitten auf der Place
de l'Opera seine erhabene, bereits Nietzsche'sche
Lehre zu erteilen; er beleidigte das Schamge-
fühl des wie bekannt tugendreichen Mr. Prud-
homme und wurde von gutgesinnten Passanten
mit Tintenflaschen beworfen. Heutzutage tritt

1913. IV. 3.
 
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