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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 31.1912-1913

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7010#0453

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Kleine Kunst-Nachrichten.

der Frau von Le Suire"; einen Thoma; „Die Stein-
brecher" von Sterl; ein hübsches Bildchen „Land-
haus" von Th. Th. Heine; eine kleinere Bronze von
Tuaillon u.a. — Im Dezember beherbergte der
Kunstverein die dekorativen Gemälde und Plastiken
von Sascha Schneider, die vordem in Dresden
bei Arnold gewesen waren; ferner ein großes Bild
„Badezeit", ein paar weibliche Akte, Porträts und
Stilleben von Rysselberghe, der in Zeichnung
und Farbe immer gefälliger wird; dann neben
einigen verunglückten Arbeiten auch ungewöhnlich
gute Plastiken des Karlsruher Bildhauers Georg
Schreyögg, so das ausgezeichnete Bronzeporträt
des Malers Altherr, einige Bronzeakte aus der Nach-
folge Rodins, eine hübsche Majolika „Johannes".
Endlich war da ein weiblicher Halbakt in dunkler
Bronze von Hoetger, von bedeutenden Qualitäten.
— Interessante Bekanntschaft machte man mit dem
Leipziger Graphiker Erich Gruner, der einen
radierten Zyklus „Judas" mit den dazu gehörigen
Studien ausstellte. dr. ewald bender.

ä

BERLIN. Kürzlich fand in den Ausstellungs-
räumen der Wochenschrift „Der Sturm" eine
Kollektivausstellung von Gemälden einer kleinen
Malergruppe statt, deren Darbietungen einen be-
sonderen Anspruch auf das Interesse der Allge-
meinheit erheben, weil sie die Ideen und Anre-
gungen der Kubisten und Futuristen über das
philosophische Programm hinaus in künstlerischer
Weise verarbeitet und zu wertvollen Resultaten
geführt haben. Die drei Künstler dieser jungen
bedeutsamen Vereinigung treten unter dem Sammel-
namen „Die Pathetiker" vor die Öffentlichkeit. Wenn
auch diese Bezeichnung für den ersten Augenblick
unverständlich erscheint, so wird man doch bald
erkennen, daß in ihr die Betonung des Erhabenen
durch die Tiefe des Erlebnisses zu Worte kommen
soll. Erlebt und in harmonischer Anpassung an
das Erlebnis wiedergegeben sind vor allem die
auf biblische Motive zurückgehenden Gemälde
Jacob Steinhardts. „Der Tanz um das goldene
Kalb" und „Lots Flucht" sind ihm unter kompo-
sitorischer und koloristischer Anlehnung an Greco
nicht minder gelungen als seine hervorragende
expressionistische Wiedergabe des „Jeremias". Hier
klagt wahrhaft einer aus tiefster Verzweiflung und
füllt die Landschaft mit seinen Klagen, daß Felsen
und Bäume erschauern und sein Leid zu dem ihren
zu machen scheinen. Ludwig Meidner kopiert
zwar in seinem Selbstporträt noch allzusehr das
bekannte Selbstporträt van Goghs, gibt aber in
seinen übrigen Expressionen beachtenswerte Lei-
stungen künstlerischen Ringens. Der „Weltunter-
gang" und die „Landschaft mit verbranntem Haus"
sowie die grenzenlose Einsamkeit im „Hiob" kommen
den Idealen des Expressionismus am nächsten.

Seine Zeichnungen und die Graphik Steinhardts
verfolgen neben einigen Gemälden Ludwig Jan-
thurs die gleichen Wege nach der Vertiefung des
Geistigen im Kunstwerk. Hie und da dürfte man
noch etwas mehr Selbstzucht verlangen, aber das
ernste Streben dieser drei Schlesier läßt uns gern
über das noch Unvollkommene, das oft zu grotesken
Übertreibungen führt, hinwegsehen und gibt uns
die Hoffnung, daß aus der nüchternen Theorie der
neuesten expressionistischen Bestrebungen eine
neue Schönheit erwächst. dr. walter georgi.

DARMSTADT. Allgemeine Deutsche retro-
spektive Kunst-Ausstellung 1650—1800
Darmstadt 1914. Auf Veranlassung des Großherzogs
wird in den Sommermonaten 1914 im Residenz-
schlosse eine große retrospektive deutsche Kunst-
ausstellung stattfinden, die der Zeit nach dem Drei-
ßigjährigen Kriege bis zur Ära Napoleons gelten soll.

Die geplante Darmstädter retrospektive Aus-
stellung, deren Organisation Herrn Prof. Dr. Georg
Biermann-Darmstadt und den Herren Kommerzien-
räten Hermann und Theobald Heinemann in München
übertragen ist, wird zum erstenmal aus der un-
geheuren Produktion dieser Zeit all das an einer
Stelle vereinigen, was einerseits im Sinne der Mo-
derne lebensstark und interessant erscheint, was
aber andererseits nicht minder auch die Kultur jener
Epoche ihrer doppelten Eigenart nach vielsagend
vertieft. So wird die Ausstellung nicht nur den
Beweis zu erbringen suchen, daß auch in jenen
anderthalb Jahrhunderten überall in Deutschland
Künstlerpersönlichkeiten gewirkt haben, die es ihrer
Qualität nach verdienen, der Kunstgeschichte zu-
rückerobert zu werden, sondern sie wird hoffentlich
auch zeigen können, daß schon in jener Epoche
zahlreiche Ansäße zu einer durchaus modernen
Kunstauffassung konstatiert werden müssen, die
erst im 19. Jahrhundert ihre Fortentwicklung ge-
habt haben. Ihr Material wird die Veranstaltung
ebenso aus dem Besiß der deutschen fürstlichen
und privaten Sammlungen wie aus dem der öffent-
lichen Galerien schöpfen. — So darf man hoffen,
daß diesem für die Erkenntnis unserer Vergangen-
heit so ungemein wichtigen Unternehmen, für das
der Großherzog von Hessen als Veranstalter zeich-
net, die Sympathie der weitesten Kreise und die
Mitarbeit aller Kunstgelehrten und Museumsdirek-
toren zur Seite stehen werden. — Für den Som-
mer 1914 wird sich der hier angekündigten großen
retrospektiven deutschen Kunstausstellung die längst
in Vorbereitung befindliche Ausstellung der
Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe zuge-
sellen. Mit diesen beiden Veranstaltungen dürfte
Darmstadt im nächsten Jahre unbedingt der wich-
tigste Anziehungspunkt für alle deutschen und wohl
auch ausländischen Kunstfreunde sein. r.

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