sich also wie eine Art Fresko über die Breite des Chores hinweg, eine fast übergroße An-
spannung, die Rubens in einem ausgeführten Bilde nicht wiederholt hat.
Freilich liegt doch eine Verteilung des gesamten Inhaltes auf die verschiedenen Flügel vor:
auf dem linken Flügel der Schmerz, auf dem rechten der Befehl und in der Mitte die Hand-
lung selbst. Links unten ist eine Gruppe leidenschaftlich-schmerzerfüllter Frauen angeord-
net; es ist die reine Welt der Frauen, in drei Lebensaltern, die kontrapunktisch zu der rei-
nen Männerwelt des Mittelbildes gehört. So große strahlende Weiblichkeit wie in der reich
in Rot gekleideten Frau vorne hat es vor Rubens in Antwerpen nicht gegeben: sie sieht den
kostbaren Leib Christi aufschweben und bewegt die gleiche Bewegung mit, die der
dumpfeste und stumpfeste der Knechte macht, der den Leib eigentlich in den Armen hat.
Die Klage ist nicht wie im Mittelalter der Maria und dem Johannes überlassen, sondern
diese stehen wie fast nicht mehr berührbar, wie fast schon erstarrt über dem eigentlichen
Schmerzausbruch. Sie erheben sich wie Traumgestalten über der Welt, und die Anleh-
nung an die Verklärungsphantasie von Raffael ist so groß, daß man diesen Gedanken Ru-
bens wohl Zutrauen darf: eine Verklärung und Vergeistigung des Schmerzes, in zwei über-
einander gestaffelten Welten, darzustellen. So führt der linke Flügel noch in die Gesinnung
der manieristischen Werke mit ihren Stufungen zurück.
Der Hauptmann rechts gehört zu den lodernden Reiterfiguren des frühen Rubens. Er reitet
vor einem starkblauen Himmel, an dem oben die Mondscheibe sich vor die branstige Sonne
schiebt. Unmittelbar daneben ist die Niederwerfung der beiden Schächer gegeben. Und
sowohl die starken Verkürzungen als auch der schroffe Gegensatz von kleinen und großen
Figuren gehören noch zu der Kompositionsart der früheren Zeit. Im reinen Hochbarock
gibt es einen so schroffen Wechsel bei Rubens nicht. Allerdings hängt diese Zweiteilung
auch mit der Landschaftsszenerie des Ganzen zusammen. Denn da Rubens hinter die
Kreuzaufrichtung eine große Abhangskulisse gebaut hat, so setzt die Staffelung über-
einander im linken Flügel ebenso die Landschaft fort, wie die Staffelung hinter-
einander im rechten Flügel.
Die mittlere Tafel hat keine Teilung in mehrere Gruppen, sondern ein einheitliches Ge-
schehen reicht über die ganze Fläche hinweg. Man kann die Männer, jeden für sich, schil-
dern, denn sie sind jeder auf einen Typus hin durchgebildet. Der Alte, der den Stamm des
Kreuzes in das gegrabene Loch hineindirigiert, ist in warmes Gelb und warmes Schwarz
gekleidet. Vor ihm ein Ziehender scheint fast nicht mehr in der Fläche des Bildes zu sein,
besonders auf weite Entfernung scheint er v o r ihr zu zerren. Der Tragende in der Mitte
ist wie ein Tänzer aufgereckt, mit ganz kleinem Kopf, der wie ein Knorpel in den Knorpeln
der Rückenmuskulatur steckt*^). In die Lücken greifen auf beiden Seiten zwei Stemmende
ein: Stemmen mit dem Rücken, und Stemmen mit hochgestreckten Armen, und beide in
Rüstung. Jenseits des Kreuzesstamms werden die Kurvenbewegungen von dem Roten mit
dem Turban wie von einem Scharnier zusammengehalten, und ganz oben links kippt die
Bewegung wieder nach vorne um — ähnlich wie auch das Gestrüpp vom Hintergrund dort
nicht mehr emporwächst, sondern wieder herunterhängt.
Von einer Gruppe kann man nicht reden. Es ist vielmehr eine Gitterkomposition, und
überall sieht man an den Gliedern vorbei. Das Helle und Dunkle, das Bekleidete und
Nackte, das Beleuchtete und Beschattete wechseln fleckenartig und streifenartig, wie das
scheckige Fell des Hundes vorne. Die Körper und Glieder sind in ähnlicher Weise vor einen
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spannung, die Rubens in einem ausgeführten Bilde nicht wiederholt hat.
