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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0081
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werbes ist aus dem 4. Jahrhundert genaueres noch nicht überliefert; doch liegt es nahe, sie
in Ägypten und Syrien zu suchen, wo das wirtschaftliche Leben des Römerreichs am kräf?
tigsten pulsierte. Hier waren alle Vorbedingungen für eine Blüte der Seidenweberei ver?
einigt. Alexandria war der Mittelpunkt hellenistischer Kunst geworden, zugleich neben
Antiochia ein Emporium des Welthandels. Die Syrer waren nach Tradition, Veranlagung
und durch die Lage ihres zum Euphrat sich erstreckenden Landes die geborenen Träger des
Orienthandels und die chinesischen Seidengespinste, die sie hereinbrachten, fanden in Syrien
und in Ägypten einen wohlvorbereiteten Boden zur weiteren Bearbeitung. Alexandria war
seit Jahrhunderten berühmt durch die Pflege der Weberei und der Ruf von Tyrus und
Berytus gründete sich auf die altansässige Färberkunst, insbesondere die Purpurfarberei, die
das chinesische Rohmaterial erst für den Geschmack der Griechen und Römer veredelte.
Als der Perserkönig Schapurll um 355 das römische Mesopotamien siegreich durchzog und
nach Syrien vordrang, brachte er als einen Teil seiner Beute griechisch?syrische Seidenweber
in seine Heimat zurück. Auf deren Ansiedlung in Tuster, Susa und anderen Orten West?
persiens führte nach Masudi und Tabari die noch in arabischer Zeit fortlebende Tradition
den Ursprung oder den Aufschwung der sassanidischen Seidenweberei zurück,1) gewiß ein
schlagender Beweis für die Bedeutung des Seidengewerbes in Syrien.

Zur selben Zeit tritt auch Konstantinopel an die Seite der älteren syrisch?ägyptischen
Weberstädte. In der Reichshauptstadt werden die Gynaeceen errichtet, kaiserliche Textil?
Werkstätten der Hofverwaltung, welche die Seidenweberei und Färberei betreiben. Damit
war der erste Anlaß zu Betriebsbeschränkungen der privaten Werkstätten und zu Reservat?
rechten für die Hofanstalten gegeben. Im Jahre 369 verbieten die Kaiser Valens und Valen?
tinian durch den Comes largitionum Archelaus die Herstellung von Goldborten und von
golddurchwebten Seidenborten (nicht Seidenstoffen, wie behauptet worden) für die mann?
liehe Tracht; sie dürfen fortan nur in den Gynaeceen gemacht werden.2) Und im Jahr
406, als wahrscheinlich die Seidenzufuhr aussetzte, läßt Kaiser Arcadius Rohseide und die
bereits in Purpur eingefärbten Seidengespinste dem Hof vorbehalten. Auch Theodosius II
sucht 424 die Privatwebereien einzuschränken 5) und ihnen namentlich die Verarbei?
tung von Purpurseide zu untersagen. Vermutlich wurden solche Erlasse durch den zeit?
weilig auftretenden Mangel an Rohstoffen hervorgerufen und wieder außer Acht ge?
lassen, sobald die Handelsstockung beseitigt war. Dauernd haben sie die Ausdehnung
des von der Gunst der Zeit getragenen Seidengewerbes schwerlich hemmen und ein?
schränken können.

In Italien war der Seidenluxus kaum geringer als im Osten, wie überhaupt vor Justi?
nian Kultur und Kunst in Ost? und Westrom noch Hand in Hand gingen. Auch die Ger?
manen begannen nachzufolgen: als Rom im Jahr 409 von Alarich die Schonung der ewigen
Stadt erkaufte, mußten viertausend seidene Tuniken dem Lösegeld zugelegt werden. Sehr
beachtenswert ist die Tatsache, daß damals die Seidenweberei in Italien selbst heimisch
wurde. Den Beweis erbringt ein bezeichneter Seidenstoff aus dem Sarkophag des heiligen
Paulinus 358), dessen Leiche vor 400 nach Trier gebracht worden war. Das feine Ge?
webe in der Trierer Paulinuskirche ist einfarbig, nur durch die Bindung mit einem Damast?
muster aus kleinen Kreuzchen und Rechtecken versehen und trägt eingenäht die un?
vollständige, aber deutliche Inschrift: . . ORENTIA OF. Die Ergänzung kann nach Ana?
logie der römischen Töpfermarken nur Florentia officina lauten und ist als die Bezeichnung

') Heyd, Gesch. des Levantehandels im Mittelalter, I S. 21; Karabacek, Über einige Benennungen
mittelalterlicher Gewebe, 1882, S. 20.

2) Pariset I S. 161: Amatas ac sericas paragaudas auro intextas viriles privatis usibus contexere confi*
cereque prohibemus, et in Gynaeciariis nostris tantum fieri praeeepimus.

:!) Pariset I S. 162.

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