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Der Teufel zu Saltaus.
jeder Magen versöhnt sich mit dem Küchenzettel altrhätischer ,
Tadle dchotes, nicht jede Phantasie erfaßt die blaue Romantik
, einer Burgeinsamkeit, getheilt mit blockenden und grunzenden
Insassen, nicht jeder Geist beruhigt sich mit einer Domino-
partie im Cafö Paris. Am wenigsten faßt es aber ein sol-
cher Fremdling, welch geheimnißvoller Zauber in der Atmo-
| sphäre webt, die ihm kleinstädtisch-nebeldicht und einfaltsqual-
: mig erscheint, und niemals lernt er die Worte begreifen, die
an solchen stellen der Erde, wo Genügsamkeit und Friede
ihre Hütten bauten, das Erscheinen einer Neuigkeit, — ein
frischangekvmmener Gesprächstoff allen darbietet, die noch ein
unverdorbenes, von den Genüsien der großen Welt nicht
blasirtes Gemüth im Busen tragen.
Wenn nicht unter den Lesern — doch unter den Leser-
i innen dieser Blätter fehlt es aber sicher nicht an solchen,
! für reine einfache Genüffe empfänglichen Seelen, und diesen
dürfen wir es überlaffen, sich selbst die bewegte, gehobene
Stimmung auszumalen, mit welcher die Bewohner von Meran
die neueste "Neuigkeit aufnahmen, die sich im Anfänge des lau-
fenden Jahres plötzlich in und außer den Mauern ihrer Stadt
allgemein verbreitete. Ter Anklang und die Theilnahme. die
sie fand, war vollkommen gerechffertigt, — die Neuigkeit
entsprach dem Verstand der Verständigen und der Einfalt
der kindlichen Gemüther. Jederniann erzählte sich darum
im Vertrauen und öffentlich diese Mähre, sie lautet kurz:
„Der Teufel ist in Saltaus."
Saltaus heißt aber das einsame Wirthshaus in der
Eingangsschlucht des Passeierthales, zwei Stunden von Meran
: und — der Teufel war hier nicht metaphorisch, sondern in
seiner eigensten Persönlichkeit verstanden.
Eine Nachricht wie diese, mochte für den Augenblick über-
raschen, — aber sicher Niemanden befremden. "Nachdem im
Jahre 1848 in Tirol die neueste Jnnsbruckerzeitung erschienen
war, konnte im Jahre 49 nur mehr der Teufel erscheinen.
Ehe sich die Meinungen und Vermuthungen über diesen
immerhin bedenklichen Besuch in der Nachbarschaft sichten
und feststellen konnten, trafen bereits mit jeder Schmalz-
trägerin und sonstigen glaubwürdigen Botschaftern Einzel-
heiten und Ergänzungen über das Auftreten und die An-
wesenheit des Gastes zu Saltaus ein, und alsbald vermochte
ein eifriger Sammler und kritisch vorgehender Geschichts-
; forscher folgende Taten zusammenzustellen. ^
In dem genannten Wirthshause pflegte es sich häufig zu
begeben, daß Abends, manchmal auch unter Tags, was eben
an müssigen Mannsleuten vorhanden war, Gäste und Haus-
genossen, sich mit Kartenspielen die Zeit abkürzte. Die Zeit ist
in Saltaus vielleicht länger als anderswo. Der alte Schild-
i Hof, eine kühle Sommerfrische und Ruhstätte emsiger Jagd-
freunde, für welche etwan nebenher ein schmuckes Schenkmädchen
■ als Haideröslein blühen mochte, — hat auch seine melancho-
lischen Stunden. Seine Tannenschatten machen es dann in
Haus und Stube finstrer, als es überhaupt in dieser Zone zu
sein pflegt, die unstäte Paffer schlürft träge durchs öde Geröll,
auch der kargbemessne Antheil am Himmel, ober der Thalenge
sichtbar, zieht sich nicht selten hinter allerlei Gewölk zurück
und die Annehmlichkeit der Ortes beschränkt sich auf das In-
nere der Herberge. Die Leiter des Hotels versäumten zwar
nie, die P T. Gäste, welche sie mit ihrem Zuspruch beehrten,
zufrieden zu stellen, — in Wein und noch mehr in beliebten
geistigen Getränken, in blauem Käse und nicht selten in Bock-
fleisch wurden Struzzer und Prügeltreiber, Viehmäkler, Holz-
schachrer und patriotische Wallfahrer nach Hofers Haus gut
bedient. Jedoch das ermüdende Gleichmaaß der Tage, beson-
ders wenn sie 24 Stunden lang sind, und mit Nichtsthun
hingebracht werden müssen, kürzt sich 'unmöglich mit Essen
und Trinken allein. Journale liegen in Saltaus nicht auf.
Wir zweifeln, daß der Tirolerbote die Leere der Saltansischen
schwarzen Stunden auszufüllen berufen sei. Somit bleiben
nur die Karten übrig, um die Schwermuth des Ortes mit
Fassung zu tragen, und ein wohlgeordnetes Giltspiel, Ge-
ramse oder Berlocken kräftigt die mattgerungenen Seelen ein-
zelner Wandrer und der Insassen an langen Winterabenden
und noch längern Feiertagsnachmittagen.
