5. Sergei
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seiner Reise nach Italien 1783/84 bekehrte sich der leicht empfäng-
liche König zum Klassizismus, und alsbald begann er die Einführung
des neuen Stils in Schweden zu betreiben. Er brachte sich aus Rom
den phantasievollen Jean Louis Desprez (1743—1804) mit, der als
Festdekorateur, Architekt und Maler Beschäftigung fand; der gleich-
falls aus Frankreich stammende, doch frühzeitig in Schweden ein-
gewanderte Maler Louis Adrien Masreliez (1747—1810) vertrat in
der Akademie die reine Lehre des Klassizismus; der Admiral Carl
August Ehrensvärd (1745—1800), Schwedens erster Ästhetiker, ver-
suchte ihm literarisch den Weg zu bereiten. Dennoch hat er nie so
recht Wurzel schlagen können. In Sergeis Schule blieb die lebendige
Triebkraft aus; das Talent Erik Gustav Göthes (1779—1838) reichte
über das liebenswürdig Genrehafte kaum hinaus; des Meisters Lieb-
lingsschüler aber, Johann Niklas Byström (1783—1848), fiel, in Rom
vom Frosthauche Thorwaldsenschen Einflusses berührt, einem
marklosen und glatten Akademismus und schließlich einem Groß-
betriebe antikisierender Typenskulptur anheim. In der Baukunst
vertritt der aus tüchtiger Barockschulung hervorgegangene, viel-
seitig tätige Carl Fredrik Adelcrantz (1716—96), der Schöpfer des
inzwischen verschwundenen alten Opernhauses und der Brücke
über den Nordstrom in Stockholm, etwa die Nuance des „Zopfes“;
unter den Klassizisten ragt sein Schüler Erik Palmstedt (1741 bis
1803) hervor, der die Stockholmer Börse und — vielleicht die feinste
Leistung des Zeitalters — das gustavianische Theater in Schloß
Gripsholm erbaut hat. Im ganzen haftet doch der klassizistischen
Baukunst Schwedens ein Zug von Schwunglosigkeit und Trocken-
heit der Form an. Vielleicht, daß dieser die Fläche betonende Stil
der zu kräftiger Plastik in der Behandlung des Baukörpers erzo-
genen schwedischen Baugesinnung wenig entgegenkam; überdies
mag auch die zunehmende wirtschaftliche Erschöpfung des Reiches
lähmend gewirkt haben. Gustav III. trug sich freilich mit großen
Plänen, aber alledem bereitete seine Ermordung im Jahre 1792 ein
jähes Ende. Sergei, ein begeisterter „Gustavianer“, setzte seinem
königlichen Gönner an der Stelle, wo er nach dem siegreichen
finnischen Feldzuge ans Land gestiegen war, das Denkmal; es wurde
das glücklichste Werk seiner Spätzeit: in die Formen des belvede-
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seiner Reise nach Italien 1783/84 bekehrte sich der leicht empfäng-
liche König zum Klassizismus, und alsbald begann er die Einführung
des neuen Stils in Schweden zu betreiben. Er brachte sich aus Rom
den phantasievollen Jean Louis Desprez (1743—1804) mit, der als
Festdekorateur, Architekt und Maler Beschäftigung fand; der gleich-
falls aus Frankreich stammende, doch frühzeitig in Schweden ein-
gewanderte Maler Louis Adrien Masreliez (1747—1810) vertrat in
der Akademie die reine Lehre des Klassizismus; der Admiral Carl
August Ehrensvärd (1745—1800), Schwedens erster Ästhetiker, ver-
suchte ihm literarisch den Weg zu bereiten. Dennoch hat er nie so
recht Wurzel schlagen können. In Sergeis Schule blieb die lebendige
Triebkraft aus; das Talent Erik Gustav Göthes (1779—1838) reichte
über das liebenswürdig Genrehafte kaum hinaus; des Meisters Lieb-
lingsschüler aber, Johann Niklas Byström (1783—1848), fiel, in Rom
vom Frosthauche Thorwaldsenschen Einflusses berührt, einem
marklosen und glatten Akademismus und schließlich einem Groß-
betriebe antikisierender Typenskulptur anheim. In der Baukunst
vertritt der aus tüchtiger Barockschulung hervorgegangene, viel-
seitig tätige Carl Fredrik Adelcrantz (1716—96), der Schöpfer des
inzwischen verschwundenen alten Opernhauses und der Brücke
über den Nordstrom in Stockholm, etwa die Nuance des „Zopfes“;
unter den Klassizisten ragt sein Schüler Erik Palmstedt (1741 bis
1803) hervor, der die Stockholmer Börse und — vielleicht die feinste
Leistung des Zeitalters — das gustavianische Theater in Schloß
Gripsholm erbaut hat. Im ganzen haftet doch der klassizistischen
Baukunst Schwedens ein Zug von Schwunglosigkeit und Trocken-
heit der Form an. Vielleicht, daß dieser die Fläche betonende Stil
der zu kräftiger Plastik in der Behandlung des Baukörpers erzo-
genen schwedischen Baugesinnung wenig entgegenkam; überdies
mag auch die zunehmende wirtschaftliche Erschöpfung des Reiches
lähmend gewirkt haben. Gustav III. trug sich freilich mit großen
Plänen, aber alledem bereitete seine Ermordung im Jahre 1792 ein
jähes Ende. Sergei, ein begeisterter „Gustavianer“, setzte seinem
königlichen Gönner an der Stelle, wo er nach dem siegreichen
finnischen Feldzuge ans Land gestiegen war, das Denkmal; es wurde
das glücklichste Werk seiner Spätzeit: in die Formen des belvede-