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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0132
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das ist am deutlichsten auf jenem wundervollen Goldglas des Juliakreuzes im christlichen
Museum von Brescia dargestellt, dessen drei Brustbilder als Galla Placidia, Valentinian III
und Honoria angesehen werden.1) Von diesen frühen Rosettenstoffen scheint nichts er?
halten zu sein; wahrscheinlich waren sie die Vorläufer jener einfarbigen Atlasgewebe mit
rein linearen Mustern, die uns unter den byzantinischen Erzeugnissen vom 10. Jahrhundert
ab häufiger begegnen werden (vgl. T. 58 u. 59).

Auf dem bekanntesten Denkmal oströmischer Hoftrachten, den zwei Mosaikbildern
in S. Vitale2) erscheint Kaiser Justinian in einfarbigem Purpurmantel, den vorn ein großer,
schrägviereckiger Einsatz, das Tablion, aus gelber Seide ziert. Blaue Enten in roten Kreisen
bilden sein Muster. Enten in Reihen, von Blattbildungen umstellt, aber ohne Kreise, zeigen
die Tuniken von zwei Frauen im Gefolge der Kaiserin Theodora. Andere Stoffe auf diesem
Bild sind mit vierblättrigen Rosetten und Quadraten in Rautenordnung versehen. Von
solchen Stoffen sind im Dom zu Aachen und in Sens verschiedene kleine Bruchstücke er?
halten (Abb. 83, 84, 85, 86). Trotz der sehr vereinfachten Darstellungsweise, welche die
Mosaiktechnik mit sich bringt, kann man doch erkennen, daß die Enten,3) weit entfernt von
der starren Stilisierung und den großen Abmessungen der persischen Gewebe, in der natür?
lieh bewegten Gestalt ausgeführt waren, an der die griechischen Musterzeichner von dem
Entenstoff aus der Krim (vgl. Abb. 5) bis zu den ägyptischen Seidengeweben des 5. und
6. Jahrhunderts (vgl. Abb. 55) festgehalten haben. In ihrer Gesamtheit machen die ge?
musterten Seidengewänder auf den beiden Kaisermosaiken von S. Vitale den Eindruck, daß
die byzantinischen Seidenweber zur Zeit Justinians mit ihren Streumustern aus Rosetten,
Blättern und Vögeln kleinen Maßstabs im wesentlichen derselben Richtung gefolgt sind,
wie ihre griechischen Genossen in Ägypten.

Eine deutliche Anlehnung an alexandrinische Vorbilder verrät das älteste und bedeu?
tendste Figurengewebe byzantinischer Arbeit, der purpurfarbene Quadrigastoff aus Aachen
(T. 13 = Abb. 87).4) Das Muster ist symmetrisch gezeichnet. Die reine Frontalansicht eines
Viergespanns erscheint zuerst in der attischen Kunst auf schwarzfigurigen Vasen des 6. Jahrh.
vor Chr.5) Sie wird in klassischer Zeit durch die schräge Seitenansicht verdrängt, von der
spätantiken Neigung zur Symmetrie aber wieder hervorgeholt. Die sog. Liciniuskamee in
Paris,6) Goldmünzen der Kaiser Valens, Theodosius des Großen und Mauritius Tiberius
(582—602) zeigen die Herrscher als Triumphatoren auf der Quadriga, vor der die zwei mitt*
leren und die zwei äußeren Pferde wie auf dem Seidenstoff symmetrisch gezeichnet sind.
Als Textilmuster ist das Motiv zuerst, wie erwähnt, auf der Schulterbinde des Konsuls Basi?
lius7) nachzuweisen. Obwohl der Wagenlenker des Aachener Stoffes einen Panzer trägt, ist
doch an einen Rennfahrer des Hippodroms zu denken. Er hält kein Herrscherattribut in
Händen, nur die Zügel, die nach Zirkusbrauch hinter seinem Rücken herumgehen. Die

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Clementinusdiptychon von 513; fig. 342, 343, 349.
0 Venturi I fig. 333.

2) Farbig abgebildet bei Ricci, Ravenna; Weiß, Kostümkunde 1883, II T. 2 u. 3; Ullsteins Welt,
geschiente II S. 128.

:!) Große Aufnahmen der Entenmuster von S. Vitale bei Errard, L'art byzantin III T. XII fig. 2 u. 7.

') Es existieren davon zwei ungefähr gleich große Stücke, die ursprünglich im Aachener Münster ver*
einigt waren. Nur eins davon ist in Aachen geblieben, danach unsere Tafel 13; das andere Stück, abgeb.
Migeon, Gazette des Beaux Arts 1908 II S. 483, wurde nach Paris in den Louvre gebracht und zuerst von
Cahier und Martin in den Melanges d'archeol. IV veröffentlicht. Daher stammt die von Venturi, Strzygowski
und anderen wiederholte Angabe, daß der Quadrigastoff sich noch im Louvre befindet. Das Pariser Stück
ist aber schon vor Jahrzehnten an das Clunymuseum abgegeben worden.

') Masner, die Sammlung antiker Vasen im österr. Museum fig. 14 u. T. IV.

,;) Venturi I fig. 461; Furtwängler, Antike Gemmen III fig. 201.

7) Diptychon um 480, im Bargello, Venturi I fig. 349.

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