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Domanig, Karl [Hrsg.]
Die deutsche Medaille in kunst- und kulturhistorischer Hinsicht: nach dem Bestande der Medaillensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses — Wien, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.15377#0084
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B. Kulturhistorischer Teil.

EINLEITUNG.*)

Was wir neben dem materiellen Wert der Edel-
metalle an jedem Metall am meisten schätzen, ist
seine Dauerhaftigkeit. Das Wort des römischen Dich-
ters: aere perennius, dauernder als Erz, hat sich bis
zum heutigen Tage als Sprichwort erhalten, und bis
zum heutigen Tage erhielt sich die Sitte, besonders
denkwürdige Ereignisse durch Ausprägung von Me-
daillen zu »verewigen«.

Auf die hauptsächlichsten Momente im Leben
fürstlicher Personen, auf Ereignisse von hoher poli-
tischer Bedeutung, auf die Vollendung großer Bauten
oder Denkmale, auch wohl zur Ehrung besonderer
Verdienste pflegt man ja noch heute Medaillen zu
verfertigen und eine Art von Medaillen, die der
Preismedaillen, welche bei Ausstellungen, bei Spielen
und Festen verliehen werden, hat sogar in neuerer
Zeit eine Verbreitung gewonnen wie nie zuvor; den-
noch haben wir heute kaum noch einen Begriff von der
Bedeutung und der unendlich verschiedenartigen Ver-
wendung, welche die Medaille in früherer Zeit, nament-
lich im XVI. und XVII. Jahrhundert, gefunden hat.

Nicht bloß Fürsten oder besonders reiche und
ausgezeichnete Persönlichkeiten, auch der Bürger,
der gemeine Mann, hatte eine ausgesprochene Vor-
liebe für die Medaille und ließ häufig sein eigenes
Bildnis ausprägen; nicht bloß Haupt- und Staats-
aktionen, auch alle wichtigeren Vorkommnisse im
Leben des Einzelnen, Lieb und Leid, Glück und Un-
glück, Humor und Witz haben in der Medaille ihren
Ausdruck gefunden. Gerade die Privatmedaille — ich
verstehe darunter jene Medaille, welche von Privaten
zu privatem Gebrauche und in der Regel für ein be-
stimmtes Individuum oder einen besonderen Fall her-
gestellt wurde — haben unsere Altvordern gepflegt
und wir besitzen in ihr, soweit sie sich erhalten hat,
eine für die Familiengeschichte und insbesondere für
die Kulturgeschichte der früheren Zeiten überaus
reiche, noch kaum genug beachtete Quelle.

Entsprechend ihrem eigensten Wesen als eines
vornehmen und dauernden Erinnerungszeichens hat
die Medaille wohl zumeist regierenden Herren ge-
dient zur Verewigung politischer Ereignisse, wie
etwa des Regierungsantrittes (Tafel LI) oder eines
Vikariates (Tafel LH), von Allianzen und politischen
Tagungen (Tafel LIII), von Schlachten und Friedens-
schlüssen (Tafeln LIV—LV).

Offiziellen Charakter wie die Stücke dieser Art
besitzen auch manche von Stadtgemeinden ver-

*) Mit Zugrundelegung meines Vortrages: »Die deutsche
Privatmedaille der älteren Zeit«, abgedruckt im XXIV. Bd. der
Numismatischen Zeitschrift.

I anlaßte, wie etwa zur Erinnerung an eine Burg-
friedensbereitung oder eine Huldigung; andere Male
dient das auf Medaillen angebrachte Stadtbild zur
Veranschaulichung einer Belagerung, andere Male
zum Ruhme des Gemeinwesens, welchen Zweck wohl
auch die sogenannten Regimentsmedaillen ver-
folgen (Tafeln LVI—LVIII).

Eine heute selten gewordene Gattung bilden die
Gnadenmedaillen der Fürsten (Tafeln LIX—LX),
dann die Ehrenpfennige jeder Art. Hier dient die
Medaille als Auszeichnung, vielfach ähnlich unseren
Ordensdekorationen, und wird wie diese als Schmuck
getragen. Dabei ist zu erinnern, daß die Medaille
(und nicht bloß der offizielle Ehrenpfennig, sondern
auch die private Erinnerungsmedaille) zeitweilig ge-
radezu im Dienste der Mode erscheint. Jakob von
Falke schreibt darüber (Gesch. des d. Kunstgewerbes,
S. 134%.): »Als gegen die Mitte des XVI. Jahrhun-
derts die Dekolletierung aufhörte und die Frauen
sich in steife Kleidung einhüllten, daß kaum Gesicht
und Hände hervorschauten, wurden die Kleider von
Kopf zu Fuß mit Schmuck besetzt und behängt.
Ketten und Perlenschnüre, Nadeln und Ohrgehänge,
diademartiger Schmuck, Medaillons und medaillon-
artige Gehänge, Ringe und Reifen, Reihen blumen-
artig gestalteter Knöpfe, wozu man auch Gürtel, Fä-
cher, Dolche oder Messer rechnen kann, das schmückte
und bedeckte die Gestalten der Männer wie der
Frauen. Zum Glücke kam ein reiner Geschmack und
eine vollendete Kunst dieser Leidenschaft zu Hilfe
und so entstanden wahre Kunstwerke im kleinen,
mustergültige Vorbilder für alle Zeiten.«

Gegenüber den Gnadenmedaillen und Ehrenpfen-
nigen stehen die Geschenkmedaillen von Stän-
den und Städten an ihnen nahestehende Fürstlich-
keiten. Die tyrolische Landschaft hat wiederholt der-
artige kostbare Geschenke überreicht, so an K. Phi-
lipp II. einen Medaillon, dessen Herstellungskosten
sich auf 6000 fl. beliefen, oder an K. Max II. und
später an dessen Gemahlin Kn. Maria. (Jahrb. d.
Kh. S., XL Bd. Urkundenregesten 6880, 6934.) Die
Schwazer Schmelzer und Gewerke brachten dem K.
Karl V. ein Ehrengeschenk dar, das nicht weniger als
160 Mark Silbers wog. (Kenner in Num. Ztschft.
XXXIV. S. 291 fg.) Einen »Krösen- oder Chrisam-
pfennig« haben die Stände von Steiermark, Kärnten,
Krain und Görz zur Geburt der Erzherzogin Elisabeth
(13. März 1577) verehrt, welcher 173 Dukaten schwer
war und 34580. kostete; auch von einer Hochzeits-
münze für die Eltern dieser Erzherzogin, den Eh. Karl
und seine Gemahlin Maria von Bayern, wissen wir.

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