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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0151
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aufgerichteten Schweif aus einerlangen und drei kürzeren Federn
aber doch wohl als Hähne gekennzeichnet werden sollen. Von
diesen Motiven sind die Hähne mit ebensolchen Schweifen und
die von Knospen oder Blättern begleiteten sassanidischen Glocken?
palmetten auf dem hier ungefähr in Originalgröße (Abb. 103)
wiedergegebenen rotweißen Stoff der Berliner Sammlung ver?
einigt. Die Übereinstimmung ist schlagend und damit wird auch
das Aachener Gewebe Tafel 24 b mit den sehr ähnlich stilisierten
grünen Vögeln als frühpersisch bestimmt. Ein wichtiges Belag?
stück für diese Gruppe ist die bei Smirnow1) allseitig abgebildete
Silberflasche, auf deren Bauch ein Pfau, ein Hahn, ein Hippo?
kamp und ein Adler in Rautenfeldern verteilt sind. Auch die
Palmette mit den zwei Blättern am Stengel ist hier vorhanden
(Abb. 104). Die Rauten werden von geschuppten Bändern gleich
den Kreisen des Hippokampenmusters Abb. 91 eingefaßt, wo?
durch die Flasche und mit ihr die ebengenannten Vogelstorfe
in die Zeit der Chosroesskulpturen verlegt werden.2)

Einen Beitrag zum sassanidischen Musterschatz liefern

hi' p __i i tt i' -1 • /"« C 1 t^1_ i" Abb. 104. Sassanidische SilberHasche

die Gewänder der Harfenspieler im Geroige Knosraus auf um 600 Nach Smirnow

dem Saujagdrelief (s. Abb. 95), die ähnlich den Konsulartogen

der oströmischen Diptychen mit dichtgereihten Rosetten bedeckt sind. Als ein späterer Aus?
läufer dieser Gattung ist wohl das farbenreiche Gewebe im Lambertusschrein zu Lüttich
(Tafel 25) anzusehen, das in den Palmettenreihen der Randstreifen die Merkmale persischer
Herkunft, wenn auch nicht mehr sassanidischer Zeit aufweist.

Für die beiden höchst eindrucksvollen sassanidischen Reiterstoße in Cöln und Berlin
(Tafel 26 und Tafel 27, 28) ist eine so sichere Beglaubigung, wie sie die Khosrauskulpturen
für die Tierstoffe darboten, nicht vorhanden. Smirnow hat ihre sassanidische Abkunft be?
stritten und für beide Stücke byzantinische oder mesopotamische Entstehung in islamischer
Zeit angenommen, weil keine wirklichen Jagden persischer Könige dargestellt seien. Einige
Spuren rhomäischen Einflusses sind in der Tat bemerkbar; demgegenüber aber bieten Inhalt
und Stil der Darstellungen doch ausreichende Kennzeichen persischer Arbeit aus der Wende
des 6. Jahrhunderts.

Der Jesdegerdstoff (T. 26 = Abb. 105)3) unterscheidet sich von den realistischen Königs?
jagden der sassanidischen Silberschalen am meisten durch die starke Betonung des mytho?
logischen Elements, das diese Darstellung mit dem altpersischen Vorstellungskreis eng ver?
knüpft. Der König — in gegenständiger Verdopplung — reitet auf einem Greif mit mäch?
tigern Adlerschnabel und greift nach rückwärts abwehrend einem geflügelten Fabeltier in
die Mähne, das durch die stark gekrümmten Hörner deutlich genug als Abkömmling eines
der achämenidischen Kunst sehr geläufigen Mischwesens sich kennzeichnet. Es erscheint

') Smirnow T. 115.

2) Unvollständige Bruchstücke von sassanidischen Tierstoffen großen Maßstabes sind noch in mehreren
Kirchenschätzen und Stoffsammlungen verstreut. Erwähnenswert ein ganz eckig stilisierter großer Adler aus
Mozac im Lyoner Museum Inv. 163; ein Vogel mit aufgerichtetem Schweif in Sens, Chartraire Inv. 22;
wichtig wegen des altassyrischen Motivs die Hälfte eines geflügelten Stiers im Vatikan; schließlich der Pegasus*
stoff aus Turfan irh Berliner Museum für Völkerkunde.

3) Ein Stück mit vier Reitern bewahrt die Ursulakirche in Cöln, abgeb. Dreger, Entwicklung T. 40;
das zweite gleichgroße Stück desselben Stoffes ist in der Berliner Stoffsammlung. Es soll nach einer Über*
lieferung, deren Richtigkeit nicht mehr zu erweisen ist, im 8. Jahrh. mit einer vom Papst geschenkten Reliquie
nach Kloster Gerresheim gekommen sein; vgl. Karabacek, Susandschird S. 78. Der Stoff in der Ursulakirche
ist seit Alters mit dem auf Tafel 9 a abgebildeten Gewebe zusammengenäht.

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