Primeln und Maiglöcklein schritten paarweise mit brannbcfrackten
Maikäfern, plumpe Humnieln nmschwirrten Nelken und Anemonen,
eine sentimentale Eintagsfliege plauderte auf vertrautem Fuße mit
einer Wasserlilie. Die Ballmlitter, dreifarbig gekleidete Pensäes,
beobachteten nachdenklich die Vorüberhüpfendcn und tauschten kritische
Bemerkungen über sie aus; Hirschschröter, Rüsselkäfer und Holzböcke
standen plaudernd unter Drohnen als Ballvätcr auf der Herren-
insel. Glühwürmchen beleuchteten neugierig von den Kronleuchtern
herab den Saal. Im Orchester zirpten, summten und brummten
Grillen und Fliegen um die Wette. Einsam saß eine verwelkende
Tulpe auf einem Kanapee und harrte vergeblich eines Verehrers.
Ich sah es ihr deutlich an, daß sie früher, im Vertrauen auf ihre
Schönheit, manch' ehrlich denkenden Bewerber abgewiesen hatte. Wie
sehr ward hingegen die Rose allerseits umschwärmt; Schmetterlinge,
Heuschrecken, Wespen und Bremsen huldigten ihr auf alle Arten,
einige Hornisse waren sogar auf eine Säule geklettert, um sie anglotzen
zu können. In der Rose erkannte ich deutlich mein Käthchen. Ich
erschrak förmlich vor all' den liebäugelnden Blicken und vor den
Komplimenten, die sie belagerten, und wollte voll mütterlicher Vor-
sicht sie jählings diesen: Anbeterheere entreißen — als ich mich am
Arme gepackt fühlte und eine fröhliche Stimme mir lachend zurief:
„Ich glaube wahrhaftig, Du schläfst, Mama!" Ich rieb mir die Angen,
blickte auf und sah Käthchen freudig vor mir stehen. „Ach denke
Dir, Mama, Assessor Werner, den Papa so gut leiden kann, hat
gerade den Walzer mit mir getanzt, und mich dann gefragt, ob er
um meine Hand bitten dürfe. Ich sagte Ja, wenn es Dir recht ist,
und nicht wahr, es ist Dir recht. . dann bin ich sehr, sehr glücklich!"
Ich fühlte etwas wie einen Stich in's Herz; mein Käthchen
hcrgeben, schon verheirathen, nein, nein — da durchzuckte es mich,
ich gedachte der alternden Tulpe, der Schmetterlinge und Käfer,
welche die Rosen umschwärmten, der Gefahren im Liebesgetändel,
indeß ächte Liebe beschützt und beschirmt, und sagte eingedenk des
Ballmärchens, das ich im Traume durchlebt', ein uneigennütziges
Ja! — Louise ». flolifll.
Maikäfern, plumpe Humnieln nmschwirrten Nelken und Anemonen,
eine sentimentale Eintagsfliege plauderte auf vertrautem Fuße mit
einer Wasserlilie. Die Ballmlitter, dreifarbig gekleidete Pensäes,
beobachteten nachdenklich die Vorüberhüpfendcn und tauschten kritische
Bemerkungen über sie aus; Hirschschröter, Rüsselkäfer und Holzböcke
standen plaudernd unter Drohnen als Ballvätcr auf der Herren-
insel. Glühwürmchen beleuchteten neugierig von den Kronleuchtern
herab den Saal. Im Orchester zirpten, summten und brummten
Grillen und Fliegen um die Wette. Einsam saß eine verwelkende
Tulpe auf einem Kanapee und harrte vergeblich eines Verehrers.
Ich sah es ihr deutlich an, daß sie früher, im Vertrauen auf ihre
Schönheit, manch' ehrlich denkenden Bewerber abgewiesen hatte. Wie
sehr ward hingegen die Rose allerseits umschwärmt; Schmetterlinge,
Heuschrecken, Wespen und Bremsen huldigten ihr auf alle Arten,
einige Hornisse waren sogar auf eine Säule geklettert, um sie anglotzen
zu können. In der Rose erkannte ich deutlich mein Käthchen. Ich
erschrak förmlich vor all' den liebäugelnden Blicken und vor den
Komplimenten, die sie belagerten, und wollte voll mütterlicher Vor-
sicht sie jählings diesen: Anbeterheere entreißen — als ich mich am
Arme gepackt fühlte und eine fröhliche Stimme mir lachend zurief:
„Ich glaube wahrhaftig, Du schläfst, Mama!" Ich rieb mir die Angen,
blickte auf und sah Käthchen freudig vor mir stehen. „Ach denke
Dir, Mama, Assessor Werner, den Papa so gut leiden kann, hat
gerade den Walzer mit mir getanzt, und mich dann gefragt, ob er
um meine Hand bitten dürfe. Ich sagte Ja, wenn es Dir recht ist,
und nicht wahr, es ist Dir recht. . dann bin ich sehr, sehr glücklich!"
Ich fühlte etwas wie einen Stich in's Herz; mein Käthchen
hcrgeben, schon verheirathen, nein, nein — da durchzuckte es mich,
ich gedachte der alternden Tulpe, der Schmetterlinge und Käfer,
welche die Rosen umschwärmten, der Gefahren im Liebesgetändel,
indeß ächte Liebe beschützt und beschirmt, und sagte eingedenk des
Ballmärchens, das ich im Traume durchlebt', ein uneigennütziges
Ja! — Louise ». flolifll.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Ballmärchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1894
Entstehungsdatum (normiert)
1889 - 1899
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 101.1894, Nr. 2553, S. 8
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg