A. Kunsthistorischer Teil.
TAFEL I und II.
Medaillenartiges Geld: Der Tyroler Guldengroschen und Nachahmungen desselben.
Andere Großprägen.
Versuche, das Bild des Münzherrn naturgetreu zu
gestalten, traten auch im Mittelalter schon sehr frühe
und immer wieder zutage; was ihrem Gelingen zumeist
im Wege stand, war die Kleinheit des Denars, bei
Brakteaten die Unvollkommenheit ihrer technischen
Herstellung, bei beiden Geldarten die häufige Münz-
verrufung. Als in Italien der Testone in Übung kam,
gab der größere Umfang dieser Münze und ihre
Stabilität den Stempelschneidern lohnende Gelegen-
heit, ihre Kunstfertigkeit zu entfalten: Testoni der
Bentivoglio, Sforza, Montferrat, Savoyen, in der
zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts entstanden,
zeigen bereits sehr vollkommene Bildnisse der Münz-
herren.
In Deutschland hat man auf dem i. J. 1484 zuerst
geprägten »Tyroler Guldengroschen« (Silbergroß-
münze im Weite eines Goldguldens), dem später so-
genannten Taler, die Aufgabe einer porträtmäßig-en
Darstellung des Münzfürsten gut gelöst; ja, das Stück
(Tafel r, n. 1), welches dem ältesten Taler als Vor-
bild gedient hat und geradezu als Essai zu demselben
angesprochen werden darf (denn auch im Gewichte
stimmt es mit jenem überein), trägt nach seiner
äußeren Beschaffenheit völlig den Charakter einer
Medaille an sich. Um durch Prägung vervielfältigt
und als kursierende Münze gebraucht zu werden,
schien dieser Essai hauptsächlich wohl nur wegen
seines zu hohen Reliefs ungeeignet; denn der wirk-
lich in Umlauf gesetzte Guldengroschen unterscheidet
sich von jenem Stücke tatsächlich vor allem durch
das flachere Relief und nur einige unbedeutende
stilistische Änderungen.
Daß der Stempelschneider des Tyroler Gulden-
groschens nach einem bestimmten Vorbilde gearbeitet
habe, läßt sich nicht behaupten. Für die Ausstattung
der Kopfseite war vielleicht ein Teston Karls von
Savoyen (1482 —1490) nicht ohne Einfluß; diese Dar-
stellung, ein Halbbild mit Schwert oder Szepter in
der Rechten, begegnet aber des öftern. Für die Rück-
seite hat offenbar die übliche Ausstattung des Reiter-
siegels als Vorbild gedient, wie denn auch ältere
französische Goldmünzen oder Gold- und Silber-
münzen von Mailand solche siegelartige Dar-
stellungen aufweisen. Neu ist der Kranz von Wap-
pen, der ornamentartig das Reiterbild umschließt;
vielleicht hat denselben die Turnose veranlaßt, auf
welcher die Wappenlilie ein umlaufendes Ornament
bildet. Der Stil der ganzen Darstellung ist noch der
» gotische c.
Der Tyroler Guldincr ist in zwei Haupttypen
vorhanden: der eine, ältere, v. J. 1484 (n. 2) zeigt
auf der Vorderseite das Halbbild des Erzherzogs, der
andere v. J. i486 (n. 3) das Standbild desselben
zwischen seinem Wappen und Helmschmuck. Umschrift
und Rückseite sind auf beiden Stücken im wesent-
lichen dieselben.
Rasch hat der Tyroler Taler Verbreitung- und
Nachahmung gefunden, wobei nicht selten auch
das Bild der Vorlage mehr oder weniger beibehalten
wurde: auf der ältesten formellen Nachahmung, die
i. J. 1488 in Lothringen entstand (n. 4), begegnen
wir dem zwischen Schild und Helmschmuck stehenden
Herzog, auf ungarischen Talern von 1499 (n. 5)
dem Reiterbilde mit der Jahrzahl darunter; älteste
Schweizer Taler, wie jene von Bern (n. 6), Sitten
(n. 7), Zürich (n. 8), behalten vom Tyroler Vorbilde
den Wappenkranz bei. Sowohl Haupt- als Kehrseite
des Vorbildes ahmen am getreuesten die zeitlich ent-
ferntesten Prägungen des Erzherzogs Maximilian von
Tyrol, des Deutschmeisters, nach (n. 9).
