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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0052
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Die urkundliche Überlieferung

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sein Wissen geschöpft? Zunächst aber: Wer war jener Abt, von dem der Chronist so
wichtige Dinge berichtet?
Als um die Mitte des 8. Jahrhunderts die Franken vom Fierzogtum Schwaben Besitz
ergriffen und sich im folgenden bemühten, das Land in das organisatorische und
gesellschaftliche System ihrer Herrschaft einzugliedern, haben nicht nur weltliche
Große im Auftrag der Karolinger an entscheidender Stelle mitgewirkt. Auch geist-
liche Herren wurden zu wichtigen Aufgaben herangezogen. Der Bedeutendste von
ihnen war Abt Fulrad von St. Denis, eben jene Persönlichkeit, die bei den Chroni-
sten als Volradus in Erscheinung tritt.7
Es gehört wohl zu den vielen Zufällen unserer geschichtlichen Überlieferung, daß
unter den Lebensbeschreibungen bekannter Persönlichkeiten der Karolingerzeit kei-
ne dem Abt Fulrad gilt. Und doch war Fulrad — Leiter der Hofkapelle, d. h. Kanzler
der Karolinger und seit 750 Abt des mächtigen Reichsklosters St. Denis bei Paris —
einer der einflußreichsten Männer am Hof Pippins und Karls des Großen. Papst
Hadrian I. nennt ihn den ersten Geistlichen des Frankenreiches.8 Dies schließt nicht
aus, daß er in erster Linie »Praktiker war, für den es kaum theologische Probleme
gab«.9 Er war in entscheidender Weise beteiligt an Ereignissen, die den Gang der
Geschichte jener Zeit geprägt haben: vor allem an der Erhebung Pippins zum König
und an seinem Bündnis mit dem Papst.
Grundlage dieser Laufbahn war ein umfassender Landbesitz, den Fulrad dank sei-
nem ausgesprochenen Instinkt für Erhalten und Mehren zielbewußt zu vergrößern
verstand. Der einzige sichere Ausgangspunkt, um den Umfang seiner weitverstreu-
ten Güter festzustellen, ist sein Testament zugunsten von Kloster St. Denis aus dem
Jahr 777. Der Text ist erhalten in vier Fassungen; drei davon (A, B, C) sind echt.10
Auf dieser Grundlage konnte Josef Fleckenstein den Territorialbesitz des Abtes
ermitteln und als Ergebnis einer sorgfältigen Bestandsaufnahme feststellen, daß Ful-
rads Erbgüter in der Gegend um Mosel und Saar gelegen haben; die zahlreichen Ein-
zelbesitzungen im Elsaß, in der Ortenau und im Breisgau gehen auf Schenkungen
oder Erwerbungen, auf Tausch und Kauf zurück.11 Fulrads planmäßiges Vorgehen
wurde von den Karolingern unterstützt, denn seine Erwerbungen machten es mög-
lich, den fränkischen Einfluß, wo immer erforderlich und erwünscht, verstärkt zur
Geltung zu bringen.
Im zweiten Teil des Testaments ist von den Zellengründungen des Abtes die Rede.
Dabei handelte es sich um klösterliche Niederlassungen kleineren Umfangs, um
Außenstationen des Mutterklosters, die in seinem Auftrag verwaltet wurden. Dem
religiösen Verständnis und Empfinden der Zeit entsprechend, waren die kleinen
Klosterzellen zugleich auch Stätten der Heiligenverehrung. Oftmals galt die Vereh-
rung römischen Märtyrerreliquien, Kostbarkeiten, die Fulrad bei seinen ausgedehn-
 
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