Enrico' s Werbung.
255
Da naht sich ihr von ungefähr
Enrico, denn er liebt sie sehr;
Doch wagt er's nicht hineinzugeh'n —
Bescheiden bleibt er draußen steh'n.
Sybilla, sanft wie eine Taube,
Strickt ruhig weiter in der Laube.
Sie rührt sich nicht. Die Zeit verstreicht.
Das Warten wird ihm gar nicht leicht.
Enrico dreht sich her und hin —
Erweicht denn gar nichts ihren Sinn!?
Sie aber strickt noch immer heiter
Ein', zwei, drei Nadeln und so weiter.
Da räuspert er und seufzt sodann:
„Sybilla, hör' mich huldreich an!
Ich lieb' Dich schrecklich, sanfte Taube!
Komm', sei so gut, tritt aus der Laube
Und reich' mir Deine süße lfand,
Dann knüpfen wir ein festes Band,
Das sich nicht löst in Bier noch Wein -
Gib Acht, wir werden glücklich sein!" —
Sybilla wiegt ihr kfaupt und spricht:
vielleicht kann so mein Zweifel weichen!" -
Kaum spricht sie das Gebot noch aus,
Eilt er zum Garten schon hinaus
Und rennt und keucht und schifft sich ein,
Um schnell in Afrika zu sein. —
voll Muth besteht er die Gefahren
Und kehrt zurück dann nach drei Jahren
Und legt der kleinen sanften Taube
Ein Krokodil dicht vor die Laube,
Zwickt's in den Schweif, damit es weint,
Und wie es nun auch wirklich greint,
Weint er zur Prob' mit Duldcrsinn
Daneben selbst ein Thränlein hin.
„So schnell, mein Lieber, geht das nicht!
Bevor ich Deinen Wunsch kann loben,
Muß ich erst Deine Treu' erproben!" —
„Wie?" klagte da der junge Mann,
„Du zweifelst wirklich noch daran?"
Wobei ein Thränlein schwer und groß
Ihm aus dem linken Auge floß. —
Sybilla sprach und sah ihn an:
„An sich wärst Du der rechte Mann!
Ja, Deine Werbung ging' mir nah,
Wüßt' ich, ob echt die Thräne da!
Doch weint nicht auch das Krokodil,
Bei dem es doch nur falsches Spiel?"...
„kfa!" rief sie da auf einmal lauter.
„Jetzt weiß ich, was Du thun mußt, Trauter:
Bring' mir ein Krokodil vom Nil,
Dann werd' ich seine Thräne still
kfier mit der Deinigen vergleichen —
Durch die Lorgnett' Sybill' beschaut,
Was Beiden aus de:n Aug' gethaut.
„Ja", spricht sie dann mit sanftem Ton,
„Du weintest echt — jetzt seh' ich's schon;
Indessen dieses falsche Vieh
weint offenbar nur Simili.
Doch war dies erst die halbe Probe.
Bring's nun, damit ich ganz Dich lobe,
Zurück, wo Du's genommen her!
22*
255
Da naht sich ihr von ungefähr
Enrico, denn er liebt sie sehr;
Doch wagt er's nicht hineinzugeh'n —
Bescheiden bleibt er draußen steh'n.
Sybilla, sanft wie eine Taube,
Strickt ruhig weiter in der Laube.
Sie rührt sich nicht. Die Zeit verstreicht.
Das Warten wird ihm gar nicht leicht.
Enrico dreht sich her und hin —
Erweicht denn gar nichts ihren Sinn!?
Sie aber strickt noch immer heiter
Ein', zwei, drei Nadeln und so weiter.
Da räuspert er und seufzt sodann:
„Sybilla, hör' mich huldreich an!
Ich lieb' Dich schrecklich, sanfte Taube!
Komm', sei so gut, tritt aus der Laube
Und reich' mir Deine süße lfand,
Dann knüpfen wir ein festes Band,
Das sich nicht löst in Bier noch Wein -
Gib Acht, wir werden glücklich sein!" —
Sybilla wiegt ihr kfaupt und spricht:
vielleicht kann so mein Zweifel weichen!" -
Kaum spricht sie das Gebot noch aus,
Eilt er zum Garten schon hinaus
Und rennt und keucht und schifft sich ein,
Um schnell in Afrika zu sein. —
voll Muth besteht er die Gefahren
Und kehrt zurück dann nach drei Jahren
Und legt der kleinen sanften Taube
Ein Krokodil dicht vor die Laube,
Zwickt's in den Schweif, damit es weint,
Und wie es nun auch wirklich greint,
Weint er zur Prob' mit Duldcrsinn
Daneben selbst ein Thränlein hin.
„So schnell, mein Lieber, geht das nicht!
Bevor ich Deinen Wunsch kann loben,
Muß ich erst Deine Treu' erproben!" —
„Wie?" klagte da der junge Mann,
„Du zweifelst wirklich noch daran?"
Wobei ein Thränlein schwer und groß
Ihm aus dem linken Auge floß. —
Sybilla sprach und sah ihn an:
„An sich wärst Du der rechte Mann!
Ja, Deine Werbung ging' mir nah,
Wüßt' ich, ob echt die Thräne da!
Doch weint nicht auch das Krokodil,
Bei dem es doch nur falsches Spiel?"...
„kfa!" rief sie da auf einmal lauter.
„Jetzt weiß ich, was Du thun mußt, Trauter:
Bring' mir ein Krokodil vom Nil,
Dann werd' ich seine Thräne still
kfier mit der Deinigen vergleichen —
Durch die Lorgnett' Sybill' beschaut,
Was Beiden aus de:n Aug' gethaut.
„Ja", spricht sie dann mit sanftem Ton,
„Du weintest echt — jetzt seh' ich's schon;
Indessen dieses falsche Vieh
weint offenbar nur Simili.
Doch war dies erst die halbe Probe.
Bring's nun, damit ich ganz Dich lobe,
Zurück, wo Du's genommen her!
22*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Enrico's Werbung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1900
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 112.1900, Nr. 2861, S. 255
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg