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Einfahrt zum Handelshafen und damit zu der ganzen Anlage Ver-
sperrt hatte.
Die einfache Stadtmauer lief noch entlang der Bucht und quer
über den Ansatz der Landzunge hinweg bis an den nordöstlichen
Teil des Sees von Tunis. Von hier zog sich nach Norden über
die Landenge bis zum Meere, der heutigen Sebcha er Ruan, die
Merkwürdige dreifache Mauer oder richtiger Befestigungslinic, die
somit gegen Westen nicht nur die eigentliche Stadt, sondern auch
die Vorstadt Megara deckte. Letztere war weiterhin gegen Nord
besten, Norden und Osten durch eine einfache Mauer geschützt
und an die eigentliche Stadt angefügt.
Von alledem ist jetzt freilich über dem Boden nur noch sehr
Wenig wahrzunehmen, von den sonstigen Baulichkeiten der punischen
Stadt gar nichts. Was die Erde noch birgt, liegt meist sehr tief.
*n wachsender Zahl sind neuerdings durch Nachgrabung Inschriften
gefunden, alte Gräber erschlossen worden, letztere namentlich am
Südwestabhang des Byrsahügels, sowie an und auf dem Höhenzug
nach dem Meere hin. Es steht zu erhoffen, dass sich daraus mit
der Zeit noch zuverlässigere Schlüsse, als jetzt, auf die Entwickelung
der punischen Stadt werden ziehen lassen.
Die römische Stadt erhob sich im wesentlichen auf demselben
Hoden wie die punische, von deren Trümmern wohl vieles für sie
benutzt worden ist. Auch sie wuchs rasch zu hoher Bedeutung in
'Materieller wie in geistiger Hinsicht empor. Von ihren Bauten sind
trotz der mehr als tausendjährigen und noch immer andauernden
Verschleppung des Materials hier und da noch bedeutende Reste
sichtbar, so diejenigen der grossen Cisternengruppc, in welche das
Araberdorf La Malga eingebaut ist. In sie wurde seit dem zweiten
Jahrhundert n. Chr. von Bergen des Inlands her über 130 km weit
Quellwasser geleitet und von da aus über die Stadt verteilt, während
sich diese früher in der Hauptsache mit Regenwassercisterncn hatte
behelfen müssen. Eine andere umfangreiche Cisternengruppe war
in eine Bodenfalte nahe bei Bordsch Dschedid eingebaut, und hatte
sich verhältnismässig so gut erhalten, dass sie jüngst wiederher-
gestellt und nutzbar gemacht werden konnte. Weiter seien erwähnt
die Ruinen von Thermen aus der Zeit des Antoninus Pius am
Meere, im Westen der Stadt die Reste des Amphitheaters und des
Circus. Anderes ist neuerdings ausgegraben worden, wie z. B. die
hochinteressanten Begräbnisplätze der kaiserlichen »Officiales« und
die Trümmer einer grossen christlichen Basilica (Daraus el Karita).
Nur wenige Jahre, nachdem die römische Stadt eine Befestigung
erhalten hatte (424 n. Chr.), fiel sie in die Gewalt der Vandalen,
deren Königssitz sie war, bis nach einem Jahrhundert die Herr-
schaft der Oströmer an die Stelle der ihrigen trat. Ihr Ende fand
die Stadt durch die Araber, die sie 697 n. Chr. und nach kurzer
Wiederaufgabe zwei Jahre später nochmals eroberten und zerstörten.
O. Meltzkr.
1 utus.
Tafel 141 —144.
