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Evers, Hans Gerhard; Bernini, Gian Lorenzo
Die Engelsbrücke in Rom von Giov. Lorenzo Bernini — Der Kunstbrief, Band 53: Berlin: Verlag Gebr. Mann, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.61768#0005
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DIE WERKE

Als sich Bernini im Jahre 1665 in Paris aufhielt — ein-
geladen vom König von Frankreich, mit den Ehren eines
Prinzen von Geblüt empfangen, einquartiert im Palais
Frontenac, betreut von einem Bewunderer, der die Taten
und Aussprüche des Künstlers Tag für Tag ehrerbietig auf-
zeichnete —, wurden eines Tages seine Werke besonders ge-
feiert und über die Leistungen der Antike gestellt. „Ach“,
entgegnete Bernini, „mein Ruhm steht und fällt mit meinem
Stern, der mir auf Lebenszeit eine gewisse Achtung sichert.
Sobald ich tot bin, hört diese Aszendenz auf. Dann wird
mein Ansehen sinken oder gar plötzlich ins Gegenteil um-
schlagen.“
Bernini war ein tief religiöser Mensch, der in den Geheim-
nissen der christlichen katholischen Religion seinen Trost
fand. Sein Ausspruch zeugte nicht von Aberglauben, sondern
von der Hellsichtigkeit eines bedeutenden Menschen, dessen
waches Bewußtsein in gleicher Weise wie sein unbewußter
Instinkt weiter reichte als das der übrigen Menschen. Bernini
wußte, daß er ein Äußerstes erreicht hatte an Kunst und
Kunstfertigkeit. Er stand so sehr an einer Grenze, daß der
Umschlag und die Abkehr von ihm und von seinem Wege
fast selbstverständlich zu erwarten war. Heute begreifen wir,
daß er nicht nur am Ende der italienischen Kunst der
Renaissance und des Barockzeitalters stand, sondern an der
Grenze der Kunst überhaupt. Die vieltausendjährige Ge-
schichte der Steinbildhauerei war mit ihm an eine Grenze
gelangt, jenseits derer sie in Kitsch Umschlägen mußte, und
diesseits derer doch der Wunsch nach einer noch höheren
Steigerung in Ausdruck undMeisterschaft übrig gewesen wäre.
Freilich war Bernini schon bei Lebzeiten dem Wechsel von
Gunst und Ungunst ausgesetzt. Er lebte ja in Rom, am
päpstlichen Hofe, in der Schule aller feinen und groben
Intrigen. Nicht als ob er in seinem inneren Grunde von der
Gunst der Mächtigen abhängig gewesen wäre: seinem
tiefsten Sturze begegnete er mit der größten Anspannung
und Verinnerlichung seiner Kunst. Aber er wußte die Laune
eines guten Augenblicks auszunutzen; er hatte die Ansprüche
eines großen Herrn, den Herrscherwillen eines absoluten
Künstlers — er sah ihn den Päpsten ab.

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