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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 34.1914

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Breuer, Robert L.: Die Cölner Werkbund-Ausstellung
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Die Cölner Werkbund-Ausstelluno.

Die Bauten, die Gropius hinstellte, entbehren
ohne Zweifel der Routine. Gropius ist noch
durchaus ein Suchender; aber daß er das ist,
dadurch wird er gerade interessant und wertvoll.
Durch das dreifache Dogma von der Sachlich-
keit und ihren Genossinnen sind ganze Scharen
unserer Bauenden zu der Überzeugung gekom-
men, daß einem Hause Genüge geschehen sei,
wenn die Küche nach Norden und das Schlaf-
zimmer nach Morgen sich öffnet. Gropius ge-
hört zu der anderen Klasse, zu der, die nach
der Form pirscht. Gegen sein Kontorhaus läßt
sich vieles sagen; besonders wunderlich wirken
zwei Treppentürme, die er, ganz mit Glas
ummantelt, an die Ausläufer der flachen,
aber vital gegliederten Fassade gestellt hat.
Für fensterpromenierende Jünglinge mögen
diese gläsernen Türme allerlei Lockendes
haben; im übrigen aber sind sie unmöglich.
Überhaupt hat Gropius ein wenig stark mit
Glas gewirtschaftet. Die Wände, die nach
dem Fabrikhof zu liegen, sind abermals von der
Decke bis zum Fußboden Glas. Solche Durch-
sichtigkeit mag für die Kontrolle des Kontor-
personals und der Hofarbeiter nützlich sein;
sie hat aber etwas peinlich Unsoziales, auch
entbehrt sie jener Diskretion, die nun einmal
zum kultivierten Menschen gehört. Man kann
doch nicht plötzlich das Prinzip, das Strafge-
fangenen peinlich ist, redlichen Staatsbürgern
auferlegen. Im übrigen dürften die allzu großen
Glasflächen auch für unser Klima nicht gerade
geeignet sein. Doch das alles kann nicht hin-
dern, den Eifer, mit dem Gropius nicht aus
Sensation, vielmehr aus Trieb, nach etwas
neuem strebt, anzuerkennen.

Zu den nettesten Episoden, die man in der
großen Halle erleben kann, gehört die Raum-
serie der zwölf Apostel. Zwölf anerkannten
Pionieren der architektonischen Reformation
wurden Kojen zur Verfügung gestellt, zwei
Toten, Prof. Eckmann undProf. Olbrich, und zehn
Lebenden. Es ist amüsant, in schneller Folge
diese Persönlichkeiten wieder einmal zu er-
fahren ; so sieht man, wie reich trotz alles not-
wendigen Strebens nach Typisierung die junge
deutsche Stilbewegung doch ist, es wenigstens
zu sein vermag. Velde, Obrist, Pankok, Endeil,
Behrens, Riemerschmid, Paul, Dülfer, Hoff-
mann, Niemeyer: das sind doch schließlich alles
Künstler, deren Nerven im eigenen Rhythmus
schwingen. Diezwölf Apostel lassen uns das Ver-
trauen zu derFortentwicklung der deutschenForm
nicht verlieren. Unsere Zuversicht würde viel-
leicht noch gewisser werden, wenn gleichzeitig
neben den Denkmalen für die Künstler auch den
führenden Kunstzeitschriften und Fabri-

kanten eineEhrungbereitetwordenwäre. Man
darf nicht vergessen, wieviel Opfer einige jener
Firmen, die sich mit all ihrem Können in den
Dienst der Künstler stellten, gebracht haben.

Zu den Mehrern unserer Zuversicht gehören
auch die Schulen, die ihre Leistungen in einer
sehr umfassenden Ausstellung zeigen. Nun läßt
sich das Schulproblem gewiß nicht mit wenigen
Zeilen abtun; nicht einmal über ein Kapitel, das
zur Diskussion geradezu reizt, nämlich über die
auffallende Verbreitung der wienerischen Orna-
mentik in beinahe allen größeren Lehranstalten,
kann in diesem Zusammenhang gesprochen
werden. Soviel aber ist doch zu sagen: daß
trotz mancher Schwäche, trotz des Vorhanden-
seins jener Art des Kunstgewerbes, die durch
ihre zwecklose Grimassierung immer noch an
Laubsäge und Holzbrand erinnert, auch trotz des
völligen Versagens einiger Fachschulen dennoch
der pädagogische Eifer und das künstlerische
Tempo, die unsere Schulen beleben, zu sicheren
Hoffnungen berechtigen. Und, was gewiß nicht
unwichtig ist: auch diese deutschen Kunst-
schulen, besonders die zu Breslau, zu Berlin,
zu Düsseldorf, zuCöln, zu Magdeburg und Ham-
burg, kann uns niemand nachmachen. Man muß
die Ausstellungen der französischen Schulen
hier und da gesehen haben, um die kunstpäda-
gogischen Leistungen der Deutschen richtig ein-
schätzen zu können.

« « *

Nach den prinzipiellen Sätzen, die dieser
Ausstellungsbesprechung vorangestellt wurden,
erübrigt es sich fast, auf die Einzelheiten, mit
denen die Hallen überfüllt sind, einzugehen.
Immer wieder würde man auf das eigentliche
Thema, das den Kritiker an der Werkbund-
ausstellung interessiert, einzugehen haben, auf
den Konflikt zwischen den Wenigen, die be-
rufen waren, und den Vielen, die durch das un-
erwartete und auch unerwünschte Cölner Pro-
gramm hinzukommen mußten. Über die Metall-
arbeiten von Lettre, Van de Velde, Richard
L. F. Schulz, Eisenlöffel, auch über Stücke,
wie sie Bruckmann-Heilbronn fertigt, ist schon
oft genug gesprochen worden; diese Arbeiten
gehören zu dem Besten was Deutschland an
kleinem Gerät hervorzubringen vermag. Einige
Keramiken könnten hinzukommen, ein Dut-
zend Stücke je aus den großen Manufakturen
Berlin, Nymphenburg, Meißen, einige Stein-
zeuge aus Höhr, einige Figuren, der Schwarz-
burger Werkstätten, einige Tiere von Pottner.
Die prachtvollen Schmiedearbeiten von Julius
Schramm, die Verglasungen, die Heinersdorff
macht, die meisterhaften Erzeugnisse einiger
Schriftgießereien und so manche Proben der

1914. XII. 6.

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