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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Jaumann, Anton: Die Deutsche Kunst und der Krieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0401

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wirkt und uns die Kunst gebiert, die einer modernen Kultur, einer modernen deut- ■
sehen Kultur würdig ist?

Der Krieg ist den Musen nicht hold. Kriegerische Völker haben nie versucht, ■

sich durch eigne Kunst zu verewigen. Sie ließen die Unterjochten für sich arbeiten, ■

sie waren vielleicht gute Vermittler. Ihre Wesensart kam aber in ihren Werken nicht ■

zum Ausdrude. Selbst der große Friedrich hat in seinen zahlreichen Kunstbauten 5
doch nur fremde Kunst verkündet. Man kann eher fürchten, daß auf die ungeheuere
Anspannung aller Kräfte eine Periode völliger Kunstlosigkeit folgt, wo die Gedanken

materieller Selbsterhaltung und militärischer Selbstverteidigung nichts neben sich dulden. ■

Aber selbst wenn es so schlimm nicht kommt, werden auf lange hinaus kriegerische ■
Gefühle den deutschen Geist beherrschen.

Wir sehen die Kunst jeßt mit anderen Augen an. Die Atelierprobleme er-
scheinen mit einem Male recht unwichtig, manche scheinbaren Großtaten von Im- ■
pressionisten, Kubisten, Futuristen entpuppen sich als bloße Spielereien der Palette. ■
Selbst Reinhardtsche Mysterien, mit Riesenpersonal in Riesentheatern aufgeführt, sind a
armselige Maskeraden gegenüber dem grandiosen Schauspiel eines im Begeisterungs- ■
stürm sich erhebenden Volkes. Angesichts des ungeheuren Räderwerkes, das Millio- ■
nenheere in wenigen Tagen zur Schlacht führt, verstummt alle Theaterregie. Wenn
die Luft von Waffen klirrt, wenn der harte Tritt der Bataillone den Boden stampft, ■
wenn ganz Europa von Explosionen zittert, so ist das jeßt unsere Musik, mit der sich ■
keine an tiefster Wirkung vergleichen läßt. Der Maler Tod, der mit Pulver und rotem
Blute malt, führt jeßt den Pinsel. Seine Bilder ergreifen so, daß wir alle Lust zu
einem Kunstausstellungsbesuch verlieren. Solche erschütternden Eindrücke werden ■
gewiß nicht bei Friedensschluß von heute auf morgen ausgelöscht sein. Die droh- "
nende Kriegsmusik durchdringt unsere Gedanken bei Tag und unsere Träume bei £
Nacht. Was wir summen und pfeifen, werden Marschrhythmen, und die Lieder unserer Z
Komponisten werden wie soldatische Weisen klingen. Die deutschen Wanderer wer- £
den noch mehr als bisher in militärischem Takte schreiten. Unser Luxus werden die "
schnurgeraden Linien der Regimenter sein, und mehr als das edelste Holz, den feinsten |
Brokat werden wir das Blinken scharfen Stahles lieben. Und siehe, die Musik £
des Krieges mischt sich mit dem Dröhnen der Fabriken, mit dem Takt der Motore, — £
und aus dieser Musik scheint der Rhythmus des neuen Deutschtums zu erwachen. ■

Der edlen Volksrasse ist der Krieg wie ein Fegefeuer. Er verzehrt alles Über- *

reife und Kränkelnde. Kleinlichkeiten fallen ab, die gesunden und starken "

Kräfte steigen ans Licht. Stahlhart müssen die Nerven sein, die nicht ge- J

brochen, zermürbt werden sollen. Aber harte Nerven erfordert auch der Maschinen- £
dienst und die Hast des modernen Erwerbs.
 
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