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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Weichardt, Carl: Drama und Dekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0029

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Drama und Dekoration.

auch in den Rhythmus der ganzen drama-
tischen Dichtung, in das Tempo ihres Szenen-
ablaufs, in ihre Struktur und Architektur ver-
stehend eindringen. Jeder Akt eines Dramas
hat ja seinen besonderen Rhythmus, wie die
Sätze einer Symphonie sich rhythmisch unter-
scheiden, jede Szene hat wieder ihr eigenes
Tempo, und bei Shakespeare besonders wech-
seln schwer- und leichtbetonte Szenen, solche,
die einen engen, und andere, die einen weiten
Raum erheischen. Alle Stimmungsschönheit im
Dekorativen kann nichthelf en, wenn derTheater-
künstler, der Maler, sich in dem rhythmischen,
dem dramaturgischen Wert einer Szene irrt und
etwa für eine leichte, intime, unwesentliche
Szene eine schwere, wuchtige Dekoration ent-
wirft, einen Tempel hinbaut, wo eine Säule ge-
nügen, eine Landschaft ausbreitet, wo ein Baum
hinreichen würde. Dann hält die Dekoration
mit dem Drama sozusagen nicht Schritt und
wird um so mehr den Fluß der Handlung hem-
men, je weniger technisch vollkommen die
Bühne gebaut ist. Ein gut Teil der vollen künst-

MAX PECHSTEIN.

KLEINPLASTIK »TÄNZER« BRONZE.

färben zu sehen und aus den zwei Lokalfarben
alle erwünschten Töne abzuleiten. Gelingt es
dem Künstler aber, die ganze dekorative Aus-
stattung eines Dramas solcherart harmonisch
und symbolisch abzustimmen, meidet er auch
im rein Zeichnerischen jeden tüftelnden Natura-
lismus und sucht seine Wirkung nur in der Kraft
der Linien, der Schönheit der Verhältnisse,
nimmt er endlich die Wunder des Lichtes, der
Beleuchtung zu Hilfe und läßt sie auf seinen,
an sich schon ausdrucksmächtigen Bühnen-
bildern sinnvoll spielen, dann ist das Ziel, die
Entmaterialisierung der Dekoration, erreicht,
sie ist ein beseeltes Glied des Dramas selbst
geworden.

Eines allerdings, was nur zu selten beachtet
wird, ist, sobald ein Stück szenische Verwand-
lungen erheischt, ganz unerläßlich, soll die
Inszenierung wirklich vollendet heißen. Der
Schöpfer der Dekorationen muß nicht nur in
die Stimmung, in die Grundelemente, er muß

MAX PECHSTEIN —WILMERSDORF. »TÄNZERIN« BRONZE,

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