XXI. LIEBESGARTEN UND ILDEFONSO-ALTAR
Wie in der Lebensgeschichte von Rubens die zweite Heirat und der Ausgang der Politik mit-
einanderverflochten sind, so gehören zwei Bilder zusammen, der Liebesgarten in Madrid und
der Ildefonsoaltar in Wien, nicht weil der gleiche Putto rechts in beiden Tafeln schwebt^),
sondern weil sie beide in gleicher Weise Umsetzungen seines Lebens sind; beide Bilder so
eng mit Rubens verknüpft, daß man meint, sie seien ohne biographisches Detail gar nicht
verständlich, und beide Werke doch so groß in ihrem eignen Bereich, als seien sie aus der
Kraft des Abendlandes im allgemeinen entstanden und Rubens habe nur ganz namenlos
ihnen gedient.
Vom Liebesgarten^) kam in Rubens' Nachlaß eine verkleinerte Nachbildung vor, sie wurde
als „Conversatie ä la mode" bezeichnet. Eine Unterhaltung der vornehmen Gesellschaft ist
also dargestellt, aber der Name „Liebesgarten" kann auch diese Bedeutung mit umfassen.
Liebesgarten, Paradiesgarten, Irrgarten, dieses Wort Garten hat einen alten und guten
Sinn, einen Gattungssinn, weit ins Mittelalter zurück, wo die Gärtlein wie Zimmer ein be-
glücktes Leben einfriedigten, und wo für sie Bilder oder Gedichte oder Andachten erfun-
den wurden.
Die niederländischen Gesellschaftsstücke (zu denen der Liebesgarten gehört) sind ebenso
eine feste, tief verwurzelte Gattung der Malerei, vor Rubens und nach Rubens. Sie haben
sich, mitten in unserem historischen Jahrtausend, aus dem frischen Leben gebildet, ohne
Zutun und eigentlich ohne Aufmerksamkeit. Sonst wird man die Malerei des Abendlandes
durchsetzt finden mit dem Bildungsgut, das nicht bei uns entstanden ist, mit den Gestalten
des Alten und des Neuen Testamentes, mit antiker Sage und Göttergeschichte, mit Allego-
rien und Planeten, die anders heißen als es unsere Sprache erfinden würde. Aber wie unter
dieser späten und übernommenen Kultur sich das Brauchtum des Bauern immer wieder
durchgesetzt oder auch neu gebildet hat, so darf auch die Stadt des Mittelalters stolz dar-
auf sein, immer wieder eine wirkliche patrizische Gesellschaft hervorgebracht zu haben, aus
der sich dann die notwendigen Kultformen, die Gilden und Männerbünde und Rhetoriker-
kammern immer wieder bildeten. Sicherlich ist von den Höfen ein unaufhörlicher Anreiz
zur Verfeinerung ausgegangen. Dennoch unterscheidet sich die städtische Kultur lebens-
kräftig von einer ritterlichen oder höfischen oder einer kirchlichen Kultur. Sie hat sich mit
Musik und Tanz, mit Trachten, Theatern und Malerei umgeben und dabei den Mummen-
schanz des alten Bildungsgutes nicht verschmäht. Im Umkreis dieser Kultur entstehen Ge-
sellschaftsstücke und Gruppenbilder; eines Tages erkennt man, daß eine neue Gattung der
Malerei sich gebildet hat. Weil wir die Daten und Namen der einzelnen Tafeln noch wissen
oder aus den Dargestellten und den Malern feststellen können, dürfen wir doch nicht über-
sehen, daß sie aus kultischem Grund, aus Bünden und Weihungen, nicht nur aus Eitelkeiten
und Ruhmredereien, enstanden sind.
Wie Rubens nur eine einzige flandrische Kirmes gemalt hat, so hat er auch nur mit einem
einzigen Bilde in die Gattung der Gesellschaftsstücke eingegriffen.
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Wie in der Lebensgeschichte von Rubens die zweite Heirat und der Ausgang der Politik mit-
einanderverflochten sind, so gehören zwei Bilder zusammen, der Liebesgarten in Madrid und
der Ildefonsoaltar in Wien, nicht weil der gleiche Putto rechts in beiden Tafeln schwebt^),
sondern weil sie beide in gleicher Weise Umsetzungen seines Lebens sind; beide Bilder so
eng mit Rubens verknüpft, daß man meint, sie seien ohne biographisches Detail gar nicht
verständlich, und beide Werke doch so groß in ihrem eignen Bereich, als seien sie aus der
Kraft des Abendlandes im allgemeinen entstanden und Rubens habe nur ganz namenlos
ihnen gedient.
Vom Liebesgarten^) kam in Rubens' Nachlaß eine verkleinerte Nachbildung vor, sie wurde
als „Conversatie ä la mode" bezeichnet. Eine Unterhaltung der vornehmen Gesellschaft ist
also dargestellt, aber der Name „Liebesgarten" kann auch diese Bedeutung mit umfassen.
Liebesgarten, Paradiesgarten, Irrgarten, dieses Wort Garten hat einen alten und guten
Sinn, einen Gattungssinn, weit ins Mittelalter zurück, wo die Gärtlein wie Zimmer ein be-
glücktes Leben einfriedigten, und wo für sie Bilder oder Gedichte oder Andachten erfun-
den wurden.
Die niederländischen Gesellschaftsstücke (zu denen der Liebesgarten gehört) sind ebenso
eine feste, tief verwurzelte Gattung der Malerei, vor Rubens und nach Rubens. Sie haben
sich, mitten in unserem historischen Jahrtausend, aus dem frischen Leben gebildet, ohne
Zutun und eigentlich ohne Aufmerksamkeit. Sonst wird man die Malerei des Abendlandes
durchsetzt finden mit dem Bildungsgut, das nicht bei uns entstanden ist, mit den Gestalten
des Alten und des Neuen Testamentes, mit antiker Sage und Göttergeschichte, mit Allego-
rien und Planeten, die anders heißen als es unsere Sprache erfinden würde. Aber wie unter
dieser späten und übernommenen Kultur sich das Brauchtum des Bauern immer wieder
durchgesetzt oder auch neu gebildet hat, so darf auch die Stadt des Mittelalters stolz dar-
auf sein, immer wieder eine wirkliche patrizische Gesellschaft hervorgebracht zu haben, aus
der sich dann die notwendigen Kultformen, die Gilden und Männerbünde und Rhetoriker-
kammern immer wieder bildeten. Sicherlich ist von den Höfen ein unaufhörlicher Anreiz
zur Verfeinerung ausgegangen. Dennoch unterscheidet sich die städtische Kultur lebens-
kräftig von einer ritterlichen oder höfischen oder einer kirchlichen Kultur. Sie hat sich mit
Musik und Tanz, mit Trachten, Theatern und Malerei umgeben und dabei den Mummen-
schanz des alten Bildungsgutes nicht verschmäht. Im Umkreis dieser Kultur entstehen Ge-
sellschaftsstücke und Gruppenbilder; eines Tages erkennt man, daß eine neue Gattung der
Malerei sich gebildet hat. Weil wir die Daten und Namen der einzelnen Tafeln noch wissen
oder aus den Dargestellten und den Malern feststellen können, dürfen wir doch nicht über-
sehen, daß sie aus kultischem Grund, aus Bünden und Weihungen, nicht nur aus Eitelkeiten
und Ruhmredereien, enstanden sind.
Wie Rubens nur eine einzige flandrische Kirmes gemalt hat, so hat er auch nur mit einem
einzigen Bilde in die Gattung der Gesellschaftsstücke eingegriffen.
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