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Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle.

Haut schreiben könnte; so ist nichts vornehmer, als viele Namen
zu führen, und kein Handwerk trägt ihrer mehr, als die edle
Binderei. Merke drittens: das vornehmste Getränk ist der
Wein, das wackerste Naß-ist das Bier; für beide macht des
Küfers kunstreiche Hand nicht nur Wohnung und Lager zurecht,
sondern er bettet sie auch hinein und sorgt für sie, wie die
Amme für das Kind; nur mit dem Unterschied, daß es mit
dem Schenken umgekehrt gehalten wird, denn im Keller drunten
gibt das Wickelkind uns zu trinken. Unsere Liebe zum Pfleg-
ling ist auch viel aufrichtiger, als die Liebe der ineisten Wär-
terinnen zu ihrer Krabbelwaar' *); wie manche sagt: „Ich Hab'
dich zum Fressen lieb!" und thut's doch nimmermehr, —sag
ich aber zum Kastelberger: „Ich Hab' dich zum Saufen lieb!"
so geschieht's Bigott auch. Ein Truck, ein Schluck, da zischt's
wie der Tropfen auf dem heißen Stein, und ein Bettelbub'
liegt in der Höll'. Gut das! Der Steinbacher hat darum völlig
Recht gethan, daß er ein Küfer geworden ist, wie sein Vater
einer war. Er hat eigentlich Nepomuck geheißen, und zum
Geschlecht ist er Halberstunger geschrieben worden, von seinem
Urgroßvater her, der ein Kaffer von Halberstung gewesen,
lang vor der Stadtverbrennung vom sechszehnhundertneunund-
achtziger Jahrgang. Mein Muckele hält' einen Zimmermann
geben sollen. Drum hat der Meister Halberstunger noch zwei
Buben gehabt, einen auf der Wanderschaft, den andern in
der Schul', und das Muckele war auf Ostern zum Nachtmahl
gegangen. Des Zimmerinanns Kunst ist auch nicht zu schelten;
wo's ein Loch gibt, schlägt er einen Zwickel ein. Dazu war
des Meisters Geschivisterkind an einen Zimmermeister zu
Achern verheirathet. Selbiges Ehevolk hat nicht Kind noch
Kegel gehabt, und hätte den Kleinen an Sohnesstatt ange-
nommen. Wenn einer aber nicht will, so mag er eben nicht,
und des Vetters Hab' und Gut ist an den dritten Buben,
an den Aloys gekommen. So ist's doch in der Freundschaft
geblieben. Der alte Nepomuck hat aber dazumal
den jungen mit einem Seilstumpen tapfer abge-
schmiert, dann hat's geheißen: „Bei mir kannst
du nicht bleiben. Sie sagen freilich, ein Meisters-
sohn brauche nicht aufgedingt zu werden. So
mag ich aber nicht. Dein Biffel Pösteln und
Schnitzeln nehm' ich nicht für baare Münz'.

Du mußt ein Ziegenschurz sein, wie ein andrer
auch, sonst wird nichts Rechtes aus dir, und du
bleibst all dein' Lebtag' ein Reifenmörder und
Holzverderber." Gut das! Der Muckele ist nach
Rastatt zum Hofküfer gekommen und nach alter
Ordnung aufgedingt worden. Ein Meister soll
eigentlich nicht mehr, als einen Ziegenschurz auf
einmal bei sich in der Lehr' haben, aber in der
Hofküferei war übrig Platz und Gelegenheit für
ihrer zwei. Die gnädigste Herrschaft hat selber
j viel Reben gehabt und unmenschlich viel Zehnten

eingenommen, und die Amtskeller haben das beste Gewächs
immer zu Hof geliefert. Warum? Der Markgraf hat gern
ein gutes Tröpfle Landeskraft verkostet, und sein ganzes Hof-
gesind' hat tapfer mitgehalten, vor allen eine hochlöbliche
Jägerei. So wackere Räusche gibt's bei Hof nimmermehr,
als es damals auf der Fabrik und im Mäsontschaß *) gesetzt
hat. Natürlich, dazumal war das Gettänk gut und hat die
Zecher nichts gekostet; jetzt sind die Schlöffer zu Wirthshäusern
geworden, die Gäste werden geschnürt, daß ihnen die Augen
übergehen, und der Wein ist erst nix nutz; wo käm' da der
Muth her, sich die Nase zu begießen ? Des Muckeles Gespann
war einer von Beuern hinter dem Frauenkloster, des Grafen-
Nazi-Nazeles-Naz. Merk: sein Vater und Großvater waren
Ignaz getauft, wie er selber auch, und Graf haben sie von
Natur geheißen, wie einer Kaiser, König, Herzog, Fürst,
Prinz, Edelmann, Bauer, Papst, Bischof, Türk oder Vogel
heißen kann. Der Müller zu Altschweier heißt Weber, und
der Weber zu Neusatz schreibt sich Müller. Die Namen
treffen nicht immer zu, außer in der Gesellschaft**), denn
der Würzburger kommt aus Würzburg und der Landshuter
unfehlbar von Landshut. Gewöhnlich können die Lehrbuben
einander nicht schmecken, wie Hund und Katz', und wenn sie
in einem Haus beisammen sind, thut's vollends kein gut.
Beim Muckele und beim Naz war's grad umgekehrt. Leibliche
Brüder haben sich nicht so lieb, wie die zwei beiden. Der
Beuermer***) Ziegenschurz war aber auch danach, ein Kerl
wie ein Mädel, lenksam und sanft wie ein zahmer Kanarivogel;

*) Landesüblich für Favorite und maison de chasse.

**) Der Handwerksbursch der frühem Zeit nannte seines Gleichen
„Gesellschaft." Hier heißt's recht: Lee extremes setouchent;
zu deutsch: Die Schlange beißt sich in den Schwanz.

***) Beuermer für Beuerner. (Die Verwechslung des m für n
in Heirathsnamen erstreckt sich bis zur Schweiz hinauf.!

•) Krabbelwaar, oberrheinischer Ausdruck für kleine
Kinder; andere landesübliche Redensarten laffe sich
der geneigte Leser auch ohne Erläuterung gefallen.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Junge <Motiv>
Schlägerei
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 10.1849, Nr. 220, S. 26
 
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