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Doerner, Max
Malmaterial und seine Verwendung im Bilde: nach den Vorträgen an der Akademie der Bildenden Künste in München — München, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.42160#0229
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verdünnter Emulsion, sogar mit in Wasser verdünnter Tempera*
färbe in das Öl malen. Temperafarbe auf und in Harzölfarbenlasur
entspricht der Mischtechnik derVlamen usw. in der Wirkung.
Studiert man Bilder der viamischen Meister oder mancher Alt*
deutschen, so wird man sich sagen müssen, daß das Material
weder Ölfarbe noch Tempera im heutigen Sinne gewesen sein
kann. Diese großen Techniker und Praktiker werden bald dazu
gekommen sein, bewußt Vorteile und Nachteile der beiden Tech*
niken, der Ölmalerei und der Tempera miteinander zu verbinden
resp. auszugleichen.
Es ist also höchst wahrscheinlich anzunehmen, daß die Sage von
der Erfindung der Ölmalerei durch Hubert van Eyck sich auf
eine Art Mischtechnik bezog. Es ist jedenfalls möglich, in dieser
Technik diese Werke nachzuschaffen und zwar nicht mühsam
lithographisch und retuschierend, sondern folgerichtig aufgebaut,
so daß kein Strich zu viel gegeben wird, und Wirkungen im
Sinne der Alten ohne Umwege oder Tüfteleien erreicht werden.
Dem Praktiker wird es genügen, ein Material zu haben, mit dem
man die Wirkung und stoffliche Art der viamischen Bilder sicher
und rasch erreichen kann. Natürlich eignet sich solche Malweise
nichtfür Studien, sondern nur für Bilder, die nicht naturalistischer
Art sein sollen. Da aber kann sie sehr anregend wirken und sie
ergibt neue Möglichkeiten gegenüber der Allerwelts*Manier der
Ölfarbe. Sie ist ein Material für Stilisten und Erzähler, wie die
Ölfarbe das gegebene Material des Naturalisten. Fragt man sich,
was ist in Tempera wertvoll und leicht zu erreichen, so muß der
zeichnerisch scharfe Strich, die leichte Verarbeitung bloß mit
Wasser, das rasche Trocknen auch pastös gemalter Schichten,
genannt werden, und die Möglichkeit, Körperhaftigkeit den Far*
ben zu geben. In der nassen dünnen Harzölfarbe sitzt der Tem*
perastrich, auch der Wasserstrich, mit einer solchen Bestimmtheit
und Schärfe, wie sie nie mit Öl zu erreichen ist und wie sie sich
auf den Bildern der Vlamen und Altdeutschen und besonders
Dürers findet. In Öl ist es keine Kunst, eine Fläche gleichmäßig
zu streichen, inTempera wird eine gleichmäßig gestrichene Fläche
beim Firnissen leicht fleckig. In Öl ist eine Verschmelzung, ein
Vertreiben der Töne, leicht, nur zu leicht zu machen, Tempera

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