£~\ unis El Beida«, das weisse Tunis, so feiert der Araber
^ die Stadt, die im Innern des blauen Golfs liegt, von wo
einst die Kauffahrer des seemächtigen Karthago in die weite Welt
Segelten. Weiss leuchten dort an der Küste überall Dörfer und
emzelne Landhäuser aus Baumgruppen hervor oder heben sich
schimmernd vom dunkeln Hintergrund der Berge ab; am stärksten
fällt uns bald Tunis selbst auf, das mit seinen Häusermassen am
Strande sich hinstreckt, überragt von einzelnen Kuppeln und Mina-
rets, eingeschlossen von niedrigen Höhen, auf denen die Citadelle
Kasbah und andre Forts gebaut sind. Immer klarer treten die
Formen derselben hervor, wenn man zwischen den Dämmen des
schmalen Kanals, der die vertiefte Wasserstrasse durch den Strand-
see Bahira bildet, von Coletta aus langsam der Grossstadt sich
nähert. Ein entzückender Anblick ist es dann, wenn man vom
Dach des Hotels aus über die unzähligen weissen Flachdächer der
Stadt hinüberschaut, mag die Morgensonne zauberhaften Schimmer
urjer die Flächen breiten oder die Mondsichel in scharfer Form in
der Höhe stehen und der funkelnde Sternhimmel ruhig über der
Landschaft glänzen. Die Maler haben von je gern dargestellt, wie
auf solchen Dächern in der Abenddämmerung glutäugige Frauen
auf weichen Tcppichen ruhen, am Liebeslied und am wilden Klange
der Cymbeln sich erfreuend. Um eine weite Rundschau über die Stadt
Zu erhalten, möchte man gern einen der Minarets besteigen und
auch einmal da stehn, wo der Muezzin zum Gebete ruft, aber der
Fuss der Christen darf die Moschee nicht betreten. So begnügen
Wlr uns mit der Aussicht, die uns das Dach des Dar-el-Bey
(Haus des Bey) bietet. Von da aus sind die beiden Bilder Tafel
'40 und 141 aufgenommen, das eine nach Nordost, das andere
nach Südost orientiert. Ostwärts erreicht der Blick die Höhen,
die den Golf von-Tunis einschliessen, nach links liegt das Kap
Kamart, das äusserste Kap jener insularen Erhebung, die Kar-
thagos Stadtgebiet bildete, und in leiser Bewegung steigt die Linie
le ein
des Horizonts noch etwas empor zu der Höhe, wo das Dorf Marsa
liegt, wo die Sommerresidenz des Bey so anmutig in Fruchthainen
eingebettet ruht. Weiter nach rechts streift das Auge zum Hafen,
in dem man leicht die Schiffe zählen kann, und zu den Mauern,
die den Kanal von Coletta einschliessen. Weithin kann man die
Küstenlinie des Bahira verfolgen. Wenden wir uns weiter süd-
wärts, so ragt vor dem Auge der herrliche doppelgipfelige Dschebel
Bu-Kornein auf, dessen Formen so lebhaft an den Vesuv erinnern,
der Berg, wo so lange der Baal-Häman, der Saturnus Caranensis
verehrt wurde, nicht anders wie der Baal auf dem Berge Karmcl.
An seinem Fusse liegt Häman-lif mit seinen heissen Quellen, weiter-
hin zieht sich das Thal des Oued Miliana ins Land, und nach
Süden verliert sich der Blick nach den Bergen des gewaltigen
Zaghuan, der der Stadt das köstlich erfrischende Wasser sendet.
Vor uns die Stadt Tunis. Wir blicken in das labyrinthische Ge-
winkel der Altstadt; wie Vertiefungen in der Masse von viereckigen
Würfeln, erscheinen die Innenhöfe, um welche die Wohnungen
herumliegen. Ueber kleineren Oeffnungen sind schützende Dächer
chtet. Gras und Gestrüpp hat sich hie und da auf den Terrassen
und den Wölbungen angesiedelt. Aber aus der Vogelperspektive
etwas von dem Leben im Innern zu erspähen, ist unmöglich. Länger
fesseln die zierlichen Minarets, die gerade in der Nähe der Residenz
zahlreich sind. Nicht wie schlanke Säulen, wie grosse Schornsteine
steigen sie hier über das Häusermeer empor, es sind vier-, sechs-,
achteckige Türme, deren Aussenseite zum Teil wie mit einem
glänzenden Teppich bedeckt ist; Marmor, Stuckarabesken, glasierte
Fliesen sind aufgesetzt und beleben mit ihren geometrischen Mustern
oder ihrer verschiedenen Färbung reizend die breiten Flächen. Ge-
krönt ist der Bau von einer Bogenhalle, die auf leichten schlanken
Säulchen ruht, recht im Stil der maurischen Kunst; zum Teil ragen
diese luftigen Loggien über den übrigen Bau erkerartig hervor.
