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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 64.1929

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Michel, Wilhelm: Der Schöne Mensch in der neuen Kunst
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Hofmann, Herbert: Das Selbstbildnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.9254#0283

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Der schöne Mensch in der netien Kunst

Bild gibt. Man sähe gerne die deutsche Kunst
von heute, gerade gegenüber den ausländischen
Gästen, gewichtiger, wirkungsvoller dargestellt.
Der Gesamteindruck ist ordnungslos, es heben
sich zu wenig dominierende Punkte und Züge
heraus. Des eigentlich jurierenden Zugriffs
hatte man sich aus Gründen, die man würdigen
muß, begeben. Vielleicht hätte sich beim Hän-
gen einiges besser machen lassen. Aber das
Wesentliche ist wohl, daß zu wenig starke Ein-
zelleistungen da sind, die eine Führung oder
Gliederung des Ganzen bringen könnten. Es
finden sich wohl im Katalog eine Reihe klin-
gender Namen. Aber die Leistung entspricht
vielfach nicht der Marke. Die beiden Ho fers
(Karl) gehören einer älteren Periode an, an der
man sich gerade satt gesehen hat. Davring-
hausen, Mense, Nauen, Krauskopf sind mit
schwachen Stücken vertreten, nicht zu reden
von E. L. Kirchner, Felixmüller, Charlotte
Berend u. andern, die dem Ganzen in keiner
Weise zur Zierde gereichen. Von Albert Koh-
ler (A.scona) sieht man einen Freskenentwurf,
der gute schweizerische Überlieferungen treff-
lich verwertet, Purrmann zeigt zwei gute
Proben seiner impressionistischen Malerei, Ru-
dolf Levy (Berlin) ist in „Seefahrers Heim-
kehr" spritzig und geistreich wie immer. Ver-
hältnismäßig gut schneiden innerhalb des Gan-
zen die Darmstädter ab. So Well Habicht
mit einer fließend und gelöst aufgebauten Mäd-
chenfigur (getönter Gips), die einen unzweifel-
haften Fortschritt in seinem Schaffen darstellt;
so Alexander Posch mit einem kultivierten
Doppelakt, Carl Gunschmann mit einer
malerisch gehaltvollen Frauenfigur im Innen-
raum, Adam Antes mit einem empfundenen
weiblichen Torso. Dazu gesellt sich der zu
Darmstadt gehörige Nachwuchs: Gottfried
Diehl, der in einem Doppelakt von eigen-
artigem Raumerlebnis und selbständiger Far-
benwelt einen bemerkenswerten Wurf getan
hat; Ernst Vogel, ein begabter Schüler von
Julius Heß; Gottfried Richter (Offenbach), ein
reinrassiges Malertemperament. Eine sehr ein-
drucksvolle Arbeit erblicke ich in dem kleinen
Marmortorso von Benno Elkan; enorm viel
Detail, erstaunlich fein studiert und doch zu-
gleich famos gebunden. Im kleinen Garten des
Ausstellungsgebäudes erfreut ein edler, kraft-
voller Mädchentorso (Granit) von Harold Win-
ter und eine feingespannte liegende Knaben-
figur (Terrakotta) von Lörcher; stellen wir

dazu noch einen ungemein frei und schön be-
wegten Mädchenakt (Gips eisengrau getönt) von
Richard Scheibe und eine feine, verhaltene
Mädchenfigur von Jlmari (Paris),

Der Ausstellung ist eine Sonderabteilung an-
geschlossen, die in vorzüglichen photographi-
schen Reproduktionen bekanntes, doch hier zur
Ergänzung sehr willkommenes Material zeigt,
Aktschilderungen durch die ganze Kunstge-
schichte hindurch, von der Steinzeit bis zum
Barock und weiter. Diese Abteilung, die so
manche tief befriedigende Begegnung bringt, ist
von dem Maler Dr. Herman Keil zusammenge-
stellt, der auch für eine lebendigere Gestaltung
des Katalogs Sorge getragen hat.

Möge es bei künftigen Darmstädter Ausstel-
lungen gelingen der örtlichen Jury die Hände
freier zu halten als es diesmal der Fall war. Eine
Ausstellung ist nun einmalkeine beliebige Anhäu-
fung von Kunstwerken; ihr Gesicht, ihr Wesen,
ihre Wirkung können nur an Ort und Stelle
herausgearbeitet und befestigt werden; sie
sollte nach Möglichkeit auch einen erzieheri-
schen Wert haben*). Doch auch so läßt sich
der diesjährigen Ausstellung nachsagen, daß sie
innerhalb der kunslpflegerischen Arbeit Darm-
stadts eine begrüßenswerte Aufraffung bedeu-
tet. Sie schlägt nach den mancherlei Versagern
der letzten Jahre (gerade als eine internationale
Ausstellung) wieder einen Weg ein, auf dem
man in DaTmstadt weitergehen sollte. Dann
wird der alte gute Ruf der Ausstellungen auf
der Mathildenhöhe bald wieder hergestellt sein.

WrLHELM MICHEL.

*) Vergl. hierzu die Ausführungen von Dr. Alexander Koch im
Oktober-Heft 1928.

*

DAS SELBSTBILDNIS enthält die höchste
Forderung an die Kunst: Menschlichstes
auszusagen! Für den einen ein heiliges Beginnen,
für den anderen eine ironische Farce. Und doch
kommt keiner darum, sein Menschentum zu ent-
blößen, wie sehr er sich auch bemüht, sich mit
der Gebärde blendender Artistik oder frivolen
Snobismus' zu verbrämen. Immer stellt er sich
selbst dar. Und selbst im Entrinnen vor der
eigenen Wahrheit bleibt er seinem Daimonion
verfallen. Über den eigenen Schatten kann
keiner springen. Der Mensch hält Zwiesprache
mit sich selbst; sein „Spiegelblick" wird Hell-
sehen in die seelischen Gründe seines „Gegen-
über", wird Hellhören des Auges in den Raum
der Welt hinein........ berbert hofmann.

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