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Sillib, Rudolf [Hrsg.]; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 10): Einzel-Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek München — Straßburg, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.17235#0012
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Harthofer selbst geschrieben, der Rest des Bandes, wie
aus der ersten Notiz in Zusammenhalt mit dem ein-
heitlichen Wasserzeichen zu schließen ist, für ihn. Der
Einband der ganzen Handschrift besteht aus Holzdeckeln,
welche mit weichem grüngefärbtem Leder überzogen sind.
Es ist ein Originaleinband, den die Handschrift höchst-
wahrscheinlich gleichzeitig, also 1444, erhalten hat. Und
höchstwahrscheinlich ebenso gleichzeitig gab man dem
Einband einen besonderen Schmuck durch das Bild,
welches wir veröffentlichen. Der ganze Kodex macht
einen so einheitlichen Eindruck, daß kaum irgend ein
Umstand gegen die Annahme sprechen dürfte, daß unser
Holzschnitt 1444 in die damals geschriebene und gebun-
dene Handschrift eingefügt worden ist. Der Holzschnitt
dürfte also 1444 oder kurz zuvor gefertigt worden sein.

Dieses Ergebnis, gewonnen aus der Betrachtung
der Zugehörigkeit des Holzschnitts zu der mit ihm ge-
schmückten Handschrift, wird gestützt durch weitere Er-
wägungen. Mit der seltenen Gruppierung von fünf Per-
sonen am Kreuz und den blutsammelnden Engeln werden
in Schreibers Manuel unter Nr. 957 (Dresden) und 958
(Nürnberg) nur zwei Blätter beschrieben. Während man
nach Schreibers Maßangaben beide Blätter als verschie-
den von dem unsrigen erachten mußte, stellte sich auf
eine mir von Herrn Dr. Schubert von Soldern in Dresden
gütigst beantwortete Anfrage heraus, daß das Dresdener
Blatt (S. 957) die gleichen Maße hat wie das unsrige
und demnach wahrscheinlich mit ihm übereinstimmen
dürfte, abgesehen davon, daß es auf Papier gedruckt ist.
Schreiber hat mit kundigem Auge die Herkunft des Holz-
schnitts aus Franken vermutet und als Zeit ungefähr 1450
geschätzt. Wenn diese kunstgeschichtliche Schätzung durch
meine obigen Ausführungen auf das Jahr 1444 gerückt

wird, verlieren die Erwägungen, welche sie veranlaßten,
kaum etwas von ihrer aus Schreibers reicher Erfahrung
entsprungenen Richtigkeit. Das zweite (Nürnberger) Blatt
(S. 958), einst zur Weigelschen Sammlung gehörig, zeigt
die gleiche Darstellung, ist aber etwas kleiner. Auch
dieses Blatt ist auf Grund reicher Erfahrung (Weigel und
Zestermann, Die Anfänge der Buchdruckerkunst Bd. 1,
Nr. 27) in die Zeit von ungefähr 1440—50 gesetzt worden.
Beide Blätter, das größere wie das kleinere, dürften be-
züglich der Herstellung in engstem Zusammenhang stehen.
Auch für das kleinere wäre demnach die Zeitbestimmung
unserer Handschrift von einer gewissen Bedeutung; sie
würde die ungefähre Richtigkeit der obigen Schätzung
! bestätigen. Auch für das kleinere Blatt ist Franken (Nürn-
berg) als Herkunftsort bezeichnet worden.

Für letztere Annahme spräche die hochinteressante
Tatsache, daß unser Holzschnitt auf Leinwand gedruckt
ist und damit ein kostbares Denkmal des Zeugdruckes
bildet. Bezüglich der Bedeutung Nürnbergs für den Zeug-
druck aber darf ich wohl auf Forrer, Die Kunst des Zeug-
drucks vom Mittelalter bis zur Empirezeit (1898) S. 15 ff.
verweisen.

Der Umstand, daß der um sein verwitwetes Burg-
hauser Benefizium klagende Kaplan Christian Harthofer
zu Salzburg seinen Handschriftenband mit einem Nürn-
berger Zeugdruck schmückte, den er wahrscheinlich in
Salzburg erworben hatte, würde dartun, wie die Erzeug-
nisse aus der Wiegenzeit der graphischen Künste auf dem
Wege des Handels verbreitet wurden. — Das kostbare
Blatt war weder in unserem gedruckten Handschriften-
katalog noch sonst irgendwo verzeichnet und ist erst
durch mich entdeckt worden.

B. HOLZSCHNITTE AUF PAPIER.

2. Maria Verkündigung. Vor einem links
stehenden Lesepult, auf welchem ein Buch aufgeschlagen j
jiegt, kniet Maria mit weitem faltigem Gewand bekleidet,
die Hände über der Brust gefaltet, auf dem Haupt einen
Heiligenschein. Sie wendet sich nach rechts dem von
dorther auf sie zuschreitenden Engel entgegen, welcher
die rechte Hand deutend erhoben hat, während er in der
linken ein liliengekröntes Szepter trägt. Zwischen beiden
Figuren steht, anscheinend auf einem Vorbau des Lese-
pultes, eine Vase, aus der drei Blumen emporstehen.
Rechts oben hängen stilisierte Wolken, von denen herab
der heilige Geist in Gestalt der Taube schief gegen das
Haupt der Jungfrau sich herabsenkt. Links unten zieht

sich ein Weg hin (oder soll es ein Bach sein?), in dem
drei Steine sichtbar sind. 142 (beschnitten): 98.

(S. 35a.) Bemalung: gelb, grün, rot, blaß-carmoi-
sin, gold, grau, blau in zwei Abstufungen. Ohne Wasser-
zeichen. Der Holzschnitt ist oben, links und unten be-
schnitten; rechts unten läuft die Abschlußlinie noch weiter
und unten scheinen Reste von Ornamenten sichtbar zu
sein. Es ist schade, daß das interessante Blatt nicht voll-
ständig erhalten ist. Schwarzer Druck.

Dieser Holzschnitt ist eingeklebt auf Bl. 152v des
cod. germ. 4594, einem kleinen Sammelband in Oktav,
welcher, wie auf dem Vorsetzblatt bemerkt ist, «vil schöner
gepett vnd betrachtunge» enthält. Darunter sind die von
 
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