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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0190
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byzantinische, alexandrinische, spanische und neapolitanische Herkunft der Seidenstoffe den
Tatsachen entsprachen.1)

An einigen Stellen des Liber pontificalis werden auch die Muster alexandrinischer
Seidenstoffe aus der ersten Hälfte des 9. Jahrh. beschrieben. Unter Gregor IV (827—844)
finden wir: Vela alexandrina, ex quibus unum habens rotas et rosas in medio; et aliud ar-
bores et rotas, pendentia ante valvas ecclesiae S. Marci.2) Ferner ein velum alexandrinum habens
tem fasanos und aus der Zeit Leo IV (847—855) cortinam alexandrinam mire pulcritu?
dinis unam habentem istoriam pavonuin portantium desuper homines, et aliam istoriam
aquilarum rotarumque et avium cum arboribus3). Die Beschreibung der von Gregor IV für
die Marcuskirche in Rom gestifteten Vorhänge „vela alexandrina 3 ante portas majores
pendentia, habentia homines et caballos" könnte man auf einen Stoff ähnlich dem Fragment
aus der Ursulakirche in Cöln (Tafel 9 a) beziehen, das in den Kreisen gegenständige Pferde
und in den Zwickeln eine männliche Figur enthält. Für die Herkunft aus Alexandria
spricht das alte Merkmal, die Herzblütenborte mit Knospenpaaren auf weißem Grund
(vgl. T 6—8); die barbarische Zeichnung der Pferde und Zwickelfigur, ungefähr auf der
Stufe der Lombardenskulpturen Norditaliens und der ostiranischen Stoffgruppe stehend,
läßt auf das 8. oder 9. Jahrhundert schließen.

Soweit ist das Ausklingen spätantiker Motive ohne islamischen Einschlag zu verfolgen.
Aber ungefähr gleichzeitig, jedenfalls früher als in Persien, regt sich auch schon der neue
Geist des arabischen Orients. Als ein Werk jenes Übergangsstils, den in der monumentalen
Kunst die Palastruine von Mschatta offenbart, erscheint mir der fein gezeichnete und zart
gewebte Seidendamast Tafel 39 a (Abb. 169)4). Die Darstellung ist noch antiken Ursprungs,
denn der halbnackte Flügelknabe auf dem Pegasus, mit dem Bogen in der erhobenen Linken,
ist doch nur als Eros zu deuten. Die von dem nackten Fuß herabhängenden Schärpen gehen
zwar, wie das Gehänge am Halsband des Flügelrosses, letzten Endes auf die sassanidischen
Flatterbänder zurück. Das kann aber nicht mehr für persische Herkunft ins Feld geführt
werden, denn Antinoe hat den sassanidischen Bänderzierat spätestens schon im 6. Jahrh.
entlehnt und verarbeitet. Am Erosstoff sind zudem die auffliegenden Schärpenendungen5) ent*
schieden antikisierend, gleich der Chlamys des alexandriner Reiterstoffes und der achmimer
Amazone auf Tafel 10 a b, gezeichnet. Auch die innerhalb der hellen Scheiben umlaufende
Ranke wahrt in der welligen Führung noch etwas vom antiken Rhytmus, das rein lineare
Rankenwerk in den Zwickeln dagegen ist bereits vollständig der islamischen Tendenz
lückenloser und gleichmäßiger Flächenfüllung unterworfen. Dieses Streben kommt noch
stärker in dem zierlichen Rankenspiel des Vogelstoffes in Speier Tafel 39 b zum Ausdruck,
der nicht allein durch die gleiche Damasttechnik, sondern ebensosehr formal mit dem Eros?
stoff verwandt ist. Das raumfüllende Ausspinnen der Ranken, die doch noch der eigent*
liehen Arabeskenform entbehren, bringt diese beiden Stoffe zum mindesten zeitlich mit dem
Palast von Mschatta aus der ersten Hälfte des 8. Jahrh. zusammen. Ihre Heimat ist wohl im
Nilland zu suchen, da der Eroskopf ausgesprochen ägyptischen Typus zeigt; auch sind die

') Stoffe aus Syrien, wie man angenommen hat, s. Dreger Entwicklung S. 42, sind im Papstbuch nicht
erwähnt. Das oft gebrauchte Adjektiv siricus ist nur die im Papstbuch übliche Dialektform für sericus, seiden,
wie die ebenso häufigen Worte olosiricus und olosyricus, ganzseiden, beweisen. Ob unter Tyreus ein Ge*
webe aus Tyrus oder vielmehr wie in anderen Quellen eine vom byzantinischen Blathin abweichende Pur*
purfarbe zu verstehen ist, bleibt unentschieden; nach dem Zusammenhang im Liber pontif. ist letzteres viel
wahrscheinlicher.

2) Duchesne II S. 75.

3) Duchesne II S. 109.

4) Das Gewebe stammt aus einer Cölner Kirche und ist unter die Stoffsammlungen von Berlin, Krefeld
und Brüssel, s. Katalog Errera S. 13, aufgeteilt. Das Original ist hellrot, nicht braun.

') In der Beschreibung von Tafel 39 a irrtümlich als Köcher bezeichnet.

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