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Dresdner, Albert
Schwedische und norwegische Kunst seit der Renaissance — Jedermanns Bücherei: Breslau: Ferdinand Hirt, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.67059#0103
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14. Bildnerei und Baukunst in Norwegen

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gruppen aber die Lösung vom Banne zeigt. Diese Lösung aber liegt
in der Liebe.
Eine tüchtige und gesunde Begabung ist Vigelands Altersgenosse
Ingebrekt Vik (geb. 1867), der, Sohn eines bäuerlichen Kunst-
schnitzers und selbst aus dem Handwerke hervorgegangen, sich
auch in seinen Skulpturen die Freude des Werkkünstlers an klar
geordneter und wohlgebildeter Form gewahrt hat. Seine männlichen
und weiblichen Gestalten in Marmor und Bronze sind aus einfachsten
Motiven des Stehens oder Sitzens entwickelt, mit Feinheit ponde-
riert, erfüllt von stillem gelassenen Lebensgefühle. Seine reifste
Leistung ist die in der Vorderansicht entfaltete und aus großen
ruhigen Flächen aufgebaute Gestalt eines kraftvollen Jünglings, der,
die Hände auf dem Rücken gekreuzt, das Haupt tiefsinnend senkt.
Die norwegische Architektur sah sich im 19. Jahrhundert, als
Staat und Städte in wachsendem Maße zum Steinbau übergingen,
im Grunde vor eine neue Aufgabe gestellt, für die es ihr an trieb-
kräftiger Überlieferung und zureichender Erfahrung gebrach. So
war es erklärlich, daß sie nach dem Abebben der flachen klassizisti-
schen Welle sich widerstandslos in die Abwege des historischen
Stilismus hineinziehen ließ, der zumeist aus Deutschland bezogen
wurde. Große öffentliche Bauunternehmungen, wie in Christiania
der Neubau des Storthinghauses und der der Dreifaltigkeitskirche
oder die Wiederherstellung der Erlöserkirche, wurden der Leitung
von Ausländern anvertraut. Unglücklicherweise setzte das schnelle
Wachstum der Landeshauptstadt gerade in dieser Zeit architekto-
nischen Tiefstandes ein, die nicht allein ihre bauliche Physiognomie
nachteilig beeinflußt, sondern auch vor allem die bedeutenden,
durch die Lage von Christiania gebotenen Möglichkeiten planlos
vergeudet hat. Nur der Königsweg der neuen Stadt, die Karl-
Johannstraße, die Linstows nüchternes, doch gut in den Raum
gestelltes Schloß hügelhoch krönt, ist ein echt stadtbaulicher Ge-
danke, der freilich dann auch nicht voll ausgenutzt wurde. Seit den
neunziger Jahren hat sich, wie im ganzen Umkreise der germa-
nischen Baukunst, so auch in Norwegen eine allmähliche Bereinigung
der architektonischen Vorstellungen vollzogen. Man begann nach
Anknüpfungen in der Baugeschichte des Landes zu suchen. Der
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