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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0083
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erwähnt. Fehlte es den Seidenwebern in Alexandria, Syrien, Konstantinopel am Rohstorr,
so kam das dem Absatz der persischen Stoffe zugute, die sonst, wie die erhaltenen Ge*
webe lehren, den griechischen Seidenstoffen nicht ebenbürtig waren. Dazu kam, daß die chro?
nischen Perserkriege, dem byzantinischen Reich als üble Erbschaft von Rom überkommen,
den Seidenhandel oft und lange lahm legten. Die Bemühungen der oströmischen Ver*
waltung, sich von dem persischen Handelsmonopol zu befreien, hatten wenig Glück. Jus?
tinian bewog im Jahre 532 die christlichen Äthiopier, auf dem Seeweg vom roten Meer aus
direkten Anschluss an die chinesischen Seidenhändler zu suchen. Aber sie trafen in den
indischen Umschlagsplätzen auf die eingesessenen persischen Kauf leute, die ihre älteren
Verbindungen zu wahren wussten. Auch ein Versuch Justins II in den Jahren 568 und
569 durch Vermittlung türkischer Stämme Persien nördlich zu umgehen, hatte nur vorüber?
gehenden Erfolg. Zur Zeit Justinians (527—565) wurde die Lage des griechischen Seiden*
gewerbes durch kurzsichtige oder eigennützige Massregeln des Kaisers selbst erschwert.
Nicht daß er, wie oft angenommen wird, die Verarbeitung der Seide zugunsten der fis?
kaiischen Gynaeceen monopolisierte; wohl aber übertrug er, zu dessen kaiserlichen Vor?
rechten die Finanzwirtschaft des Reiches gehörte, den Handel mit den Erzeugnissen des in?
ländischen Seidengewerbes dem Comes largitionum oder Schatzverwalter in der Weise,
daß dieser zu willkürlich niedrig festgesetzten Maximalpreisen die Produktion der privaten
Werkstätten aufkaufte und selbst zu hohen Preisen den Verbrauchern abgab. Prokop hat
in seiner Geheimgeschichte über diesen Vorgang und seine Folgen berichtet: ,,Justinian
vereinigte den ganzen Seidenhandel in den Händen des kaiserlichen Schatzmeisters Petrus
Barsumas, eines Syrers. Alle Seidenweber und Färber müssen einzig für ihn arbeiten und
von ihm allein kann man Seidenstoffe beziehen. Kaum war die Sache soweit, als Barsumas
die Preise erhöhte; die Unze Seidenstoff, der mit gewöhnlichen Färbestoffen getränkt ist,
kostet sechs Goldstücke; für solche dagegen, die mit lauterem Kaiserpurpur getränkt sind,
fordert man 24 Golddenare und mehr. Unermeßlichen Gewinn zieht der Kaiser aus diesem
Alleinhandel; noch mehr jedoch bereichert sich bis auf den heutigen Tag Barsumas. Allein
die Kaufleute, die sonst vom Seidenverkehr lebten, verdienen nichts mehr; die ehemaligen
Seidenbereiter zu Tyrus und Berytus, Weber wie Färber, sind an den Bettelstab gebracht,
andere wanderten nach Persien aus."

Der Druck war nicht von langer Dauer; ein Umschwung zu gesunderen Zuständen
erfolgte, als endlich das Geheimnis der Seidengewinnung dem Westen sich enthüllte. Zwei
Mönche überbrachten im Jahre 552 dem Kaiser Justinian aus Serinda — vielleicht ist Kho?
tan gemeint, jedenfalls ein mittelasiatisches Gebiet — Eier des Maulbeerspinners und die
Kenntnis der Seidenzucht ')• Sie wurde in Griechenland eingeführt und wenn auch noch
Jahrzehnte hingingen, bis die heimische Erzeugung dem Bedarf genügte, so war doch die
Fessel der Abhängigkeit gesprengt, die Ursache der Stockungen und Krisen beseitigt und
die Grundlage einer gesunden Entwicklung gegeben. Auch in Persien wurde nun die
Seidenkultur heimisch und von dort und Syrien aus haben sie dann die Araber, als sie in
schnellem Siegeszug das Reich der Sassaniden, Syrien und Ägypten dem Islam gewannen,
weiter getragen nach Nordafrika und Andalusien.

Der Verlauf des Seidenhandels bis zur Zeit Justinians weist bereits auf ein viel um?
strittenes Problem der Textilkunde hin, das auch in die allgemeine Kunstgeschichte des
frühesten Mittelalters hinüberspielt. Kommt der persischen Seidenweberei die Priorität zu
oder der römisch?griechischen? Und kann aus der günstigeren Handelslage Persiens auch
eine künstlerische Überlegenheit seines Seidengewerbes abgeleitet werden?

Die offenkundige Tatsache, daß Persien im Einkauf der chinesischen Seide die Vor?
hand hatte, ist als ausreichender Grund angesehen worden, seine Führerschaft und Über?

') Der Bericht Prokops ist auch bei Ch. de Linas, Anciens vetements sacerdotaux S. 38 abgedruckt.

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