durch ein Essen bekräftigt, und ein Jahr später, am 12. September 1612, war die Mittel-
tafel fertig.
Die Kloveniersgilde hätte eigentlich einen Christophorus-Altar gebraucht, denn der hl. Chri-
stoph war ihr Patron. Aber Rubens fand in der märchenhaft-fremdländischen Geschichte
von dem Riesen und seinem Fährdienst beim Eremiten keine Szene, aus der ein Altar hätte
werden können, entsprechend der vertieften Religiosität des gegenwärtigen Christentums.
So malte er den Schutzpatron der Gilde, durchs Wasser watend wie ein Herkules, das Kind-
lein auf der Schulter und angestrahlt von der Blendlaterne des Eremiten, nur auf die Außen-
seite des Altars. Übrigens erregte sein Christophorus bei der Einweihung Ärgernis, weil er
zu nackt sei, und es kam darüber zu Verhandlungen im Kapitel der Kathedrale. Rubens war
aber nicht zu bewegen, dem abzuhelfen, sondern erklärte sowohl hier wie auch später dem
Kardinal-Infanten Ferdinand gegenüber, das seien Angelegenheiten, die nur den Künstler
angingen.
Für die Innenseite des Altars dagegen führte Rubens den „Christo-phoros" auf seine Eigen-
schaft als „Christus-träger" zurück und malte drei große Szenen der Tragung Christi: die
Heimsuchung, in der ihn noch die Mutter trägt, die Darbringung im Tempel, in der ihn der
hl. Simeon trägt, und endlich die Kreuzabnahme, in der ihn die Jünger und Frauen tragen.
Gegenüber der Kreuzaufrichtung war also die wichtigste Veränderung, daß nicht mehr ein
einziger Vorgang drinnen über drei Tafeln reicht und außen die Heiligenfiguren stehen, die
immer noch einen Zusammenhang mit der „Gewändefigur" in der Architektur darstellen,
sondern daß alle Flächen mit Szenen gefüllt sind, die aber nur als typologisches Programm
Zusammenhängen. Das war wieder ein großer Schritt nach Flandern hinüber, weg von der
architektonisch bestimmten Altarbaukunst, wie sie in Italien herrschte.
Die Kreuzabnahme ist eine der ältesten und häufigsten Bildaufgaben der christlichen Ma-
lerei. Ihre Reihe beginnt in der frühchristlichen Zeit mit Fresken und Elfenbeintafeln und
reicht weit über Rubens hinaus bis in unsere Zeit. Trotz aller anderen Leistungen ist die
Fassung von Rubens als die eigentliche „Kreuzabnahme" den Menschen im Gedächtnis ge-
blieben, sie ist fast anonym geworden. Es gibt keinen Zug in diesem Bilde, der nicht in der
Bildtradition belegt wäre, die angelegten Leitern, die sich herüberbeugenden Helfer, das
mit den Zähnen gehaltene Tuch, der Doppelschritt über zwei Stufen der Leiter hinweg.
Vor allem zwei Meister der italienischen Spätrenaissance, Daniele Volterra und Federico
Barocci, hatten bedeutende Kompositionen geschaffen, die Rubens in Stichen Vorlagen.
Die entscheidende Änderung ist: bei den Italienern (und wieder später bei Rembrandt) sind
zwei Szenen dargestellt: einerseits die Männer, die den Leichnam ablösen, andrerseits die
Frauen, die um die ohnmächtig zusammensinkende Maria beschäftigt sind. So ergeben sich
zwei Bildzentren, eines in der Luft, ein andres unten auf der Erde. Rubens dagegen ver-
zichtet auf das Motiv der Ohnmacht und läßt die Frauen an der Ablösung des Leichnams
teilnehmen: sie empfangen ihn in ihren Händen. Rubens macht aus zwei Szenen eine ein-
zige. Das bedeutet, bei einem so traditionell festgelegten Bildvorwurf, eine Absicht ganz
außergewöhnlicher Art. Es ist der Wille, das Bild einheitlich zu machen um jeden Preis,
auch um den Preis der Opferung eines reichen und menschlichen Themas, wie der Ohn-
macht Marias. Diese Einheit schließt nicht nur die Handlung zusammen, sondern umfaßt
ebenso die Zeit, ebenso den Ort. Es gibt keinen unbestimmt aufwachsenden Landschafts-
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tafel fertig.
