Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schreiber, Wilhelm Ludwig [Oth.]
Meisterwerke der Metallschneidekunst (Band 41,1): Die Schrotblätter in Danzig, Königsberg, Pelplin, Riga — Straßburg: J.H.Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1914

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61628#0016
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Sehr. 2645. Ohne Bemalung.
Dieses Blatt klebt in einem Foliobande (Bibi. Mar.
f. 58), der verschiedene Drucke Anton Kobergers in Nürn-
berg aus der Zeit von etwa 1475—80 enthält.
2. Das Jüngste Gericht.
Daß die auf Tf. 2 und 3 abgebildeten Blätter trotz
erheblicher technischer Verschiedenheiten aus einer ge-
meinsamen Werkstatt hervorgegangen sind, ist kaum zu
bezweifeln. Nicht nur daß sie in dasselbe Buch einge-
klebt sind, sondern es zeigen sich bei näherer Prüfung
auch wesentliche Uebereinstimmungen. Das Gesicht und
der Oberkörper des Weltenrichters entsprechen völlig denen
des Gekreuzigten auf dem folgenden Blatt, und das Haar
des fürbittenden Johannes ist in der gleichen Weise aus-
geführt wie das des tröstenden Johannes, des bösen Schä-
chers und des würfelnden Kriegsknechts auf Tf. 3. Beide
Blätter, besonders das letztere, erinnern lebhaft an den
Meister b, aber ich glaube nicht, daß es sich um Original-
arbeiten handelt, sondern um Nachahmungen. Die Eigen-
heit jenes Künstlers bestand ja, wie schon bei Tf. 1 ge-
sagt, gerade darin, daß er keine Punzen zur Anfertigung
seiner Blätter verwendete, während Tf. 3 unter sehr reich-
licher Benutzung von Punzen hergestellt ist, und auch bei
Tf. 2, namentlich auf dem Gewand und dem Saum des
Weltenrichters sowie auf der Erdkugel, die Verwendung
von Punkten und Kreisen sich bemerkbar macht. Nach
meiner Ansicht ist die vorliegende Tafel eine freie gegen-
seitige Bearbeitung der Nr. 2407 (Bouchot 177). Man
könnte freilich im Zweifel sein, ob das Verhältnis nicht
das umgekehrte wäre, denn nicht nur die gesamte Grup-
pierung ist auf unserm Blatt viel klarer, sondern auch
das Höllentor ist in seinem ganzen Aufbau verständnis-
voller gestaltet. Das der niederrheinischen Auffassung
entsprechende Drachenmaul der Nr. 2407 scheint künst-
lich in das Gestein hineingesetzt zu sein, und ebenso
zeigt das über die Kniee des Weltenrichters ausgebreitete
Gewand auf unserer Tafel einen älteren Faltenwurf als
das Pariser Blatt. Trotzdem müssen wir, soweit heute
unsere Kenntnis reicht, den Meister b als den überragen-
den Künstler betrachten, und wir werden auch bei der
Besprechung der weiteren Tafeln in der Ansicht bestärkt
werden, daß der Verfertiger unserer Tafel trotz seiner
großen technischen Fertigkeit hauptsächlich als Kopist zu
betrachten ist. 400 : 275.
Sehr. 2406. Gelb, rot, grün, violett.
Dieses Blatt und das folgende kleben in einer Hand-
schrift aus dem Jahre 1471.
3. Der Kalvarienberg.
Ich glaube, daß auch dieses Blatt nach einer ver-
schollenen Arbeit des Meisters b kopiert ist, ja daß hier

das Original viel getreuer wiedergegeben wurde, als es bei
der vorhergehenden Tafel der Fall war. Der Kopist dürfte
sich hauptsächlich darauf beschränkt haben, die einfache
Schnittechnik in die ihm gewohntere Punktiermanier zu
übertragen. Auf allen mir bekannten Arbeiten des Mei-
sters b sind die Ziegel auf den Dächern aus freier Hand
graviert; betrachten wir hingegen auf unserer Tafel die
Stadt im Hintergründe rechts, so sind die Schiefer zum
Teil mit einer Kreispunze eingeschlagen, zum Teil mit
einer solchen, die annähernd einem Polsternagel gleicht.
Die letztere ist auch zur Herstellung des bienenkorbarti-
gen Hutes benutzt, den einer der Zuschauer des würfeln-
den Kriegsknechtes auf dem Kopfe trägt. Die Kreispunze
ist ferner zur Verfertigung des Schwammes, sowie zur
Ausschmückung des Zaumzeuges der beiden Reiter rechts
verwendet worden, und ebenso ist damit, wie man unter
der Lupe feststellen kann, das über die Kniee der trauern-
den Maria ausgebreitete Gewand leicht überarbeitet worden.
Gerade die letztere Technik zeigt sich bei vielen Arbeiten
jener Werkstatt, von der bei der Tf. 5 die Rede sein
wird. Es kommt hinzu, daß das Pferd des vordersten
Reiters rechts nicht nur in seiner Haltung, sondern auch
in seiner technischen Ausführung genau jenem gleicht,
das wir auf einem andern Blatt jener Werkstatt sehen,
nämlich dem hl. Christoph zu Pferde (Sehr. 2604; Abb.
bei Lippmann: Kupferstiche und Holzschnitte alter Meister
Bd. I, Tf. 31). Jedenfalls ist also die Möglichkeit, daß
auch die Tafeln 2 und 3 dort entstanden sind, sehr
nahe gerückt.
Hatte Lehrs schon vor langen Jahren die Nr. 2604
als eine gegenseitige Kopie nach einem Stich des Meisters
von Zwolle (Veröffentlichung der Chalkographischen Ge-
sellschaft für das Jahr 1892, Nr. 14) bezeichnet, so hat
Geisberg (a. a. O., S. 23) bemerkt, daß einzelne Reiter-
figürchen und Gebäude des vorliegenden Blattes nach
einem Stich des niederländischen «Meisters des Kalvarien-
berges» (Lehrs 6) kopiert sind. Wir können aber bei
näherer Betrachtung unseres Blattes auch sonst noch
allerlei bemerken, das kein besonders günstiges Licht
auf die zeichnerischen Fähigkeiten des Metallschneiders
wirft. Der Pferdekopf des vordersten Reiters rechts
wiederholt sich bei dem äußersten Reiter links und
außerdem noch dreimal von der Gegenseite. Der vor-
derste Reiter rechts steht geradezu in den Steigbügeln,
während sich der Gürtel seines Nachbars so niedrig
über dem Sattel befindet, als ob er überhaupt keinen
Unterleib hätte. Wahrscheinlich zeigte das Vorbild diese
Figur in stehender Stellung, und der Kopist setzte sie
auf einen Pferdekörper, den er mit einem überlangen,
fast schlauchartigen Hals versah. Leider fehlt uns ja
das Original des Meisters b, so daß wir nicht feststellen
können, ob diese Mißgriffe schon auf die Rechnung des

8
 
Annotationen