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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0058
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Streifen voneinander. Die Bigen und Flügelrosse erscheinen

Z^Z^Sjjff bereits gräcisiert; doch bleibt die vorderasiatische Abkunft

^^^^^m=fL unverkennbar. Diese quergestreiften Gewänder mit Figuren

H^^Sl/ assyrischen Stils kommen auf den Denkmälern des 6. Jahr?

IfiL^^HK hunderts noch mehrfach vor, obschon viel seltener, als die

) buntgewürfelten Stoffe. Noch im 5. Jahrhundert ist auf einer

^^^-^g/ rotfigurigen Hieronvase ein Gewand dargestellt, dessen breite

Tf^SISti^ Querstreifen Wagenlenker, Flügelpferde, Delphine und Vögel

MsllJ füllen-1)

Solchen frei entworfenen Mustern war die Webekunst

Abb. 4. Griechischer Wirkstuhl, t . r^-r> • i r- i n

5. Jahr. v. Chr. des Altertums noch nicht gewachsen. Den beweis datur, daß

sie in Wirkerei ausgeführt worden sind, erbringt eine rotfigurige
Vase des 5. Jahrhunderts aus Chiusi (Abb. 4), auf der Penelope vor ihrem Wirkstuhl dar?
gestellt ist. Der Stoff, an dem sie arbeitete, ist auf dem oberen Querbaum aufgerollt, so daß
ein Teil der Borten sichtbar bleibt, welche die Längsseiten des Stückes einfassen. Querüber
läuft ein breiter Streifen mit einer geflügelten Gorgo, einem Pegasus und Greifen, offen?
baren Ausläufern der assyrischen Richtung gleich den figürlichen Gewändern der Francois?
vase. Die Möglichkeit mechanischer Weberei wird schon durch die tektonische Verteilung der
Ornamente in längs? und querlauf ende Ränder ausgeschlossen; dazu kommt, daß die Längs?
borten die typischen Verzahnungen der primitiven Wirkarbeit von der Art grober Kilims
aufweisen2).

Die Annahme, daß im orientalischen und griechischen Altertum ganze Gewänder,
wie die der Francoisvase gewirkt worden sind, mag zunächst befremdend erscheinen, denn
unsere Anschauung von den Zielen und Grenzen der Wirkerei beruht vornehmlich auf der
europäischen Entwicklung dieser Kunst während des Mittelalters und der Folgezeit. Im
christlichen Abendland ist die Wirkerei immer auf umfangreiche Wandteppiche gerichtet
gewesen und sie hat daher nur ganz schwere, von starken dicken Kettfäden getragene Ge?
bilde hervorgebracht. Damit ist die Vorstellung gewirkter Kleiderstoffe, die doch immer
eine gewisse Schmiegsamkeit und Leichtigkeit besitzen mußten, schwer vereinbar. Im
Altertum war jedoch das Arbeitsgebiet der Wirkerei anders, bescheidener vielleicht in den
höchsten Zielen, aber vielseitiger insofern, als sie neben großen Bildwerken auch noch das
zu liefern hatte, was später der Seidenweberei zufiel: farbenreiche Gebrauchsstoffe mit
Mustern höherer Ordnung. Sie ist auch dieser Aufgabe, obwohl der hellenischen Textil?
kunst nur die Wolle zu Gebote stand, gerecht geworden. Das bezeugen die Reste eines mit
Reihen natürlich gefärbter Enten auf dunkelviolettem Grund gemusterten Wollstoffes in
Petersburg3) aus einem griechischen Grab des 4. Jahrhunderts vor Chr. bei Kertsch (Abb. 5).
Es ist, wie J. Lessing vor'
dem Original feststellte,
reine Wirkarbeit von fein?
sterTextur; wo dasgeleistet

') Monumenti dell' Isti*
tuto IX T. 43.

2) Vgl. auch Alois Riegl,
Der antike Webstuhl, Mitteilung
gen des österr. Mus. 1892 S. 290.

3) Farbige Aufnahme ver*
öffentlicht von L. Stephani in
den Comptes rendus der Peters*
burger archeol. Kommission

1878 79, Text 1881. Abb. 5. Griechischer Wollstoff gewirkt, 4. Jahrh. v. Chr.

Falke, Seidenweberei.

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