So spielten denn die Knechtlein und die Schenkgäste in
Saltaus „ihren drittzigen Hanger" und wie sonst die feinen
Wendungen und Vorkommniffe im edlen Gitter, — deni Na-
tionalkartenspiele der Tiroler, heißen, tagtäglich mit vielem
Eifer ab, gingen immer mit größerer Lust an dies Geschäft,
saßen unermüdlich stundenlange hinterm Tisch am Ofen und
kannten endlich keinen andern Trost niehr, als ihr allabend-
liches Gilten. Dabei sollen sie auch in's Wagen und Ha-
sardiren hineingerathen sein und etliche erpichte Spielbrüder
sollen zuletzt ein ganz besonders vierblättriges Kleeblättlein
abgegeben haben, bei deffen Vergnüglichkeit es „wohl rauch"
hergegangcn sei.
Diese Genossensame, welche den Schildhof in Passeier
beinahe in die Lage brachte, gleich den übrigen Spielhöblen
Deutschlands trotz Reichsgewalt und Parlamcntsbeschluß fort-
zubestehen, saß eines kühlen Abends zwischen Dreikönig und
Lichtmeß bei den gewohnten bunten Papieren, von etlichen
Zusehern umstellt, und war eben im besten Zuge, als mitten
im Publikum ein neuer Zuwachs der Schaulustigen bemerkbar
wurde in Gestalt eines Mannes, dessen Eintritt in die Stube
"Niemand wahrgenommen hatte. Fürs erste sahen alle nach
den Karten auf dem Tische und in den Händen, oder auf
das treffliche Mienenspiel, womit die Spielgenoffen ihren
Gespannen Wink und Zeichen geben, was sie halten oder
bieten sollen; weiters mochte es auch kaum zu hören sein,
daß Jemand in die Stube kam, weil das Spiel nur dann
von Kundigen als gediegen durchgeführt betrachtet wird, wenn
man ob dem Zurufen, Trumpfaufschlagen und Gegenschreien
der Giltenden sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
Ter also geräuschlos eingeführte Gast war einmal für Alle
ein gänzlich Unbekannter, obschon im klebrigen des Unge-
wöhnlichen nichts an ihm sich spüren ließ. Er sah eben aus
wie ein Schütz oder Jägersmann, hatte auch seinen Stutzen
bereits an einen Wandnagel gehängt, und den Büchsenranzen,
Der Teufel zu Saltaus.
jeder Magen versöhnt sich mit dem Küchenzettel altrhätischer ,
Tadle dchotes, nicht jede Phantasie erfaßt die blaue Romantik
, einer Burgeinsamkeit, getheilt mit blockenden und grunzenden
Insassen, nicht jeder Geist beruhigt sich mit einer Domino-
partie im Cafö Paris. Am wenigsten faßt es aber ein sol-
cher Fremdling, welch geheimnißvoller Zauber in der Atmo-
| sphäre webt, die ihm kleinstädtisch-nebeldicht und einfaltsqual-
: mig erscheint, und niemals lernt er die Worte begreifen, die
an solchen stellen der Erde, wo Genügsamkeit und Friede
ihre Hütten bauten, das Erscheinen einer Neuigkeit, — ein
frischangekvmmener Gesprächstoff allen darbietet, die noch ein
unverdorbenes, von den Genüsien der großen Welt nicht
blasirtes Gemüth im Busen tragen.
Wenn nicht unter den Lesern — doch unter den Leser-
i innen dieser Blätter fehlt es aber sicher nicht an solchen,
! für reine einfache Genüffe empfänglichen Seelen, und diesen
dürfen wir es überlaffen, sich selbst die bewegte, gehobene
Stimmung auszumalen, mit welcher die Bewohner von Meran
die neueste "Neuigkeit aufnahmen, die sich im Anfänge des lau-
fenden Jahres plötzlich in und außer den Mauern ihrer Stadt
allgemein verbreitete. Ter Anklang und die Theilnahme. die
sie fand, war vollkommen gerechffertigt, — die Neuigkeit
entsprach dem Verstand der Verständigen und der Einfalt
der kindlichen Gemüther. Jederniann erzählte sich darum
im Vertrauen und öffentlich diese Mähre, sie lautet kurz:
„Der Teufel ist in Saltaus."
Saltaus heißt aber das einsame Wirthshaus in der
Eingangsschlucht des Passeierthales, zwei Stunden von Meran
: und — der Teufel war hier nicht metaphorisch, sondern in
seiner eigensten Persönlichkeit verstanden.
Eine Nachricht wie diese, mochte für den Augenblick über-
raschen, — aber sicher Niemanden befremden. "Nachdem im
Jahre 1848 in Tirol die neueste Jnnsbruckerzeitung erschienen
war, konnte im Jahre 49 nur mehr der Teufel erscheinen.
