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Molsdorf, Wilhelm; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 12): Die niederländische Holzschnitt-Passion Delbecq-Schreiber [Teil 1] — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21232#0021
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Bl. 10: Die Dornenkrönung (Sehr. 324).

Das Blatt liefert einen weiteren Beleg für die Bezie-
hungen unserer Passion zu den Darstellungen des Speculum
h. s. (s. Abb. 4). Bei beiden erstreckt sich die Ueberein-
stimmung in dieser Szene nicht nur auf die Gruppierung
der Personen, noch deutlicher drückt sie sich in der Körper-
haltung aus. Wie verwandt die Zeichnungen gerade in
diesem Punkte sind, zeigt sich besonders bei dem einen,
das linke Knie auf die Bank stützenden Folterknecht.

Bl. 11: Ecce homo (Sehr. 332).

Mit der Schaustellung Christi pflegt in der Regel
eine tumultuarische Volksszene verbunden zu sein. Auf

Abb. 6.

unserem Blatte vollzieht sich der Vorgang weniger auf-
regend ; nur durch den in Begleitung eines jungen im
Vordergrunde stehenden alten Israeliten kommt etwas
Bewegung in die Gruppe. Mit dieser lebensvollen Figur
hat der Formschneider einen höchst charakteristischen
Repräsentanten der den Kreuzestod Christi auf sich und
ihre Kinder nehmenden Juden geschaffen. Bei der Kolo-
rierung des Blattes ist ebenso wie bei der vorangehen-
den Dornenkrönung der Mantel Jesu weiß gelassen, ob-
wohl er in den Evangelien purpurn genannt wird. Ver-
mutlich schwebte dem Illuminator das weiße Spottkleid
vor, das Herodes Christo anlegen ließ.

Bl. 12: Das zweite Verhör vor Pilatus

(Sehr. 278).

Die Darstellung verdient insofern Beachtung, als sie
sich in der Komposition teilweise an den bekannten

Kupferstich Martin Schongauers anlehnt (s. Abb. 5). Zwar
ist der Vorgang im Holzschnitte wesentlich vereinfacht,
andererseits sind aber eine Reihe von Kleinigkeiten recht
getreu übernommen; ich hebe nur die Kopfbedeckung
des Pilatus hervor, die auch schon in den vorangehen-
den Blättern (8 u. 11) die gleiche ist, und den Hammer,
den der eine der Knechte im Gürtel auf dem Rücken
trägt.

Die Einordnung des Bildes an diese Stelle, und
nicht nach Blatt 8 wird dadurch geboten, daß Christus
die Dornenkrone auf dem Haupte trägt. Mit Recht ver-
legt unser Formschneider den Vorgang, wie sich Pilatus
zum Zeichen seiner Unschuld die Hände vor dem Volke
wäscht, hinter die Geißelung, Dornenkrönung und Schau-

Abb. 7.

Stellung Christi, denn er bildet in logischer Hinsicht den
Abschluß der vergeblichen Bemühungen des Landpflegers
Jesum vor dem Kreuzestode zu bewahren.1 Daß die
Holzschnitte auch in der angegebenen Ordnung in die
Handschrift eingeklebt waren, beweist die Reihenfolge
der im Texte auf der Rückseite der Blätter stehenden
Artikelzahlen.

Bl. 13: Die Kreuztragung (Sehr. 351).

Wir haben hier den höchst seltenen Fall, daß Simon
von Cyrene in der Tracht eines Bauern erscheint2 (vergl.
Mark. 15, 21), und auch nicht wie gewöhnlich als be-
jahrter Mann, sondern als kräftige Person im besten
Alter.

< Vgl. im Gegensätze dazu Matth. 27, 24f.

2 Tscheuschner, a. a. O., Bd. 27, S. 503 vermag keine entsprechende
Darstellung anzuführen.

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