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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Breuer, Robert L.: Die Cölner Werkbund-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7447#0438

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Die Cöiner Werkbund-Ausstellung.

wir uns den Auffassungen außerhalb Deutsch-
lands bis zu einem gewissen Grade anpassen,
hauptsächlich aber ist sie darin begründet, daß
aus unseren Leistungen ein geschlossener, über-
zeugender Stilausdruck spricht. Je mehr dies
der Fall ist, je deutlicher dieser Stilausdruck
sich offenbart, um so wahrscheinlicher ist der
Sieg der deutschen Arbeit." Noch allzu oft
hat man nun beim Abwandern der Cöiner Vor-
posten den Eindruck, als käme Deutschland
nicht ganz aus sich heraus, als hätte es immer
noch nicht den vollen Mut, losgelöst von aller
Erinnerung, nur die neue, die deutsche Form
zu geben. Fast peinlich berührt solche Schwäche
bei den Vorschlägen, die eine große deutsche
Schiffsgesellschaft für die Einrichtung eines neu
zu bauenden Dampfers zeigt: was Troost da
plant, ist nichts als ein variiertes Louis Seize.
Um dergleichen hervorzubringen, braucht man
nicht mit Frankreich zu streiten. Doppelt merk-
würdigwirkt solchZurückweichen derdeutschen
Künstler vor der französischen Suggestion, wenn
man dann gar feststellt, daß selbst Muthesius
bei der Erledigung der gleichen Aufgabe, bei
der Herstellung von besonders kostbaren Ka-
binen für eine andere Schiffahrtsgesellschaft,
sich trotz seiner richtigen Erkenntnis nicht
völlig frei von fremden Einflüssen zu bewahren
wußte. Fast möchte man ein wenig verzagen;
denn man weiß genau, daß gerade, was die
Ausstattung der Ozeandampferbetrifft, Deutsch-
land schon weit kühneres geleistet hat. Wir
haben es hier also mit einem Rückschlag zu tun,
mit einem Schwanken und Abweichen in jener
Bewegung, die von Darmstadt über Brüssel nach
Cöln dauernd aufsteigen und sich stetig festigen
sollte. Es wäre indessen falsch, aus solcher Un-
sicherheit der Entwicklung auf deren Stillstand
zu schließen. Eine Bewegung, die so rücksichts-
los alle Produktionsgebiete ergriff und keinem
Konsumenten völlig fremd blieb, kann nicht
wieder abebben. Die Cöiner Ausstellung wurde
durch ihre Dimensionen zur Nachgiebigkeit
gegen viele Unzulängliche und zu manchen Kom-
promissen gezwungen; sie leidet unter ihrer
Größe, sie verrät, daß die Leistung nicht immer
mit der Erkenntnis Schritt hält, sie verhehlt uns
nicht einmal das Ärgernis, daß in Deutschland
der Instinkt der Produzenten sich noch nicht
völlig von dem Neger abwandte und daß die
berufenen Führer der neuen Form noch immer
mit einem gewissen, schmarotzenden Durch-
schnitt zu kämpfen haben. Dennoch: so wie
sie jetzt dasteht, kann die Cöiner Werkbund-
ausstellung von keinem anderen Volk der Erde
nachgemacht werden. Selbst die schärfste Kritik
muß zugeben, daß der Gesamteindruck der ist:

daß das deutsche Volk sich energisch aufrafft,
um auf allen Gebieten des architektonischen
Schaffens voranzuschreiten. Es hebt sich das
Niveau; es regen sich aber auch so viele Ein-
zelkräfte, so viele eigengeartete Begabungen,
daß selbst dann, wenn ein augenblickliches
Stocken der Entwicklung zugegeben werden
müßte, man ein Versiegen nicht zu befürchten
brauchte. Das aber ist die letzte und die maß-
gebende Einsicht, die uns Cöln vermittelt: wo
ist das Volk, unter dessen Architekten, Fabri-
kanten und Handwerkern soviel Persönlich-
keiten ragen, deren jede etwas anderes voll-
bringt, und die doch gemeinsam das Gleiche
wollen — den deutschen Stil.

» » •

Die Verführung, mit einem möglichst impo-
santen Dokumente seiner Leistungsfähigkeit
aufzuwarten, war für Cöln sehr groß. Das
Ideal des Deutschen Werkbundes kollidierte
sozusagen mit der Ausstellungsjungfernschaft
der heiligen Stadt. Dabei darf man nur nicht
vergessen, daß die Millionen, die von Cöln zur
Verfügung gestellt worden sind, immerhin
einiges bedeuten. Vom Fluch des Goldes zu
sprechen, wäre deplaziert; immerhin, das
preußische Großhungern war bis dahin dem
neuen architektonischen Idealismus ganz gut
bekommen. Der Psychologie der Dreikönige-
stadt ist die ihres Baumeisters Rehorst ver-
wandt gewesen. Man vergegenwärtige sich
einen Mann, dem das Glück in den Schoß fällt,
auf einem äußerst exponierten Posten einer
von tausend Seiten beobachteten Bewegung
zu einem endgültigen Schlage, zu einem glän-
zenden Siege, zu verhelfen. Rehorsts Pläne
spannten sich gewaltig; vom Enthusiasmus an-
gefacht, gelang es ihm, die Einwände des vor-
sichtigen Muthesius und anderer Kenner der
Sachlage zu beschwichtigen. Statt der möglichst
begrenzt gedachten, eifersüchtig die Qualität
wahrenden ultraradikalen Ausstellung, wie die
Führer des Deutschen Werkbundes sie sich
wünschten, kam ein kapitales Unternehmen
von sehr bedeutendem, den Eingeweihten von
vornherein verdächtigen Dimensionen. Nie-
mand wird daran zweifeln, daß heute selbst
Rehorst der Meinung sein dürfte, über die
Kraft der deutschen Leistungsfähigkeit hinaus
geschritten zu sein. Vielleicht auch ein wenig
über seine eigene.

Man kann nicht sagen, daß er restlos die
Vorzüge, die das von der Stadt Cöln zur Ver-
fügung gestellte Gelände drüben am Deutzer
Rheinufer bot, ausgenutzt hätte. Er hat das
Ufer zugebaut. Zwar kann man im Müßiggang
längs des Rheines promenieren; widmet man

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