Freilich liegt doch eine Verteilung des gesamten Inhaltes auf die verschiedenen Flügel vor:
auf dem linken Flügel der Schmerz, auf dem rechten der Befehl und in der Mitte die Hand-
lung selbst. Links unten ist eine Gruppe leidenschaftlich-schmerzerfüllter Frauen angeord-
net; es ist die reine Welt der Frauen, in drei Lebensaltern, die kontrapunktisch zu der rei-
nen Männerwelt des Mittelbildes gehört. So große strahlende Weiblichkeit wie in der reich
in Rot gekleideten Frau vorne hat es vor Rubens in Antwerpen nicht gegeben: sie sieht den
kostbaren Leib Christi aufschweben und bewegt die gleiche Bewegung mit, die der
dumpfeste und stumpfeste der Knechte macht, der den Leib eigentlich in den Armen hat.
Die Klage ist nicht wie im Mittelalter der Maria und dem Johannes überlassen, sondern
diese stehen wie fast nicht mehr berührbar, wie fast schon erstarrt über dem eigentlichen
Schmerzausbruch. Sie erheben sich wie Traumgestalten über der Welt, und die Anleh-
nung an die Verklärungsphantasie von Raffael ist so groß, daß man diesen Gedanken Ru-
bens wohl Zutrauen darf: eine Verklärung und Vergeistigung des Schmerzes, in zwei über-
einander gestaffelten Welten, darzustellen. So führt der linke Flügel noch in die Gesinnung
der manieristischen Werke mit ihren Stufungen zurück.
Der Hauptmann rechts gehört zu den lodernden Reiterfiguren des frühen Rubens. Er reitet
vor einem starkblauen Himmel, an dem oben die Mondscheibe sich vor die branstige Sonne
schiebt. Unmittelbar daneben ist die Niederwerfung der beiden Schächer gegeben. Und
sowohl die starken Verkürzungen als auch der schroffe Gegensatz von kleinen und großen
Figuren gehören noch zu der Kompositionsart der früheren Zeit. Im reinen Hochbarock
gibt es einen so schroffen Wechsel bei Rubens nicht. Allerdings hängt diese Zweiteilung
auch mit der Landschaftsszenerie des Ganzen zusammen. Denn da Rubens hinter die
Kreuzaufrichtung eine große Abhangskulisse gebaut hat, so setzt die Staffelung über-
einander im linken Flügel ebenso die Landschaft fort, wie die Staffelung hinter-
einander im rechten Flügel.
Die mittlere Tafel hat keine Teilung in mehrere Gruppen, sondern ein einheitliches Ge-
schehen reicht über die ganze Fläche hinweg. Man kann die Männer, jeden für sich, schil-
dern, denn sie sind jeder auf einen Typus hin durchgebildet. Der Alte, der den Stamm des
Kreuzes in das gegrabene Loch hineindirigiert, ist in warmes Gelb und warmes Schwarz
gekleidet. Vor ihm ein Ziehender scheint fast nicht mehr in der Fläche des Bildes zu sein,
besonders auf weite Entfernung scheint er v o r ihr zu zerren. Der Tragende in der Mitte
ist wie ein Tänzer aufgereckt, mit ganz kleinem Kopf, der wie ein Knorpel in den Knorpeln
der Rückenmuskulatur steckt*^). In die Lücken greifen auf beiden Seiten zwei Stemmende
ein: Stemmen mit dem Rücken, und Stemmen mit hochgestreckten Armen, und beide in
Rüstung. Jenseits des Kreuzesstamms werden die Kurvenbewegungen von dem Roten mit
dem Turban wie von einem Scharnier zusammengehalten, und ganz oben links kippt die
Bewegung wieder nach vorne um — ähnlich wie auch das Gestrüpp vom Hintergrund dort
nicht mehr emporwächst, sondern wieder herunterhängt.
Von einer Gruppe kann man nicht reden. Es ist vielmehr eine Gitterkomposition, und
überall sieht man an den Gliedern vorbei. Das Helle und Dunkle, das Bekleidete und
Nackte, das Beleuchtete und Beschattete wechseln fleckenartig und streifenartig, wie das
scheckige Fell des Hundes vorne. Die Körper und Glieder sind in ähnlicher Weise vor einen
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