Ehe sich die Meinungen und Vermuthungen über diesen
immerhin bedenklichen Besuch in der Nachbarschaft sichten
und feststellen konnten, trafen bereits mit jeder Schmalz-
trägerin und sonstigen glaubwürdigen Botschaftern Einzel-
heiten und Ergänzungen über das Auftreten und die An-
wesenheit des Gastes zu Saltaus ein, und alsbald vermochte
ein eifriger Sammler und kritisch vorgehender Geschichts-
; forscher folgende Taten zusammenzustellen. ^
In dem genannten Wirthshause pflegte es sich häufig zu
begeben, daß Abends, manchmal auch unter Tags, was eben
an müssigen Mannsleuten vorhanden war, Gäste und Haus-
genossen, sich mit Kartenspielen die Zeit abkürzte. Die Zeit ist
in Saltaus vielleicht länger als anderswo. Der alte Schild-
i Hof, eine kühle Sommerfrische und Ruhstätte emsiger Jagd-
freunde, für welche etwan nebenher ein schmuckes Schenkmädchen
■ als Haideröslein blühen mochte, — hat auch seine melancho-
lischen Stunden. Seine Tannenschatten machen es dann in
Haus und Stube finstrer, als es überhaupt in dieser Zone zu
sein pflegt, die unstäte Paffer schlürft träge durchs öde Geröll,
auch der kargbemessne Antheil am Himmel, ober der Thalenge
sichtbar, zieht sich nicht selten hinter allerlei Gewölk zurück
und die Annehmlichkeit der Ortes beschränkt sich auf das In-
nere der Herberge. Die Leiter des Hotels versäumten zwar
nie, die P T. Gäste, welche sie mit ihrem Zuspruch beehrten,
zufrieden zu stellen, — in Wein und noch mehr in beliebten
geistigen Getränken, in blauem Käse und nicht selten in Bock-
fleisch wurden Struzzer und Prügeltreiber, Viehmäkler, Holz-
schachrer und patriotische Wallfahrer nach Hofers Haus gut
bedient. Jedoch das ermüdende Gleichmaaß der Tage, beson-
ders wenn sie 24 Stunden lang sind, und mit Nichtsthun
hingebracht werden müssen, kürzt sich 'unmöglich mit Essen
und Trinken allein. Journale liegen in Saltaus nicht auf.
Wir zweifeln, daß der Tirolerbote die Leere der Saltansischen
schwarzen Stunden auszufüllen berufen sei. Somit bleiben
nur die Karten übrig, um die Schwermuth des Ortes mit
Fassung zu tragen, und ein wohlgeordnetes Giltspiel, Ge-
ramse oder Berlocken kräftigt die mattgerungenen Seelen ein-
zelner Wandrer und der Insassen an langen Winterabenden
und noch längern Feiertagsnachmittagen.
So spielten denn die Knechtlein und die Schenkgäste in
Saltaus „ihren drittzigen Hanger" und wie sonst die feinen
Wendungen und Vorkommniffe im edlen Gitter, — deni Na-
tionalkartenspiele der Tiroler, heißen, tagtäglich mit vielem
Eifer ab, gingen immer mit größerer Lust an dies Geschäft,
saßen unermüdlich stundenlange hinterm Tisch am Ofen und
kannten endlich keinen andern Trost niehr, als ihr allabend-
liches Gilten. Dabei sollen sie auch in's Wagen und Ha-
sardiren hineingerathen sein und etliche erpichte Spielbrüder
sollen zuletzt ein ganz besonders vierblättriges Kleeblättlein
abgegeben haben, bei deffen Vergnüglichkeit es „wohl rauch"
hergegangcn sei.
Diese Genossensame, welche den Schildhof in Passeier
beinahe in die Lage brachte, gleich den übrigen Spielhöblen
Deutschlands trotz Reichsgewalt und Parlamcntsbeschluß fort-
zubestehen, saß eines kühlen Abends zwischen Dreikönig und
Lichtmeß bei den gewohnten bunten Papieren, von etlichen
Zusehern umstellt, und war eben im besten Zuge, als mitten
im Publikum ein neuer Zuwachs der Schaulustigen bemerkbar
wurde in Gestalt eines Mannes, dessen Eintritt in die Stube
"Niemand wahrgenommen hatte. Fürs erste sahen alle nach
den Karten auf dem Tische und in den Händen, oder auf
das treffliche Mienenspiel, womit die Spielgenoffen ihren
Gespannen Wink und Zeichen geben, was sie halten oder
bieten sollen; weiters mochte es auch kaum zu hören sein,
daß Jemand in die Stube kam, weil das Spiel nur dann
von Kundigen als gediegen durchgeführt betrachtet wird, wenn
man ob dem Zurufen, Trumpfaufschlagen und Gegenschreien
der Giltenden sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
Ter also geräuschlos eingeführte Gast war einmal für Alle
ein gänzlich Unbekannter, obschon im klebrigen des Unge-
wöhnlichen nichts an ihm sich spüren ließ. Er sah eben aus
wie ein Schütz oder Jägersmann, hatte auch seinen Stutzen
bereits an einen Wandnagel gehängt, und den Büchsenranzen,