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Schulz, Fritz Traugott [Editor]; Germanisches Nationalmuseum <Nürnberg> [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 13): Die Schrotblätter des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21233#0037
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dünne Kreuzlinien, die an den letztgenannten beiden
Stellen mit weißen Punkten durchsetzt sind. An den
Blumen des Bodens unter dem Roß sind die Blüten
durch drei im Kleeblatt angeordnete Punkte angedeutet,
die bald größer bald kleiner und in beiden Fällen mit
eigenen Punzen hergestellt sind. Alle Schatten sind durch
satte schwarze Flächen bezeichnet. Was die Technik
als solche betrifft, so zeugt sie im einzelnen von Fleiß
und Sorgfalt.

Der Wert des Blattes beruht in der Technik. Leblos
und starr fließen die einzelnen Teile der Darstellung in-
einander über, im ganzen eine zähe Masse bildend, aus
der sich kein Glied lebendig greifbar heraushebt. Es ist
nicht genügend Leben aus dem schwarzen Untergrund
herausgeholt, der Künstler haftet zu sehr in der Fläche.

Das Gewand der Aja, zwei der Rosetten, die eine
Feder der Kopfbedeckung, das Kreuz der Tartsche, die
Zaddeln des Zügels sowie die linken Zaddeln des Ueber-
wurfs und der Schabracke sind in Blaßrot leicht angelegt.

Das Blatt stammt aus der Weigeliana und erzielte
auf deren Auktion am 27. Mai 1872 einen Preis von
65 Tlrn. In Weigels Kunstkatalog II, 10122 [1840] ist
sein Wert nur auf 15 Tlr. beziffert.

Um 1460—70.

W. u. Z. 368. — Schreiber 2636. Siehe auch die
hier weiter angegebene Literatur. (Inv.-Kat. Nr. 1799.)

Wohl eine Kopie nach unserem Blatt ist die bei
Paul Heitz, Kolorierte Frühdrucke aus der Stiftsbibliothek
in St. Gallen mit einem Vorwort von Dr. Ad. Fäh, auf
Bl. 17 reproduzierte Georgendarstellung. Sie ist roher ge-
arbeitet, auch ist die Luft weiß ausgespart. Nach Schreiber
2635 spricht die Form des Panzers für eine Entsteh-
ung der Kopie am Rhein. Er sieht in ihr ein Pendant
zu der großen Kreuzigung Schreiber 2343, von der das
Nürnberger Exemplar von Kindlinger in einem sehr alten
Evangeliar aus dem Kloster Dalheim bei Mainz gefunden
wurde. Unser Blatt dürfte im Zusammenhang zu be-
trachten sein mit folgenden anderen, in der Technik
verwandten Blättern: mit dem großen Christophorus in
Paris, der nach Schreiber 2590 um 1460 am Rhein ent-
standen ist (reproduziert bei Bouchot als Nr. 94); mit
dem S. Georg in Paris, der nach Schreiber 2633 dem
Kostüm zufolge am Rhein und zwar um 1450—60 ent-
standen ist, während er von Bouchot (dort reproduziert
als Nr. 102) nach der Franche-Comte oder Lothringen
gesetzt wird, auch läßt ihn Bouchot um 1440 entstanden
sein; endlich mit der h. Katharina in Paris, die nach
Schreiber von dem Meister der beiden vorhergehenden
Blätter um das Jahr 1450—60 angefertigt wurde, repro-
duziert bei ihm als Taf. 28 und bei Bouchot als Nr. 134,
welch letzterer in ihr eine burgundische Arbeit sieht.
Vielleicht darf man wegen der Aehnlichkeit des ranken-
belebten Untergrundes auch noch das Blatt Schreiber 2498

(la Madonne sur le croissant) hinzuziehen, das nach ihm
ums Jahr 1460—70 von einem Meister, dem er unter
Nr. 2191 weitere Blätter zuschreibt, in Oberdeutschland
oder im Elsaß geschaffen wurde (bei Schreiber reprodu-
ziert auf Taf. XXIX). Doch ist der Stil dieses Blattes
ein etwas anderer als der des unsrigen, das wir höchst
wahrscheinlich als ein solches rheinischen Ursprungs be-
trachten dürfen.

22. S. Gertrud.

In einem mit einer gekrümmten Holzdecke ver-
sehenen Zimmer, das sich nach vorn in einer

| flachbogigen Säulenarkade öffnet, sitzt auf einer kissen-
belegten Bank die Heilige. Sie ist zu Dreiviertel en
face gewandt, trägt ein reichfaltiges Kleid, über das
vorn ein breiter Zeugstreifen herabhängt, und ein den
Kopf umhüllendes, bis auf die Schultern herabreichendes
Schleiertuch. Die gerade abv/ärts gerichtete Rechte hält
das Weberschiffchen, während die Linke aus dem rechts
neben der Heiligen stehenden Spinnrocken den einzelnen
Faden herauslöst. Unten vor dem Fuß des Spinnrockens
steht eine Maus, eine zweite klettert an dessen Stange
empor. Ein großer Strahlennimbus umgibt das Haupt der

[ Heiligen. Auf der Bank liegt rechts ein aufgeschlagenes

! Buch. Ganz links nähert sich dem Kissen eine dritte
Maus. Zwei weitere Mäuse machen sich an dem Körb-
chen zu schaffen, das links unten auf dem mit Steinplatten

! belegten Boden steht und zwei vollgesponnene Weber-
schiffchen enthält. Die Zimmerwand, welche das freilie-
gende Quadermauerwerk zeigt, ist von einem rechteckigen
Fenster durchbrochen, das rechts geöffnet ist und den
Durchblick auf eine Landschaft mit einem Kirchturm ge-
stattet. Der kleinere rechte Teil des Hintergrundes gibt
sich als Backsteinmauer zu erkennen, die eine rundbogige
Oeffnung enthält. Die Darstellung knüpft an die bekannte
Legende an, daß dem, der an dem Festtage der heiligen
Gertrud spinnt bezw. überhaupt arbeitet, von Mäusen der
Rocken und das Garn zernagt wird. Sie ist von einer
dicken schwarzen, an den Ecken leicht gerundeten Linie
umschlossen, über welche das weißliche Papier allseits
mit breitem Rande heraustritt. 10,7 cm h., 7,9 cm br.

Die große Sauberkeit der Technik verleiht dem Blätt-
chen eine nicht geringe dekorative Wirkung. Zudem tritt
auch hier wie bei dem Blättchen des h. Hubertus (Nr. 25)
die Eigentümlichkeit zutage, daß sich die weißen Stellen
leicht plastisch über dem schwarzen Untergrunde erheben.
Die dekorative Kraft wird naturgemäß hierdurch um ein
Beträchtliches gesteigert. An dem im übrigen mit kleinen
weißen Punkten übersäten Gewände der Heiligen sind
die Konturen und Falten durch kräftige schwarze Linien
bezeichnet, die durch einseitig angelegte weiße Striche
plastisch verdeutlicht werden. Eine gleiche Behandlung
in den geperlten Stellen finden wir bei dem Blättchen des
 
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