Henri de Toulouse-Lautrec
TOULOUSE-LAUTREC
»MAIL COACHS ÖL. 1881
ischen Hofalmanach zurecht gemacht aus. Ver-
gleichsweise so wie Peche Melba etwa!
Das Zeichentalent ist ohne Zweifel das Be-
deutendste an diesem Menschen gewesen, der
als ein Krüppel im persönlichen Verkehr meist
spröde, bitter, grausam und bissig war. Er
ist als Kind zur Wut seines Vaters, der nicht
nur ein sehr schöner Mann, sondern auch ein
Jäger, Reiter und leidenschaftlicher Sportler
war, mehrfach unglücklich auf seine Beine und
seine Hüften gefallen, so daß er klein wie ein
Kasperle geblieben war und auch so unbe-
holfene zapplige Bewegungen wie solch eine
Puppenbühnenfigur an sich hatte. Die Guilbert,
die er ja mehrfach gezeichnet hat, beschreibt
den Künstler einmal folgendermaßen: Ein
riesiger dunkelhaariger Schädel. Das Gesicht
stark gerötet und schwarzbärtig. Die Haut ölig
und fett. Eine Nase, groß genug für zwei Ge-
sichter. Und dazu ein Mund, der den Kopf von
einer Backe zur andern zerschnitt und aussah
wie eine breite klaffende Wunde. Die Schleim-
haut der Lippen säumte violettrosa, plattge-
drückt und schlaff die entsetzliche obszöne
Spalte des Mundes."
Die große Vortragsmeisterin blickt dann er-
schrocken in seine Augen, von denen sie sagt,
daß sie schön, weit und leuchtend von Wärme
und Glanz gewesen seien. Lautrec fängt ihren
Blick auf und reißt, eitel wie Verkrüppelte es
oft sind, nun schleunigst seinen Kneifer ab, um
ihr seine Augen, seine einzige Schönheit, ganz
darzubieten. Dabei bemerkt die Sängerin seine
drollige Zwergenhand, die breit und eckig an
einem wunderlichen Marionettenärmchen sitzt.
Und zum Schluß dieser ihrer Beschreibung von
dieser höllenhaften Erscheinung fügt die fromm
gewordene Guilbert dann pastorenhaft hinzu:
„Gestorben ist Lautrec, von Alkohol vergiftet,
ein Opfer all seiner Exzesse."
Die Ausschweifungen haben diesem unglück-
lichen Teufel wohl noch weniger zugesetzt als
sein scheußlicher krankhafter verkrüppelter Zu-
stand, der ihm schon in seiner Knabenzeit als
Mitgift des Infernos angehängt war. Allerdings
tat er das Seinige dazu, die traurige Gestalt,
die ihm verliehen war, durch einen wüsten un-
geregelten Lebenswandel noch mehr zu unter-
höhlen, wie er denn wohl auch unmittelbar an
den Folgen der Paralyse siebenunddreißigjährig
gestorben ist. Als die göttliche Yvette ihn nach
seiner Pariser Wohnung fragt, gibt Lautrec ihr
ein bekanntes Pariser Freudenhaus auf dem
Montmartre an. „Wie? dort wohnen Sie?" fragt
sie erstaunt. „Certainement, Madame I" er-
widert er trocken. Und in der Tat hat er Monate
TOULOUSE-LAUTREC
»MAIL COACHS ÖL. 1881
ischen Hofalmanach zurecht gemacht aus. Ver-
gleichsweise so wie Peche Melba etwa!
Das Zeichentalent ist ohne Zweifel das Be-
deutendste an diesem Menschen gewesen, der
als ein Krüppel im persönlichen Verkehr meist
spröde, bitter, grausam und bissig war. Er
ist als Kind zur Wut seines Vaters, der nicht
nur ein sehr schöner Mann, sondern auch ein
Jäger, Reiter und leidenschaftlicher Sportler
war, mehrfach unglücklich auf seine Beine und
seine Hüften gefallen, so daß er klein wie ein
Kasperle geblieben war und auch so unbe-
holfene zapplige Bewegungen wie solch eine
Puppenbühnenfigur an sich hatte. Die Guilbert,
die er ja mehrfach gezeichnet hat, beschreibt
den Künstler einmal folgendermaßen: Ein
riesiger dunkelhaariger Schädel. Das Gesicht
stark gerötet und schwarzbärtig. Die Haut ölig
und fett. Eine Nase, groß genug für zwei Ge-
sichter. Und dazu ein Mund, der den Kopf von
einer Backe zur andern zerschnitt und aussah
wie eine breite klaffende Wunde. Die Schleim-
haut der Lippen säumte violettrosa, plattge-
drückt und schlaff die entsetzliche obszöne
Spalte des Mundes."
Die große Vortragsmeisterin blickt dann er-
schrocken in seine Augen, von denen sie sagt,
daß sie schön, weit und leuchtend von Wärme
und Glanz gewesen seien. Lautrec fängt ihren
Blick auf und reißt, eitel wie Verkrüppelte es
oft sind, nun schleunigst seinen Kneifer ab, um
ihr seine Augen, seine einzige Schönheit, ganz
darzubieten. Dabei bemerkt die Sängerin seine
drollige Zwergenhand, die breit und eckig an
einem wunderlichen Marionettenärmchen sitzt.
Und zum Schluß dieser ihrer Beschreibung von
dieser höllenhaften Erscheinung fügt die fromm
gewordene Guilbert dann pastorenhaft hinzu:
„Gestorben ist Lautrec, von Alkohol vergiftet,
ein Opfer all seiner Exzesse."
Die Ausschweifungen haben diesem unglück-
lichen Teufel wohl noch weniger zugesetzt als
sein scheußlicher krankhafter verkrüppelter Zu-
stand, der ihm schon in seiner Knabenzeit als
Mitgift des Infernos angehängt war. Allerdings
tat er das Seinige dazu, die traurige Gestalt,
die ihm verliehen war, durch einen wüsten un-
geregelten Lebenswandel noch mehr zu unter-
höhlen, wie er denn wohl auch unmittelbar an
den Folgen der Paralyse siebenunddreißigjährig
gestorben ist. Als die göttliche Yvette ihn nach
seiner Pariser Wohnung fragt, gibt Lautrec ihr
ein bekanntes Pariser Freudenhaus auf dem
Montmartre an. „Wie? dort wohnen Sie?" fragt
sie erstaunt. „Certainement, Madame I" er-
widert er trocken. Und in der Tat hat er Monate