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Des Altgesellen Erinnerungen und Einfälle.

Laß' uns Kundschaft machen, Gesellschaft, Wo hast du dein
Handwerk gelernt?"

„Zu Rastadt in der Hofküsterei; ist dir der Meister ehrlich
genug?"

„Alleweil. Bist du aber des Handwerks auch ehrlich ge-
schliffen?"

„Ha ja. Mein Schleifpathe war der Mannheimer, meine
zwei Schleifgöthen der Rostocker und der Königsberger; auch
sonst viel ehrsaine Meister und Gesellen sind dabei gewesen.
Ta hat mir der Pathe seinen und incinen guten Namen ge-
lassen, dazu einen steifen Trunk Bühlerthaler und einen
tapfern Zobbler*)."

„Womit du wohl angeschrieben stehst bei Meistern und
Gesellen. So bedanke dich denn fein beim Herrn Vater für
sein gutes Essen und komm mit mir."

„Heute schon?"

„Freilich, so bist du morgen auf dem Fleck, und kannst
dir gleich das Geschirr nach der Hand schleifen." —

Tie Wolsshöhle ist ein enges krummes Gäßchen, nicht
gar weit vom Schwabenthor. Tort wohnte in einem schmalen
Häuschen Meister Sebastian Rothegger, der Küfer und Busch-
wirth. Merk': wo der Wirth einen Busch oder Strauß auf-
steckt. wird nur ausgeschenkt und höchstens ein Stückel Käs
oder so 'was hergegeben: wo ein Kranz heraushängt, kannst
du warme Kost bekommen, das Herbergen aber ist nur den
rechten Wirthen erlaubt, die eine Schildgerechtigkeit haben,
wie zum römischen Kaiser, zum wilden Mann, zum Engel,
zum Mohren, zum Löwen, zum Lamm, zum Kameel, zum
Bären und wie sie sonst noch heißen. Wo viele Gäste hin-
kommen, fehlen auch die Wirthshäuser nicht. Tie ganze
„Rotheggerei" war vorn gegen die Gasse hinaus kaum zehn
Schritte breit, die Zechstube darin ein enger dumpfer düstrer
Stall, doch immer mit Gästen vollgepfropft. Warum? Zwei-
mal darum: der Meister hatte immer den besten Wein zum
billigsten Preis, drum lagen bei ihm die Jungen und die
Alten auf; die Meisterin hatte ein gar feines Töchterlein,
drum kamen die Alten und die Jungen. Die Anna war
ein Blitzmädel, prächtig wie ein Apfelbaum in voller Blüthe,
luftig wie der Zeisig, der auf besagtem Blüthenbaum den
blauen Himmel und die goldene Sonne ansingt. Sie führte
ein paar schwarze Augen im Kopf, du hättest die Pfeife d'ran
anfeuern können, und war so flink wie eine Eidechse. Von
ihrem wohlbestellten Mundstück will ich weiter kein Rühniens
machen; sie trug eine Schürze und war in der Schenke aus-
gewachsen, was braucht's da mehr? Umgekehrt wär's ein
Wunder zu nennen.

Der Steinbacher war aus seiner Wanderschaft alles geivesen,
nur nicht verliebt. Der Tanz zu Ulm auf des Badeiners
Hochzeit hatte ihm vermuthlich allen Uebermuth vertrieben,
oder er auch sonst keine Gelegenheit zum Löffeln gefunden.
Was aber mein Großvater seliger gesagt hat: daß selbigesmal

*) Bon Zobeln: Zausen, zupfen, rupfen.

! die Leut' ernsthafter gewesen wären und die Liebe nicht auf die
leichte Achsel genommen hätten, das glaub' ich nimmermehr.
Es hat seiner Lebtag' kein knitzeres*) Volk gegeben, als
Mannsleut' und Weibsleut' mitsammen, vor tausend Jahren
wie heut, nur daß sie sich bald so, bald anders dazu anstellen.
Gut das! Wie eben mein Muck die Anna nur beim Kopf
sieht, da ist's aus und vorbei. Auf der Stelle spürt er zum
erstenmal, daß er ein Herz hat, weil er nämlich inerkt, daß
er's nimmer hat. Und die Jungfer lacht ihm auch gleich ganz
freundlich zu mit ihren feurigen Schelmenaugen, mit ihren
karfunkelrvthen Lippen, mit ihren Zähnen so gleißend wie
Birkenrinde. Gut für den Steinbacher, daß er ein Küfer
war, ein ausgelernter, sonst hätt' er's nicht verstanden, ein
Bissel Luft zu machen, und Ivär' richtig geberstet, und zer-
platzt. Nämlich so: er sprach die Jungfer herzhaft an, und
sie gab ihm fein ordentlich Antwort. Warum auch hätte sie
ihm nicht zulachen sollen? Für's erste war der Muck ein saubrer
Knabe von Angesicht, Gestalt und Häß**), groß, stark und
flink, von raschem Wesen und rascher Zunge, wiewohl, was
die Zunge betrifft, er sich das Lautdenken so ziemlich abge-
wöhnt hatte. Er wußte schon, weßhalb? Für's zweite hatte
der Vater Basti die größte Freud' an dem schmucken Burschen;
just nicht der Schönheit wegen, wohl aber weil er noth-
wendig eines Gesellen bedurfte, denn es gab viel Arbeit und
die Leute waren selten. Der Krieg fraß gar zu viele weg,
und die Werber stellten keinen mehr nach, als den Küfern,
weil der Küfer ein starker gesunder und anstelliger Kerl ist.
Wenn er jemals einen Hauptfehler hat, so ist's allein der,
daß er sich einbildet, es gäbe des Weines zu viel in der Welt,
und er könne nicht halb genug Fäßer machen; so stirbt er
denn, eh' er die andre Hälfte im eigenen Leib hat versorgen
können. Nun sag' ich : wenn die Anna einmal mit dem Stein-
bacher lachte, so hat sie schon mit ihm reden müssen; auch
war's bei ihr so: einen Kronthaler konnte sie manchmal nicht
gleich wechseln, aber sonst hatte es mit dem Herausgeben bei
ihr keine Roth. Die Art von Jungfern sttrbt zu Freiburg
nicht aus; ich kenne selber eine, sie heißt auch Anna und
hat mir manchen wackern Schoppen mit ihrer feinen weißen
Hand gereicht. Sie müßt' ich haben, wenn mein Vater
mein Großvater wär'.

Mit der Lieb' ist's ein eigenes Ding, jeder kennt sie, keiner
hat sie noch ergründet. Sie ist ein Gewässer, wohinein der
eine unversehens plumpst, während der andere nach und nach
, hineingeht, wie ein furchtsames Büble in's kalte Bad; doch
kommt's am Ende auf Eins heraus: sie stecken bis zu den
Ohren drin, und wohl auch sammt den Ohren, seien die noch
so lang. Mein Muckele von Steinbach also war kopfüber
hineingesttirzt und befand sich ganz wohl dabei; drum bildete
er sich ein, die Anna sei ihm hold, wie er ihr. Selbige
Einbildung wuchs von Tag zu Tag. Die Jungfer war aber
auch gar so freundlich mit ihm, sagte ihm guten Morgen und

*) Knitz oder knütz: nichtsnutzig.

**) Häß: Gewand.
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