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122

Warum ist der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen?

„Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde-Vorsteher!" sagt die
fitfett' drauf, „daß wir so frei waren ..."

„Bitte, bitte, Lisett," sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher,
„es thut mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeanitin nicht..."

„Nun wünsch' ich Ihnen recht guten Appetit, Herr Ge-
meinde-Vorsteher!" sagt die Lisett'.

„Guten Appetit, Lisett'! Meine Empfehlung!" sagt der
Herr Gemeinde-Vorsteher.

Die Lisett' geht, dem Herrn Gemeinde-
Vorsteher aber ist seine Ruhe genommen : er
geht in seinen Laden hinein, legt sein Negli-
gee ab, wirft sich in seinen blauen Frack
mit dem Sammtkragen und den goldenen
Knöpfen, und begibt sich zu seinem Nachbar,
dem Herrn Stadtschreiber.

Der Herr Stadtschreiber liegt noch in
den Federn und schnarcht.

Der Herr Gemeinde-Vorsteher klopft an
der Thüre, zuvor leise, dann stärker, da ruft
endlich der Herr Stadtschreiber, aufwachend:
„Herein!"

„Recht guten Morgen, Herr Stadtschrei-
ber !" sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher.

„Ah, guten Morgen, Herr Gemeinde-
Vorsteher!" sagt der Herr Stadtschreiber.
„Sie verzeihen, daß ich Sie schon so
früh störe," sagt der Herr Gemeinde-Vorsteher.

„Bitte, das macht nichts!" sagt der Herr Stadtschreiber.
„Herr Stadtschreiber! Etwas von höchster Wichtigkeit
treibt mich zu Ihnen; sonst hätte ich mir nicht erlaubt. Sie
so früh schon in Ihrem Schlafe zu stören!" sagt der Herr
Gemeinde-Vorsteher.

„So! was denn?" fragt der Herr Stadt-
schreiber, fährt aus seinen! Bette heraus und
in seine Hose hinein, „ich bitte, erzählen Sie
doch, Herr Gemeinde-Borsteher!"

„Es war Morgens fünf Uhr," sagt der
Herr Gemeinde-Vorsteher. „Ich stehe unter
der Thüre meines Ladens und rauche aus
meiner türkischen Pfeife mit dem langen, äch-
ten Weichselrohre und denke eben an gar
nichts. Da kommt die Lisett', das Stuben-
mädchen der Frau Rentbeamtin über den Platz
herüber auf meinen Laden zu.

„Recht guten Morgen, Herr Gemeinde-
Vorsteher!" sagt die Lisett'.

„Ah! recht guten Morgen, Lisett'!" sag'
ich.

„Eine schöne Empfehlung von meiner
gnädigen Frau, der Frau Rentbeamtin," sagt
die Lisett', „sie läßt Sie fragen, ob Sie
nicht wißen, warum vorhin der Herr Land-
richter in Uniform über die Straße gegan-
gen sei?"

MI

„So!" sag' ich, und nehme meine tür-
kische Pfeife mit dem langen Weichselrohre
aus dem Mund, „so! der Herr Landrichter
ist in Uniform über die Straße gegangen.
Hm! zu der Tageszeit schon, ist mir unbe-
greiflich! — Es wäre vielleicht möglich,"
sag' ich, „daß der Herr Landrichter hohe,
: höchste oder allerhöchste Personen erwarten,
aber, da denke ich, hätten Sie doch gestern
Abends auf der Post Etwas geäußert. Rich-
ten Sie der Frau Rentbeamtin meine Em-
pfehlung aus, cs thut mir leid, aber ich kann
Ihr da wirklich nichts Gewisses sagen, —
hm! — bin selber überrascht, kann mir gar nicht
denken — . . . ."

„Verzeihen Sie halt, Herr Gemeinde-
Vorsteher!" sagt die Lisett' darauf, „daß wir
so frei waren . . . ."

„Bitte, bitte, Lisett'!" sag' ich, „es thut
mir nur leid, daß ich der Frau Rentbeamtin
nicht . . . ."

„9hm wünsche ich Ihnen recht guten
Älppetit, Herr Gemeinde-Vorsteher!" sagt
die Lisett'.

„Die Lisett' ging, mir aber war meine Ruhe genommen;
ich gehe in meinen Laden zurück, lege mein Negligöe ab und
zieh' meinen blauen Frack mit dem Sammt-
kragen und den goldenen Knöpfen an und
begebe mich zu Ihnen, Herr Stadtschreiber,
um Sie zu ftagen, ob Sie vielleicht wissen,
warum der Herr Landrichter in Uniform
über die Sttaße gegangen ist?"

„Herr Gemeinde-Vorsteher, ich danke
Ihnen für das Zutrauen, das Sie mir schen-
ken," sagt der Herr Stadtschreiber, „aber in
diesem Falle bin ich wirklich so nnwiffend,
wie Sie. Also um fünf Uhr schon, sagen
Sie, und in Uniform? Weiß Gott, eine be-
wegte Zeit, Herr Gemeinde-Vorsteher, hm!
— wir wollen sehen! Um fünf Uhr schon,
und unter uns gesagt, Herr Gemeinde-Vor-
, sicher! der Herr Landrichter ist doch sonst
der Mann gar nicht, der um fünf Uhr auf-
^ steht, wie Sie selber wissen. Ich glaube,
Herr Gemeinde-Vorsteher, es wird das Beste
sein, wir gehen zu meinem Gevatter, dem Herrn Bürger-
meister, vielleicht ist der in die Sache eingeweiht."

„Wie Sic glauben, Herr Stadtschreiber!" sagt der Herr
Gemeinde-Borsteher. Der Herr Stadtschreiber greift nach
seinem Hut, öffnet die Thüre nnd läßt mit den Worten:
„Ich bin hier zu Hause. Herr Gemeinde-Vorsteher!" dem
widerstrebenden Herrn Gemeinde-Vorsteher den Bortritt.

Der Herr Bürgermeister sitzen eben auf ihrem Sopha und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Warum ist der Herr Landrichter in Uniform über die Straße gegangen?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Frack
Landrichter
Ortsvorsteher
Zimmermädchen
Karikatur
Tabakspfeife
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 10.1849, Nr. 232, S. 122
 
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