Aber damit ist der Einfluß des Tyroler Gulden-
groschens keineswegs erschöpft; seine Bedeutung- in
der Geschichte der deutschen Medaille beruht vor
allem darauf: er weckt und bildet den Geschmack an
schönen Großprägen (Tafel II). Durch zierliche und
reiche Zeichnung, auch wohl durch Anschluß an ein
antikes Vorbild (n. iö), vor allem aber durch natur-
getreue und bedeutende Darstellung der Münzherren
will man den Münzen eine ihrem hohen Metallwert
entsprechende Ausstattung geben. Das abweichende
Gewicht (wie bei nn. 10, 11, 12) und die urkundlich
nachgewiesene Bestellung und Verwendung mancher
derartiger Stücke zu Geschenkzwecken lassen es so-
gar fraglich erscheinen, ob man sie überhaupt noch
als »Geld« ansprechen dürfe und nicht vielmehr als
Schau- und Präsentstücke; aber auch wo die Be-
stimmung solcher Prägung-en als Kurrentmünzen außer
Frage steht (wie bei nn. 15 —18), erinnert ihre
ganze Ausstattung an die Medaille, so daß der Schritt
zur Herstellung von eigentlichen Medaillen, welche
nicht mehr die Bestimmung eines Tauschmittels, son-
dern lediglich oder wenigstens in erster Linie die einer
Erinnerung hatten, tatsächlich nur ein sehr kleiner war.
— Und so kehrt auch in Deutschland, wie hundert Jahre
vorher in Italien, die Erscheinung wieder, daß die
Münzprägung es war, welche den Anstoß zum
Inslebentreten der Medaille gegeben hat.
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TAFEL I und II.
Medaillenartiges Geld: Der Tyroler Guldengroschen und Nachahmungen desselben.
Andere Großprägen.
Versuche, das Bild des Münzherrn naturgetreu zu
gestalten, traten auch im Mittelalter schon sehr frühe
und immer wieder zutage; was ihrem Gelingen zumeist
im Wege stand, war die Kleinheit des Denars, bei
Brakteaten die Unvollkommenheit ihrer technischen
Herstellung, bei beiden Geldarten die häufige Münz-
verrufung. Als in Italien der Testone in Übung kam,
gab der größere Umfang dieser Münze und ihre
Stabilität den Stempelschneidern lohnende Gelegen-
heit, ihre Kunstfertigkeit zu entfalten: Testoni der
Bentivoglio, Sforza, Montferrat, Savoyen, in der
zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts entstanden,
zeigen bereits sehr vollkommene Bildnisse der Münz-
herren.
In Deutschland hat man auf dem i. J. 1484 zuerst
geprägten »Tyroler Guldengroschen« (Silbergroß-
münze im Weite eines Goldguldens), dem später so-
genannten Taler, die Aufgabe einer porträtmäßig-en
Darstellung des Münzfürsten gut gelöst; ja, das Stück
(Tafel r, n. 1), welches dem ältesten Taler als Vor-
bild gedient hat und geradezu als Essai zu demselben
angesprochen werden darf (denn auch im Gewichte
stimmt es mit jenem überein), trägt nach seiner
äußeren Beschaffenheit völlig den Charakter einer
Medaille an sich. Um durch Prägung vervielfältigt
und als kursierende Münze gebraucht zu werden,
schien dieser Essai hauptsächlich wohl nur wegen
seines zu hohen Reliefs ungeeignet; denn der wirk-
lich in Umlauf gesetzte Guldengroschen unterscheidet
sich von jenem Stücke tatsächlich vor allem durch
das flachere Relief und nur einige unbedeutende
stilistische Änderungen.
