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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0396
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Schwäbisch Gmünd im 19. Jahrhundert

fenweise anfallen, ah in Gmünd, und gewiß nirgends mehr müssige Leute, als eben
da. Der Bettel scheint hier in ein Sistem gebracht worden zu sein, und die Bettler ihre
eigene Posten besetzt zu haben; denn man findet solche auf der Brücke, Landstraße,
in den Gassen und in den Kirchen. In diesem Ton geht es weiter. Der Verfasser stellt
schließlich fest: Die verderblichste Art des Luxus hat eingerissen, nemlich die, wenig
zu arbeiten, und dann den Verdienst schnell wieder zu verzehren. Diese Zeilen verra-
ten ein mangelndes Einfühlungsvermögen. Nach der Geisteshaltung des Verfassers
waren Eigenschaften wie Lebensfreude und Frohsinn, die den Gmündern immer
nachgesagt wurden, ohnehin ein Greuel und als sündig verschrien. Roeder wurde
nicht müde, in bösen Sätzen gegen die Glaubensausübung der Stadtbevölkerung zu
polemisieren und zwar in folgendem Sinne: In der Stadt Gmünd sind zu 5600 Seelen
18 Kirchen, von deren Thürmen ein immerwährendes Geklingel ertönt, welches die
Leute einladet, von der Arbeit weg, und in die Kirchen zu laufen. Dieses behagliche
Nichtsthun wird endlich zur Gewohnheit, und zur Veranlassung, auch andere Zer-
streuung aufzusuchen, wozu die Religiosität, die Möncherei und Fanatismus die
Hand bieten. Nirgends sind wohl auf einem Punkt so viele berühmte Wallfahrten, als
in Gmünd. Der berühmte Rechberg, Bernhardusberg, Beiswang, St. Salvator, auch
der Minhof sind Gegenstände, die von ganzen Schaaren, nicht wegen der Andacht,
besucht werden, sondern um die Zeit zu verderben und sich Vergnügen zu machen.
Werden nun nicht diese Quellen des Müssiggangs verstopft, diese 18 Kirchen bis auf 2
oder 3 geschlossen, und die Wallfahrten, Prozessionen und Feiertage aufgehoben, so
wird Gmünd auch bei allen Bemühungen für die Industrie nie wieder zu seinem ehe-
maligen Wohlstände kommen}0
Diese oberflächliche und pauschale Betrachtungsweise war mit vielen sachlichen
Fehlern behaftet, indem jede kleine Kapelle mit dem Begriff »Kirche« bedacht wur-
de. Natürlich wurden diese Äußerungen ungeprüft vom Publikum übernommen,
was dem Rufe und dem Ansehen der Stadt in Württemberg nicht gerade dienlich
war. Wenn derartige Sätze bei Dominikus Debler, dem eifrigen Sammler aller
Gamundiana, auf keinerlei Beifall stießen, so war dies nur allzu verständlich.
Hätte Roeder gewissenhaft an Ort und Stelle recherchiert, dann wäre er eines ande-
ren belehrt worden. Im Jahre 1804, als das Buch herausgegeben wurde, war bereits
ein Umwandlungsprozeß in der Stadt und auf dem Lande im Gange, der eindeutig
von dem Gedankengut der Aufklärung geprägt wurde. Diese Geisteshaltung hatte
sehr wohl auch die Stadt Gmünd erreicht. Davon wurde auch nicht die katholische
Kirche verschont. Ein markanter Vertreter der kirchlichen Aufklärung am Platze
war der einstige Stiftspropst und nunmehrige Stadtpfarrer und Dekan Thomas Krat-
zer. Dominikus Debler verdanken wir folgende aufschlußreiche Notiz, die diese
Aktivitäten des fortschrittlichen Geistlichen vollauf bestätigt, wenn er schreibt:
 
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