Die Kloveniersgilde hätte eigentlich einen Christophorus-Altar gebraucht, denn der hl. Chri-
stoph war ihr Patron. Aber Rubens fand in der märchenhaft-fremdländischen Geschichte
von dem Riesen und seinem Fährdienst beim Eremiten keine Szene, aus der ein Altar hätte
werden können, entsprechend der vertieften Religiosität des gegenwärtigen Christentums.
So malte er den Schutzpatron der Gilde, durchs Wasser watend wie ein Herkules, das Kind-
lein auf der Schulter und angestrahlt von der Blendlaterne des Eremiten, nur auf die Außen-
seite des Altars. Übrigens erregte sein Christophorus bei der Einweihung Ärgernis, weil er
zu nackt sei, und es kam darüber zu Verhandlungen im Kapitel der Kathedrale. Rubens war
aber nicht zu bewegen, dem abzuhelfen, sondern erklärte sowohl hier wie auch später dem
Kardinal-Infanten Ferdinand gegenüber, das seien Angelegenheiten, die nur den Künstler
angingen.
Für die Innenseite des Altars dagegen führte Rubens den „Christo-phoros" auf seine Eigen-
schaft als „Christus-träger" zurück und malte drei große Szenen der Tragung Christi: die
Heimsuchung, in der ihn noch die Mutter trägt, die Darbringung im Tempel, in der ihn der
hl. Simeon trägt, und endlich die Kreuzabnahme, in der ihn die Jünger und Frauen tragen.
Gegenüber der Kreuzaufrichtung war also die wichtigste Veränderung, daß nicht mehr ein
einziger Vorgang drinnen über drei Tafeln reicht und außen die Heiligenfiguren stehen, die
immer noch einen Zusammenhang mit der „Gewändefigur" in der Architektur darstellen,
sondern daß alle Flächen mit Szenen gefüllt sind, die aber nur als typologisches Programm
Zusammenhängen. Das war wieder ein großer Schritt nach Flandern hinüber, weg von der
architektonisch bestimmten Altarbaukunst, wie sie in Italien herrschte.
Die Kreuzabnahme ist eine der ältesten und häufigsten Bildaufgaben der christlichen Ma-
lerei. Ihre Reihe beginnt in der frühchristlichen Zeit mit Fresken und Elfenbeintafeln und
reicht weit über Rubens hinaus bis in unsere Zeit. Trotz aller anderen Leistungen ist die
Fassung von Rubens als die eigentliche „Kreuzabnahme" den Menschen im Gedächtnis ge-
blieben, sie ist fast anonym geworden. Es gibt keinen Zug in diesem Bilde, der nicht in der
Bildtradition belegt wäre, die angelegten Leitern, die sich herüberbeugenden Helfer, das
mit den Zähnen gehaltene Tuch, der Doppelschritt über zwei Stufen der Leiter hinweg.
Vor allem zwei Meister der italienischen Spätrenaissance, Daniele Volterra und Federico
Barocci, hatten bedeutende Kompositionen geschaffen, die Rubens in Stichen Vorlagen.
Die entscheidende Änderung ist: bei den Italienern (und wieder später bei Rembrandt) sind
zwei Szenen dargestellt: einerseits die Männer, die den Leichnam ablösen, andrerseits die
Frauen, die um die ohnmächtig zusammensinkende Maria beschäftigt sind. So ergeben sich
zwei Bildzentren, eines in der Luft, ein andres unten auf der Erde. Rubens dagegen ver-
zichtet auf das Motiv der Ohnmacht und läßt die Frauen an der Ablösung des Leichnams
teilnehmen: sie empfangen ihn in ihren Händen. Rubens macht aus zwei Szenen eine ein-
zige. Das bedeutet, bei einem so traditionell festgelegten Bildvorwurf, eine Absicht ganz
außergewöhnlicher Art. Es ist der Wille, das Bild einheitlich zu machen um jeden Preis,
auch um den Preis der Opferung eines reichen und menschlichen Themas, wie der Ohn-
macht Marias. Diese Einheit schließt nicht nur die Handlung zusammen, sondern umfaßt
ebenso die Zeit, ebenso den Ort. Es gibt keinen unbestimmt aufwachsenden Landschafts-
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