Daß der Stempelschneider des Tyroler Gulden-
groschens nach einem bestimmten Vorbilde gearbeitet
habe, läßt sich nicht behaupten. Für die Ausstattung
der Kopfseite war vielleicht ein Teston Karls von
Savoyen (1482 —1490) nicht ohne Einfluß; diese Dar-
stellung, ein Halbbild mit Schwert oder Szepter in
der Rechten, begegnet aber des öftern. Für die Rück-
seite hat offenbar die übliche Ausstattung des Reiter-
siegels als Vorbild gedient, wie denn auch ältere
französische Goldmünzen oder Gold- und Silber-
münzen von Mailand solche siegelartige Dar-
stellungen aufweisen. Neu ist der Kranz von Wap-
pen, der ornamentartig das Reiterbild umschließt;
vielleicht hat denselben die Turnose veranlaßt, auf
welcher die Wappenlilie ein umlaufendes Ornament
bildet. Der Stil der ganzen Darstellung ist noch der
» gotische c.
Der Tyroler Guldincr ist in zwei Haupttypen
vorhanden: der eine, ältere, v. J. 1484 (n. 2) zeigt
auf der Vorderseite das Halbbild des Erzherzogs, der
andere v. J. i486 (n. 3) das Standbild desselben
zwischen seinem Wappen und Helmschmuck. Umschrift
und Rückseite sind auf beiden Stücken im wesent-
lichen dieselben.
Rasch hat der Tyroler Taler Verbreitung- und
Nachahmung gefunden, wobei nicht selten auch
das Bild der Vorlage mehr oder weniger beibehalten
wurde: auf der ältesten formellen Nachahmung, die
i. J. 1488 in Lothringen entstand (n. 4), begegnen
wir dem zwischen Schild und Helmschmuck stehenden
Herzog, auf ungarischen Talern von 1499 (n. 5)
dem Reiterbilde mit der Jahrzahl darunter; älteste
Schweizer Taler, wie jene von Bern (n. 6), Sitten
(n. 7), Zürich (n. 8), behalten vom Tyroler Vorbilde
den Wappenkranz bei. Sowohl Haupt- als Kehrseite
des Vorbildes ahmen am getreuesten die zeitlich ent-
ferntesten Prägungen des Erzherzogs Maximilian von
Tyrol, des Deutschmeisters, nach (n. 9).
Aber damit ist der Einfluß des Tyroler Gulden-
groschens keineswegs erschöpft; seine Bedeutung- in
der Geschichte der deutschen Medaille beruht vor
allem darauf: er weckt und bildet den Geschmack an
schönen Großprägen (Tafel II). Durch zierliche und
reiche Zeichnung, auch wohl durch Anschluß an ein
antikes Vorbild (n. iö), vor allem aber durch natur-
getreue und bedeutende Darstellung der Münzherren
will man den Münzen eine ihrem hohen Metallwert
entsprechende Ausstattung geben. Das abweichende
Gewicht (wie bei nn. 10, 11, 12) und die urkundlich
nachgewiesene Bestellung und Verwendung mancher
derartiger Stücke zu Geschenkzwecken lassen es so-
gar fraglich erscheinen, ob man sie überhaupt noch
als »Geld« ansprechen dürfe und nicht vielmehr als
Schau- und Präsentstücke; aber auch wo die Be-
stimmung solcher Prägung-en als Kurrentmünzen außer
Frage steht (wie bei nn. 15 —18), erinnert ihre
ganze Ausstattung an die Medaille, so daß der Schritt
zur Herstellung von eigentlichen Medaillen, welche
nicht mehr die Bestimmung eines Tauschmittels, son-
dern lediglich oder wenigstens in erster Linie die einer
Erinnerung hatten, tatsächlich nur ein sehr kleiner war.
— Und so kehrt auch in Deutschland, wie hundert Jahre
vorher in Italien, die Erscheinung wieder, daß die
Münzprägung es war, welche den Anstoß zum
Inslebentreten der Medaille gegeben hat.
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