Der Besuch Karls V. in Gmünd
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der seit dem Wormser Reichstag entschlossen war, seine ganze Macht gegen Luther
und die Reformation einzusetzen. Die Treue des Gmünder Magistrats zum Kaiser
fand ihre Bestätigung bei dem wohl ersten und einzigen Besuch Karls V. in Schwä-
bisch Gmünd vom 18. bis 20. Januar 1532.6 Karl V. war der letzte Kaiser, der ähnlich
wie seine mittelalterlichen Amtsvorgänger dauernd unterwegs war und keine ständi-
ge Residenz hatte. In seinem Einzug in Gmünd, über den uns glücklicherweise eine
kurze Beschreibung in den Gmünder Ratsprotokollen erhalten ist, zeigt sich noch
einmal das glanzvolle Zeremoniell des mittelalterlichen Kaisertums in seinem Mitein-
ander von weltlicher und kirchlicher Herrschaft.
Karl V., der auf der Reise von Regensburg nach den Niederlanden war, kam am Sonn-
tag Invocavit, dem 18. Januar 1532, nachmittags um 4 Uhr am Unteren Tor mit einer
Begleitung von 1000 Pferden an. Ihn empfingen an einer genau bezeichneten Stelle,
nämlich bei Bartholomäus Enßlins Garten, der gesamte Rat, die Zunftmeister, die
Priesterschaft und andere Leute. Die Geistlichen trugen ihre Ornate, führten Reli-
quien und das Sakrament mit sich, ebenso einen Himmel, wie man an Fronleichnam
zu tun pflegt. Bernhard Meylin, der in jenem Jahr Bürgermeister war, redete den Kai-
ser an und übergab ihm die Schlüssel der Stadt. Der Kaiser gab ihm die Schlüssel
zurück mit der Bemerkung, daß sich der Gmünder Magistrat mit diesen Schlüsseln
wohl zu halten wüßte, d. h., daß sie beim Gmünder Rat in guten Händen seien.
Als der Kaiser zum Tor hineinreiten wollte, erblickte er das Sakrament und erwies
ihm große Ehrerbietung. Währenddessen stimmten die Schüler den Gesang an:
»Cum rex gloriae advenisti desiderabilis«. Auffallend ist, daß die Gmünder Geist-
lichkeit beim Empfang des Kaisers ebendenselben Osterhymnus anstimmte, wie
knapp zwei Jahre zuvor die Augsburger Geistlichen, als der Kaiser zum Reichstag in
ihre Stadt einzog.7 Die Untersuchung des Zeremoniells des kaiserlichen Einzugs hat
nämlich gezeigt, daß der genannte Osterhymnus nicht dazugehörte, sondern offen-
sichtlich nur in Augsburg und Gmünd vorgekommen ist. In Augsburg war der
Gesang von einigen anwesenden Lutheranern so verstanden worden, daß die katho-
lische Geistlichkeit damit den Kaiser als ihren Retter vor der lutherischen Häresie
preisen wollte. Die Lutheraner bezichtigten deshalb die katholischen Geistlichen der
Gotteslästerung, da sie einen Hymnus, der Christus gilt, auf einen Menschen, näm-
lich den Kaiser, bezogen. Es ist anzunehmen, daß die Gmünder Geistlichen ihre
Augsburger Kollegen nachahmen wollten, indem sie denselben Hymnus für den
Kaiser sangen.
In gleicher Weise wie man damals in Augsburg den Kaiser in den Dom geleitete, zog
man nun in Gmünd zunächst zum Augustinerkloster, wo der Kaiser Wohnung neh-
men sollte, dann weiter zum Münster, wo ein Tedeum und andere Hymnen gesun-
gen wurden. Das Tedeum bildete, wie wir auch aus Augsburg wissen, den Abschluß
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der seit dem Wormser Reichstag entschlossen war, seine ganze Macht gegen Luther
und die Reformation einzusetzen. Die Treue des Gmünder Magistrats zum Kaiser
fand ihre Bestätigung bei dem wohl ersten und einzigen Besuch Karls V. in Schwä-
bisch Gmünd vom 18. bis 20. Januar 1532.6 Karl V. war der letzte Kaiser, der ähnlich
wie seine mittelalterlichen Amtsvorgänger dauernd unterwegs war und keine ständi-
ge Residenz hatte. In seinem Einzug in Gmünd, über den uns glücklicherweise eine
kurze Beschreibung in den Gmünder Ratsprotokollen erhalten ist, zeigt sich noch
einmal das glanzvolle Zeremoniell des mittelalterlichen Kaisertums in seinem Mitein-
ander von weltlicher und kirchlicher Herrschaft.
Karl V., der auf der Reise von Regensburg nach den Niederlanden war, kam am Sonn-
tag Invocavit, dem 18. Januar 1532, nachmittags um 4 Uhr am Unteren Tor mit einer
Begleitung von 1000 Pferden an. Ihn empfingen an einer genau bezeichneten Stelle,
nämlich bei Bartholomäus Enßlins Garten, der gesamte Rat, die Zunftmeister, die
Priesterschaft und andere Leute. Die Geistlichen trugen ihre Ornate, führten Reli-
quien und das Sakrament mit sich, ebenso einen Himmel, wie man an Fronleichnam
zu tun pflegt. Bernhard Meylin, der in jenem Jahr Bürgermeister war, redete den Kai-
ser an und übergab ihm die Schlüssel der Stadt. Der Kaiser gab ihm die Schlüssel
zurück mit der Bemerkung, daß sich der Gmünder Magistrat mit diesen Schlüsseln
wohl zu halten wüßte, d. h., daß sie beim Gmünder Rat in guten Händen seien.
Als der Kaiser zum Tor hineinreiten wollte, erblickte er das Sakrament und erwies
ihm große Ehrerbietung. Währenddessen stimmten die Schüler den Gesang an:
»Cum rex gloriae advenisti desiderabilis«. Auffallend ist, daß die Gmünder Geist-
lichkeit beim Empfang des Kaisers ebendenselben Osterhymnus anstimmte, wie
knapp zwei Jahre zuvor die Augsburger Geistlichen, als der Kaiser zum Reichstag in
ihre Stadt einzog.7 Die Untersuchung des Zeremoniells des kaiserlichen Einzugs hat
nämlich gezeigt, daß der genannte Osterhymnus nicht dazugehörte, sondern offen-
sichtlich nur in Augsburg und Gmünd vorgekommen ist. In Augsburg war der
Gesang von einigen anwesenden Lutheranern so verstanden worden, daß die katho-
lische Geistlichkeit damit den Kaiser als ihren Retter vor der lutherischen Häresie
preisen wollte. Die Lutheraner bezichtigten deshalb die katholischen Geistlichen der
Gotteslästerung, da sie einen Hymnus, der Christus gilt, auf einen Menschen, näm-
lich den Kaiser, bezogen. Es ist anzunehmen, daß die Gmünder Geistlichen ihre
Augsburger Kollegen nachahmen wollten, indem sie denselben Hymnus für den
Kaiser sangen.
In gleicher Weise wie man damals in Augsburg den Kaiser in den Dom geleitete, zog
man nun in Gmünd zunächst zum Augustinerkloster, wo der Kaiser Wohnung neh-
men sollte, dann weiter zum Münster, wo ein Tedeum und andere Hymnen gesun-
gen wurden. Das Tedeum bildete, wie wir auch aus Augsburg wissen, den Abschluß