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Enzweiler, Jo [Editor]
Paul Antonius, Malerei, 1954 - 2005: Aufsätze und Werkverzeichnis ; [anläßlich der Ausstellung Paul Antonius. In ein Anderes Blau. Bildflügel, Saarland-Museum Saarbrücken, 26. August bis 9. Oktober 2005] — Saarbrücken, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.4363#0013
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WV 2 - 856
flügel
2005

Aquarell, Bütten
Floating Frame
21 x30cm

Bildgrundes und die Zusammensetzung
des Bildfeldes aus den physischen, auf die
Leinwand reduzierten und nur in Teilen
bemalten Flächen einzelner Bildfelder, ihre
Kombination mit plastischen Elementen und
die dadurch forcierte Reaktion des Bildes und
seiner Bestandteile aufeinander bilden den
Kontrapunkt zu Ellsworth Kelly und damit
die Extreme, innerhalb derer sich die Bildflü-
gel von Paul Antonius bewegen.
Die Teilung des Bildfeldes macht nicht nur
durch die sichtbare Trägerstruktur die Kör-
perlichkeit des Bildes deutlich und zersetzt
die Illusion des Bildraumes, sondern sie
erzeugt durch die latente Einbeziehung
des Hintergrundes auch die Möglichkeit
einer Illusion zweiten Grades, nachdem das
unverhohlene Vorzeigen der Bildkonstruk-
tion, bzw. der Konstruktion seines Trägers,
durch den Betrachter ,verwunden' wurde.
Dieses Spiel mit der Illusion und der Desillu-
sion des Bildraumes setzt sich auch auf den
Teilen fort, die gewissermaßen traditionell als
der eigentliche Bildraum gesehen werden,
nämlich die Oberfläche der gespannten und
auf welche Weise auch immer bearbeiteten
Leinwand.

Der Kontrast von .wolkigen', informellen
Farbflächen mit klaren, geometrisch kontu-
rierten Bildflächen führt diesen Antagonis-
mus fort und dekliniert die Möglichkeiten
von Kombinationen und Entsprechungen
durch, die sowohl als Variante als auch als
in diesem Moment ausschließliche Form
gelesen werden können. Dadurch wird auch
durch die Farbe ein Element der Zeitlichkeit
eingeführt, wie es schon durch die Konstruk-
tion der Bildtafeln selbst vorhanden ist. Die
Bildabfolge und ihre Oberflächenstrukturen
erzeugen eine je eigene Bewegungsillusion
und Dynamik. Sie stellen darüber hinaus
die Frage nach dem Vorher-Nachher der
bearbeiteten und unbearbeiteten Bildfläche.
Denn was der Künstler hier aufgreift, ist
das grundlegende Problem der Konvention
darüber, wann die Farbe eigentlich von der
Fläche oder gar dem Bild als solchem Besitz
ergriffen hat.

Das Ausgreifen der Bilder in den Raum, wäh-
rend gleichzeitig ein Eingreifen des Raumes
in die Bilder stattfindet, welches sich auf der
Ebene der physischen Bildfläche und ihrer
Konstruktion ereignet, unterstreicht nicht
nur die Vorgänge im .eigentlichen' Bildraum,
sondern verschärft zugleich die Wahrneh-
mung des Verhältnisses zwischen Bildfläche
und Bildfarbe. In der wechselnden Transluzi-
dität und Opazität der Bildflächen vollzieht
sich ein ständiges Beleuchten, Leuchten, Ver-
schatten und Verdecken, was die Erkenntnis
nahelegt, das Farbe nicht nur sichtbar macht,
sondern das sie auch das .Eigentliche', Vor-
herige verdeckt und .überschreibt'.

Die Färb- und Flächenkontraste, die sich
zudem in einem unterbrochenen Kreis oder
Oval gegenüberstehen, vermitteln eine Art
von Ungenauigkeit, die das Umschlagen
von Harmonie in Dissonanz in der Schwebe
halten und mit diesem Hiatus genau jenen
Akzent setzen, der das Kontinuum der
Wahrnehmung des Betrachters in Unruhe
versetzen. Ein nochmaliges, genaueres Hinse-
hen wird notwendig, mit dem Ergebnis, daß
der erste Eindruck einer veränderten oder
ganz gegensätzlichen Wahrnehmung weicht.
Die einer Verletzung gleichende Unterbre-
chung der homogenen Färb- und Formflä-
chen findet ihre Fortsetzung innerhalb der
einzelnen Bildsegmente in den Markierun-
gen, Beschriftungen und Beschreibungen,
die der Künstler einsetzt. Das Übergreifen
des einen, zum Teil oder gänzlich farbigen
Feldes auf das andere sowie die Dissonanz
zwischen dem Bildträger und seinen Mar-
kierungen verweist in der Lösung der Farbe
von der Form auf ein klassisches Thema der
modernen Malerei. Warum sollte es notwen-
dig sein, daß die Farbe etwas, sei es eine
Form oder ein Gegenstand - oder jedenfalls
das Symbol, die Repräsentation eines solchen
Gegenstandes - nur .färbt'? Kann nicht die
Farbe autonom sein in dem Sinne, daß sie
sich als eigengesetzliches Wesen von der at-
tributiven Aufgabe der näheren Bestimmung
von etwas anderem löst? Insoweit sind die
Bildflügel von Paul Antonius unterbrochene

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