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Ehmer, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]
Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd — Stuttgart, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.42374#0580
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Vom Kaiserreich über die Zeit der Weltkriege bis zur demokratischen Republik

gisch vorangetrieben zu haben; es war die sog. »Czisch-Linie«, wie sie im Volks-
mund bald genannt wurde. Am 10. April 1947 beschloß der Gemeinderat den Bau
des weiteren Anschlusses.44 Bald zeigte sich, daß wegen des allgemeinen Mangels an
geeigneter Kleidung und Schuhwerk keine Arbeiter dafür zu gewinnen waren. Das
Arbeitsamt konnte nur etwa 15 Leute verpflichten, erforderlich waren aber 50 je
Arbeitstag. Ein Aufruf des Oberbürgermeisters zu freiwilliger Meldung blieb ohne
Erfolg. So faßte der Gemeinderat am 6. November 1947 einstimmig den Beschluß,
Gemeindedienste einzuführen und jeden männlichen Einwohner der Stadt vom 16.
bis zum vollendeten 60. Lebensjahr vorläufig zu einem Arbeitstag am Bau der Was-
serleitung zu verpflichten.45 Die Gemeindedienste begannen am 10. November 1947.
Natürlich gab es auch Widerstand gegen die Beorderung zum Gemeindedienst, juri-
stische und technische Einwände gegen die Art der Durchführung, doch hatte man
zum damaligen Zeitpunkt damit den richtigen Weg beschritten.
Es wurde schließlich noch ein zweiter Tag im Gemeindedienst erforderlich, um die
Arbeiten zu einem glücklichen Ende zu führen. Auf den ersten Aufruf hin hatten
7480 Bürger den Gemeindedienst abgeleistet, den zweiten Tag absolvierten 6070. Sie
erhielten jeweils ein warmes Mittagessen. Die Gesamtkosten konnten zum größten
Teil noch in Reichsmark beglichen werden. An einem Sonntagmorgen im August
1948 öffnete dann Direktor Lang am Anschlußschacht Waldstetter Brücke den
Schieber zur städtischen Wasserleitung, und von diesem Augenblick an flössen pro
Sekunde 20 Liter Wasser aus der neuen Leitung in das städtische Rohrnetz. Die Stadt
konnte jetzt täglich über 3300 cbm aus der Landeswasserversorgung verfügen.46 Die
Wasserknappheit war behoben.
Schließlich konnte Czisch noch erreichen, daß die Stadt Gmünd wegen ihrer starken
Belegung mit Flüchtlingen und Heimatvertriebenen zu einem Bauschwerpunkt des
Landes erklärt wurde.47 Das stadteigene Gelände auf dem Hardt faßte er für eine
neue Siedlung ins Auge. Gebaut wurde auf dem Hardt, aber erst unter seinen Nach-
folgern im Laufe der nächsten zehn Jahre.
Die kurze Amtszeit von Oberbürgermeister Czisch lief bereits 1948 ab. Wahltag war
der 18. April. Nun hatte die Bürgerschaft selbst zu wählen. Gegen Czisch kandi-
dierte der Oberbürgermeister der NS-Zeit, Franz Konrad. Gegen ihn konnte Czisch
die Wahl nicht gewinnen. Nicht etwa deshalb, weil Gmünd eine Nazi-Stadt gewesen
wäre, sondern weil Konrad hohes Ansehen genoß wegen seiner Verdienste um die
Industrieansiedlung der dreißiger Jahre und in Gmünd populär war. Außerdem war
er bereits zweimal von der Spruchkammer entlastet worden. So errang Konrad bei
der Wahl fast eine Zweidrittelmehrheit. Wenig hilfreich war es auch für Czisch, daß
die Kommunisten in der Schlußphase des Wahlkampfes die Parole ausgaben, Gmünd
sei eine Nazi-Stadt, wenn man Konrad wähle. Die Wahl am 18. April war stark von
 
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