Die Holzschnittkunst Albrecht Dürers 8l
oder — und dies ist wohl nur für die späteren Zeiten des werkstattlichen
Hochbetriebs anzunehmen — die Übertragung der Zeichnung, wenn sie
durch Gehilfenhand erfolgte, genau überwacht habe.
Sind also, streng genommen, Dürers Holzschnitte nicht ganz in dem
Sinne Originale wie seine Kupferstiche, seine Radierungen und vor allem
seine Zeichnungen, so gehören sie aus einem ganz besonderen Grunde
allernächstens zu seiner Persönlichkeit, einem Grunde, der mystisch an-
mutet, aber leicht seine wirtschaftliche und technische Erklärung findet.
Es ist nämlich in dengelungensienDürerschenHolzschnittblätternzwischen
dein Geiste des entwerfenden Künstlers und dem Geiste der Technik eine
fruchtbare Ehe zustande gekommen. Dürer schuf sich in unglaublich kurzer
Zeit, vermutlich in den Jahren von 1495 bis 1498, eine Sprache des
Holzschnitts, die in ihren starken und biegsamen Linien ihn band, ihn aber
zugleich trug; er lernte es, im Holzschnitt zu den gemeinen Leuten zu
sprechen, ohne sich zu ihnen herabzulasien. Wenn inan will, ist die Holz-
schnittmanier sein Lutherdeutsch.
Betrachtet man Holzschnitte seiner frühen Reifejahre, so wird man
bald erkennen, daß der Zeichner Mittel und Wege gesunden hat, etwa
in der Bildung eines Gesichts die Linien so zu führen, daß das Schneide-
messer mit einem einzigen geschickten Zuge unendlich viel sagen kann.
Ebenso gibt er Stofflichkeiten, etwa die Holzbank, auf der die frühe
»Madonna mit den drei Hasen« siht, durch Jnnenzäge, die keineswegs
ineinanderlaufen, zugleich aber genau zum Ausdruck bringen, aus was
der dargesiellte Gegenstand gemacht ist. Ähnlich belebte und sicher aus-
geschwungene Linien, verhältnismäßig gering an Zahl, bezeichnen die
Gewandfalten. Nicht ganz rein holzmäßig im Sinne heutiger Kunst-
übung ist häufig Dürers Schattenbildung: er macht da recht oft von
gekreuzten Strichlagen Gebrauch, die im eigentlichen Holzschnittsinne
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oder — und dies ist wohl nur für die späteren Zeiten des werkstattlichen
Hochbetriebs anzunehmen — die Übertragung der Zeichnung, wenn sie
durch Gehilfenhand erfolgte, genau überwacht habe.
Sind also, streng genommen, Dürers Holzschnitte nicht ganz in dem
Sinne Originale wie seine Kupferstiche, seine Radierungen und vor allem
seine Zeichnungen, so gehören sie aus einem ganz besonderen Grunde
allernächstens zu seiner Persönlichkeit, einem Grunde, der mystisch an-
mutet, aber leicht seine wirtschaftliche und technische Erklärung findet.
Es ist nämlich in dengelungensienDürerschenHolzschnittblätternzwischen
dein Geiste des entwerfenden Künstlers und dem Geiste der Technik eine
fruchtbare Ehe zustande gekommen. Dürer schuf sich in unglaublich kurzer
Zeit, vermutlich in den Jahren von 1495 bis 1498, eine Sprache des
Holzschnitts, die in ihren starken und biegsamen Linien ihn band, ihn aber
zugleich trug; er lernte es, im Holzschnitt zu den gemeinen Leuten zu
sprechen, ohne sich zu ihnen herabzulasien. Wenn inan will, ist die Holz-
schnittmanier sein Lutherdeutsch.
Betrachtet man Holzschnitte seiner frühen Reifejahre, so wird man
bald erkennen, daß der Zeichner Mittel und Wege gesunden hat, etwa
in der Bildung eines Gesichts die Linien so zu führen, daß das Schneide-
messer mit einem einzigen geschickten Zuge unendlich viel sagen kann.
Ebenso gibt er Stofflichkeiten, etwa die Holzbank, auf der die frühe
»Madonna mit den drei Hasen« siht, durch Jnnenzäge, die keineswegs
ineinanderlaufen, zugleich aber genau zum Ausdruck bringen, aus was
der dargesiellte Gegenstand gemacht ist. Ähnlich belebte und sicher aus-
geschwungene Linien, verhältnismäßig gering an Zahl, bezeichnen die
Gewandfalten. Nicht ganz rein holzmäßig im Sinne heutiger Kunst-
übung ist häufig Dürers Schattenbildung: er macht da recht oft von
gekreuzten Strichlagen Gebrauch, die im eigentlichen Holzschnittsinne
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