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Richter, Ludwig; Eckert, Karla
Die heilige Genoveva — Der Kunstbrief, Band 36: Berlin: Mann, 1946

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https://doi.org/10.11588/diglit.72964#0012
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dem besten Wege, ein „vertrockneter Italiener" zu werden,
als ein äußeres Ereignis die entscheidende Wendung bringt.
Er unternimmt eine kleine Wanderung in das böhmische
Mittelgebirge, da eine schwere Krankheit seiner Frau den
langersehnten Plan, wieder nach Italien zu reisen, hat zu-
nichte werden lassen. Auf dieser Fahrt sieht er zum ersten
Male, wie schön doch auch die deutsche Landschaft sein
kann. Er empfindet diese Erkenntnis wie eine Gesundung
nach langer Krankheit: „Ich finde nun in der mich um-
gebenden Natur so viel Stoff, daß ich beinahe das Gefühl
eines reichen Mannes habe und mich der Schätze freue.
Ernstlich ist mir seitdem die Kunst noch einmal so lieb
geworden, und ich habe, da ich frisch aus der Quelle
schöpfen kann, eine viel größere Lust und Freude an ihr."
Die auf dieser Reise gewonnene Erkenntnis ist im Grunde
nicht so neu, wie sie ihm selber zu sein scheint, und hatte
ahnend lange in ihm geschlummert. Schon am Anfang seines
römischen Aufenthaltes finden sich Sätze wie der folgende
häufiger in seinem Tagebuch: „Was mich Rom lehren konnte,
habe ich, dünkt mir, bereits inne; eine sichere Richtung
meiner Kunst war es, was ich suchte; ich habe den Weg
gefunden, aber er weist mich eben nach dem Vaterlande,
weil dort die Natur liegt, die mit mir, mit meinen innigsten
Gefühlen, mit meinem Leben und Sein verwachsen ist." Und
eben aus Rom zurückgekehrt, bekennt er, daß Farbe und
Form der Gebirge und Fernen zwar im Süden schöner seien,
daß dafür die heimischen Gegenden aber andere Vorzüge
für den Landschafter böten: „Welch ein reiches Feld bietet
sich hier dar: Freud und Leid eines Volkes, ... wie große
Mannigfaltigkeit in der Sprache der Jahreszeiten, mit und
ohne Volksstaffage", und daß „Gott doch auch hier so
mächtig geoffenbart" sei wie dort.
Aber Richter vermochte sich doch nicht von der Konven-
tion zu befreien, die ihn als Maler italienischer Landschaften
kennt und schätzt; erst jetzt werden durch das lebendige
Erlebnis seiner Reise die lange in ihm schlummernden Ge-
danken für sein Schaffen fruchtbar. Seine schönsten und

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