Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

DOI article:
Roessler, Arthur: Zu den Arbeiten von Emanuel Josef Margold
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0406

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ZU DEN ARBEITEN VON EMANUEL JOSEF MARGOLD.

VON ARTUR ROESSLER—WIEN.

Der am wenigsten willkürliche Architekt
wird der jeweils beste sein, insofern er den
profanen und geistigen Bedürfnissen just seiner
Zeit, just ihres Kulturverlangens, die gemäße
Form verleiht. In seinem Werk vollzieht sich
die Synthese des lebendigen sozialen Willens.
Daher wirkt sein Werk so oft nach einiger
Zeit anonym. Von manchem bewunderten Bau-
werk aus alter Zeit wissen wir nicht, ob sein
Erbauer ein Architekt oder ein Maurermeister,
d. h. ein Konstrukteur oder Handwerker war.
Auch von manchem hochwertigen Möbel wissen
wir nicht, wer es entworfen, wer es ausgeführt
hat; ja, wir wissen von manchen Stilen im Ge-
werbe nicht, wie sie, durch wen sie entstanden,
oder doch nicht durch wen sie zu hoher Vollen-
dung gebracht wurden, weil in Epochen ent-
wickelten Stilgefühles die Grenze zwischen Ar-
chitekt und Handwerker aufgelöst erscheint.

Die durch die Maschinentechnik in unserem
Zeitalter bewirkte Abwandlung der Lebens-
formen und verschiedenfältig entwickelten Le-
bensbedürfnisse mußten gesetzmäßig Einfluß
gewinnen auf die Architektur und das Hand-
werk. Alte Werte waren bedeutungslos ge-
worden, neue mußten erkämpft werden. Man
war ungeduldig, begierig nach neuen Formen,
und betätigte zunächst das heftige Verlangen
in hemmungslos wild und beziehungslos alles
überwuchernder ornamentaler Dekoration. Die
dieser Neubildung naturgemäß vorangehende
Verneinung war so allgemein und heftig, daß sie
mit vielem leblos gewordenen auch manches
Wertvolle rücksichtslos verwarf. Eine Zeitlang
schien es, als taugte von dem durch die Über-
lieferung auf uns gekommenen auch nicht das
geringste. Es war eine Epoche der Geschmacks-
revolutionierung, aber leider nicht auch eine des
Denkens, die über eine Berufssynthese zu einer
Kultursynthese geführt hätte. Es kam zu einem
in der Geschichte bisher vereinzelt dastehenden,
geradezu ungeheuerlichen Einbruch von Dilet-
tantismus in die Kunst und in das Handwerk.
Allerlei Schwärmer tauchten auf, predigten fa-

natisch konfuse Lehren eines neuen Heils, ent-
warfen immen-emsig niedliche Nichtigkeiten und
beirrten den Architekten, den Handwerker und
den Laien. Mancher tüchtige Architekt und
Handwerker wurde,von der agitatorischen Kraft
künstlicherReizungen berückt, in das Lager der
Schwärmer und Weltverbesserer gelockt und
zur Verachtung der fundamentalsten Gesetze
seines Schaffens angestachelt.

Auch Emanuel J. Margold war einmal Heer-
rufer im Lager der Utopisten. War einmal!
Und nur kurze Zeit, denn er erkannte bald,
daß der Haß gegen die Tradition nichts anderes
ist als eine Ausdrucksform der Unfruchtbarkeit,
wandte sich von der gesprochenen und ge-
zeichneten Phrase ab und wertschaffenden Ge-
danken zu, d. h. er wurde sozusagen revolu-
tionärer Konservativer. Dies darf nicht mißver-
standen, nicht so verstanden werden, daß sich
Margold formalistisch befangenen Handwerks-
theorien ergeben hat, unter deren Anhauch jede
lebendige Willensregung erstarrt, sondern so,
daß er im Geiste der alten Handwerkstüchtig-
keit zu schaffen bestrebt ist, daß er vor den
bloß ästhetischen Reiz die Werkvernunft setzt,
vor die — mehr oder minder fragliche — Ori-
ginalität, die Justamentoriginalität, die sachlich
schöne Gediegenheit, und daß er den Hand-
werker wieder an eine ihm spezifische Werk-
stattarbeit stellt. Wo Margold sich zur Her-
vorbringung von Dingen der Maschine bedienen
muß und will — die Maschine gänzlich unbe-
nützt zu lassen, wäre mehr als reaktionärer
Starrsinn, wäre Intelligenzlosigkeit — tut er
dies mit soviel kluger Überlegung und gutem
Geschmack, daß die ihr zugemutete Leistung,
trotz fabrikationsmäßiger Herstellung, immer
noch einen Abglanz des Individuellen ausstrahlt.

So zeichnen sich all seine Arbeiten durch
Sachlichkeit, Werkvernunft und Geschmack
aus. Ja, auch durch Geschmack. Ich gebrauche
dieses mit Unrecht verrufene Wort absichtlich.
Denn sind es nicht mehr die Produkte von Ge-
schmack als von Kunst, die Emanuel J. Margold

39'
 
Annotationen