Auf der Terrasse dieser Arkaden ist noch ein kleiner Turm aufge-
Einfahrt zum Handelshafen und damit zu der ganzen Anlage Ver-
sperrt hatte.
Die einfache Stadtmauer lief noch entlang der Bucht und quer
über den Ansatz der Landzunge hinweg bis an den nordöstlichen
Teil des Sees von Tunis. Von hier zog sich nach Norden über
die Landenge bis zum Meere, der heutigen Sebcha er Ruan, die
Merkwürdige dreifache Mauer oder richtiger Befestigungslinic, die
somit gegen Westen nicht nur die eigentliche Stadt, sondern auch
die Vorstadt Megara deckte. Letztere war weiterhin gegen Nord
besten, Norden und Osten durch eine einfache Mauer geschützt
und an die eigentliche Stadt angefügt.
Von alledem ist jetzt freilich über dem Boden nur noch sehr
Wenig wahrzunehmen, von den sonstigen Baulichkeiten der punischen
Stadt gar nichts. Was die Erde noch birgt, liegt meist sehr tief.
*n wachsender Zahl sind neuerdings durch Nachgrabung Inschriften
gefunden, alte Gräber erschlossen worden, letztere namentlich am
Südwestabhang des Byrsahügels, sowie an und auf dem Höhenzug
nach dem Meere hin. Es steht zu erhoffen, dass sich daraus mit
der Zeit noch zuverlässigere Schlüsse, als jetzt, auf die Entwickelung
der punischen Stadt werden ziehen lassen.
Die römische Stadt erhob sich im wesentlichen auf demselben
Hoden wie die punische, von deren Trümmern wohl vieles für sie
benutzt worden ist. Auch sie wuchs rasch zu hoher Bedeutung in
'Materieller wie in geistiger Hinsicht empor. Von ihren Bauten sind
trotz der mehr als tausendjährigen und noch immer andauernden
Verschleppung des Materials hier und da noch bedeutende Reste
sichtbar, so diejenigen der grossen Cisternengruppc, in welche das
Araberdorf La Malga eingebaut ist. In sie wurde seit dem zweiten
Jahrhundert n. Chr. von Bergen des Inlands her über 130 km weit
Quellwasser geleitet und von da aus über die Stadt verteilt, während
sich diese früher in der Hauptsache mit Regenwassercisterncn hatte
behelfen müssen. Eine andere umfangreiche Cisternengruppe war
in eine Bodenfalte nahe bei Bordsch Dschedid eingebaut, und hatte
sich verhältnismässig so gut erhalten, dass sie jüngst wiederher-
gestellt und nutzbar gemacht werden konnte. Weiter seien erwähnt
die Ruinen von Thermen aus der Zeit des Antoninus Pius am
Meere, im Westen der Stadt die Reste des Amphitheaters und des
Circus. Anderes ist neuerdings ausgegraben worden, wie z. B. die
hochinteressanten Begräbnisplätze der kaiserlichen »Officiales« und
die Trümmer einer grossen christlichen Basilica (Daraus el Karita).
Nur wenige Jahre, nachdem die römische Stadt eine Befestigung
erhalten hatte (424 n. Chr.), fiel sie in die Gewalt der Vandalen,
deren Königssitz sie war, bis nach einem Jahrhundert die Herr-
schaft der Oströmer an die Stelle der ihrigen trat. Ihr Ende fand
die Stadt durch die Araber, die sie 697 n. Chr. und nach kurzer
Wiederaufgabe zwei Jahre später nochmals eroberten und zerstörten.
O. Meltzkr.
1 utus.
Tafel 141 —144.
