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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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R.-r., A.: Zur Fünfzigjahrfeier des K.K. Österr. Museums für Kunst und Industrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0219

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Zur Fünfzigjahrfeier des k. k. Museums für Kunst und Industrie.

gebäude bezogen werden, in dem außer den
allgemeinen auch schon eine Reihe von Spezial-
schulen und Ateliers eingerichtet waren.

Auf der Wiener Weltausstellung 1873 feierte
das Österreichische Museum den ersten öffent-
lichen Triumph. Die neuwienerische Renais-
sance hatte Erfolg. Was man heute als „Ma-
kartstil" bezeichnet, blühte üppig. Die Nach-
folger Eitelbergers, Jakob von Falke und Bruno
Bucher, bemühten sich emsig um die weitere
Ausgestaltung von Museum und Schule, standen
dabei jedoch unter dem Einfluß des traditionell
gewordenen Geschmacks, der sich vorwiegend
an altitalienischen Vorbildern orientierte. Wäh-
rend sich, von England herüberflutend, in Frank-
reich und Deutschland eine neue Geschmacks-
strömung bemerkbar machte, blieb man in Wien
den Vorbildern treu, die bereits ein Menschen-
alter hindurch als Muster gedient hatten. An
Umwälzung, ja an die Möglichkeit einer Um-
wälzbarkeit dachte kaum jemand, außer einem
Manne, der damals Direktor des „ Orientalischen
Museums" war und Arthur von Scala hieß.
Dieser weitgereiste, vielseitig gebildete, sehr
modern gesinnte, arbeitskräftige und arbeits-
lustige Mann veranstaltete, noch als Direktor
des „Orientalischen Museums", zwischen Aus-
stellungen orientalischen und ostasiatischen
Kunstgewerbes ganz plötzlich auch einmal eine
Ausstellung altenglischer Möbel von Sheraton,
Chippendale und Hepplewhite zur mehr ärger-
lichen als freudigen Überraschung der Wiener
Kunstgewerbler. Erst der ungeheure Erfolg der
englischen Originalmöbel bei dem der Renais-
sancemummerei überdrüssigen Publikum und
des letzteren leidenschaftliche Parteinahme für
Scala ließen die Wiener Kunstgewerbler er-
kennen, daß die Ausstellung der Arbeiten der
bis dahin hier unbekannt gewesenen englischen
Werkmeister den Beginn eines allgemeinen
kunstgewerblichen Umschwunges einleitete.
Wie in der bildenden kam es auch in der an-
gewandten Kunst zur Sezession. Als Scala,
nicht ohne vorausgegangene heftige Kämpfe und
Gehässigkeiten, von der Regierung, die damals
glücklicherweise Verständnis bewies für das,
was da werden wollte, als Buchers Nachfolger
zum Direktor des Österreichischen Museums
ernannt wurde, kam mit seiner tatkräftigen
Hilfe das überlebte alte System zu Fall. „Wäh-
rend auf der einen Seite die Sezession ihre
feste Burg baute, — so berichtet ein Chronist
jener Zeit — zogen auf der andern die näm-
lichen jungen Kräfte in die Kunstgewerbeschule
ein. Mit jenem frischen Geist der Initiative,
der ihn so willkommen und zugleich sym-
pathisch machte, ging Scala an die Arbeit.

ErgabdenGewerbetreibendenAufträgeundfand
Künstler, die fähig waren, Neues zu erfinden.

Seine ersten Winterausstellungen waren Er-
eignisse, zu denen die elegante Welt sich
drängte. Niemals hat Wien sich so heftig für
Möbelsachen interessiert. Die Leute bekamen
Lust, sich neu einzurichten, die Fabrikanten
suchten sich auszuzeichnen. Die „Moderne"
verstieg sich natürlich bis ins Abenteuerliche,
der sichere Anker blieb das Englische. Damals,
im Vollgefühl seines Sieges, beging Scala den
Fehler, Irrlum vielmehr, den er dann nicht mehr
gut machen konnte oder wollte. Er irrte in
der Abschätzung der sezessionistischen Be-
wegung. Hätte er ihre Bedeutung und innere
Kraft voll erkannt, so hätte er sich mit ihr ver-
tragen, zu beiderseitigem Heil. Statt dessen
mußte es zur Gegnerschaft der Personen kom-
men." An der Kunstgewerbeschule wirkten
allerdings, nach dem in hartnäckig erbitterten
Kämpfen erzwungenen Rücktritt Storcks, Feli-
cian von Myrbach als Direktor und Josef Hoff-
mann, Alfred Roller, Koloman Moser und an-
dere Künstler als Lehrer, aber es war ihnen noch
nicht jene Freizügigkeit gewährt, die sie zur
ersprießlichen Tätigkeit hätte gelangen lassen.
Diese erreichten sie erst unter dem Nachfolger
Scalas, dem heute und hoffentlich lange noch
amtierenden Direktor Eduard Leisching. Unter
Leisching als Direktor des Museums und Roller
als Direktor der Kunstgewerbeschule kam es
zu dem epochalen Aufschwung des Wiener
Kunstgewerbes, der es weltberühmt und inter-
national führend machte. In das Verdienst,
diese hohe Stufe der künstlerischen und hand-
werklichen Wertgrädigkeit erreicht zu haben,
teilen sich mit den genannten Führern und vie-
len bekannten Künstlern als Entwerfer, die
vielen namenlos und unbekannt in den Werk-
stätten wirkenden Ausführenden, die künstle-
risch überaus bildungsfähigen und handwerklich
tüchtigen Wiener Arbeiter.

Die „Ausstellung von Arbeiten der öster-
reichischen Kunstindustrie 1850—1914", die
kürzlich aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestandes
des k. k. Österr. Museums eröffnet wurde, ver-
anschaulicht in einer Auswahl charakteristischer
Arbeiten den Wandel und die Entwicklung von
Stil, Mode, Geschmack und Kultur innerhalb
der angegebenen Zeit. Von manchem Möbel,
manchem Gebrauchs- oder Schmuckgegenstand
kann man es kaum glauben, daß er jemals wirk-
lich gebraucht, bequem und schön gefunden
werden konnte. Man staunt über die Narreteien,
die mitunter getrieben wurden, aber man
staunt zugleich auch über die handwerkliche
Kunstfertigkeit der Arbeiter........a. r-r.

1914. IX. 7.
 
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