£~\ unis El Beida«, das weisse Tunis, so feiert der Araber
^ die Stadt, die im Innern des blauen Golfs liegt, von wo
einst die Kauffahrer des seemächtigen Karthago in die weite Welt
Segelten. Weiss leuchten dort an der Küste überall Dörfer und
emzelne Landhäuser aus Baumgruppen hervor oder heben sich
schimmernd vom dunkeln Hintergrund der Berge ab; am stärksten
fällt uns bald Tunis selbst auf, das mit seinen Häusermassen am
Strande sich hinstreckt, überragt von einzelnen Kuppeln und Mina-
rets, eingeschlossen von niedrigen Höhen, auf denen die Citadelle
Kasbah und andre Forts gebaut sind. Immer klarer treten die
Formen derselben hervor, wenn man zwischen den Dämmen des
schmalen Kanals, der die vertiefte Wasserstrasse durch den Strand-
see Bahira bildet, von Coletta aus langsam der Grossstadt sich
nähert. Ein entzückender Anblick ist es dann, wenn man vom
Dach des Hotels aus über die unzähligen weissen Flachdächer der
Stadt hinüberschaut, mag die Morgensonne zauberhaften Schimmer
urjer die Flächen breiten oder die Mondsichel in scharfer Form in
der Höhe stehen und der funkelnde Sternhimmel ruhig über der
Landschaft glänzen. Die Maler haben von je gern dargestellt, wie
auf solchen Dächern in der Abenddämmerung glutäugige Frauen
auf weichen Tcppichen ruhen, am Liebeslied und am wilden Klange
der Cymbeln sich erfreuend. Um eine weite Rundschau über die Stadt
Zu erhalten, möchte man gern einen der Minarets besteigen und
auch einmal da stehn, wo der Muezzin zum Gebete ruft, aber der
Fuss der Christen darf die Moschee nicht betreten. So begnügen
Wlr uns mit der Aussicht, die uns das Dach des Dar-el-Bey
(Haus des Bey) bietet. Von da aus sind die beiden Bilder Tafel
'40 und 141 aufgenommen, das eine nach Nordost, das andere
nach Südost orientiert. Ostwärts erreicht der Blick die Höhen,
die den Golf von-Tunis einschliessen, nach links liegt das Kap
Kamart, das äusserste Kap jener insularen Erhebung, die Kar-
thagos Stadtgebiet bildete, und in leiser Bewegung steigt die Linie
le ein
des Horizonts noch etwas empor zu der Höhe, wo das Dorf Marsa
liegt, wo die Sommerresidenz des Bey so anmutig in Fruchthainen
eingebettet ruht. Weiter nach rechts streift das Auge zum Hafen,
in dem man leicht die Schiffe zählen kann, und zu den Mauern,
die den Kanal von Coletta einschliessen. Weithin kann man die
Küstenlinie des Bahira verfolgen. Wenden wir uns weiter süd-
wärts, so ragt vor dem Auge der herrliche doppelgipfelige Dschebel
Bu-Kornein auf, dessen Formen so lebhaft an den Vesuv erinnern,
der Berg, wo so lange der Baal-Häman, der Saturnus Caranensis
verehrt wurde, nicht anders wie der Baal auf dem Berge Karmcl.
An seinem Fusse liegt Häman-lif mit seinen heissen Quellen, weiter-
hin zieht sich das Thal des Oued Miliana ins Land, und nach
Süden verliert sich der Blick nach den Bergen des gewaltigen
Zaghuan, der der Stadt das köstlich erfrischende Wasser sendet.
Vor uns die Stadt Tunis. Wir blicken in das labyrinthische Ge-
winkel der Altstadt; wie Vertiefungen in der Masse von viereckigen
Würfeln, erscheinen die Innenhöfe, um welche die Wohnungen
herumliegen. Ueber kleineren Oeffnungen sind schützende Dächer
chtet. Gras und Gestrüpp hat sich hie und da auf den Terrassen
und den Wölbungen angesiedelt. Aber aus der Vogelperspektive
etwas von dem Leben im Innern zu erspähen, ist unmöglich. Länger
fesseln die zierlichen Minarets, die gerade in der Nähe der Residenz
zahlreich sind. Nicht wie schlanke Säulen, wie grosse Schornsteine
steigen sie hier über das Häusermeer empor, es sind vier-, sechs-,
achteckige Türme, deren Aussenseite zum Teil wie mit einem
glänzenden Teppich bedeckt ist; Marmor, Stuckarabesken, glasierte
Fliesen sind aufgesetzt und beleben mit ihren geometrischen Mustern
oder ihrer verschiedenen Färbung reizend die breiten Flächen. Ge-
krönt ist der Bau von einer Bogenhalle, die auf leichten schlanken
Säulchen ruht, recht im Stil der maurischen Kunst; zum Teil ragen
diese luftigen Loggien über den übrigen Bau erkerartig hervor.
Auf der Terrasse dieser Arkaden ist noch ein kleiner Turm aufge-