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«rivatier Zappelmeier ist nach einer anstrengenden Fußtour noch
spät Abends in Untersteinloch angekommen und in der „Post"
eingekehrt. „Kann ich wohl noch ein Zimmer haben?" fragt er.
„Allein leider nicht mehr!" entgegnet die freundliche Wirthin. „Bei
dem schönen Wetter ist Alles auf mehrere Tage hinaus besetzt. Nur
in dem Zimmer von dem Herrn dort steht noch ein freies Bett
wenn Sie das wünschen — ?" Zappelmeier betrachtet sich den Herrn,
einen starken, älteren Mann, von Vertrauen erweckendem Aussehen,
und willigt ein. Bei dem Gespräch, in welches er dann mit dem Zimmer-
genossen gcrüth, erfährt er, daß derselbe ein Oberamtmann a. D.,
Namens Bäuchte, ist. Froh über so einen gediegenen Zimmerkumpan,
kriecht er alsbald in's Nest und schläft todmüd ein. — Aber schon
nach einer halben Stunde erwacht er. Die Fenster scheinen zu
klirren und entsetzliche, rasselnde, pfauchende Töne reizen Zappel-
meiers Nervosität. Er richtet sich ans, um sich zu orientiren, und
entdeckt, daß die gräßlichen Töne von dem Oberamtmann her-
rühren, der schnarcht — schnarcht in einer Weise, die noch nicht
da war, die grenzenlos, grausam, unmenschlich ist — die komisch
wäre, wenn man nicht darüber verzweifeln müßte. Der arme
Gequälte seufzt, stöhnt, ruft leise, lauter, bittet, droht,
schimpft — endlich, als Alles nichts hilft, wirst er mit donnerndem
Krach seinen Stiefelzieher gegen die Zimmerthüre. Darauf ein
entsetzter Schrei einer Frauenstimme in der Stube nebenan. Der
Schnarcher aber brummt blos und setzt sein Concert in unverändertem
Maße fort. — Schlaflos, gefoltert, stöhnend und fluchend verbringt
Zappelmeier die Rächt. — Am nächsten Morgen ein Unterhandeln
wit der Wirthin, ein Bitten, ein Beschwören. Sie zuckt die
Achseln. „Wenn der Herr auf dem Heuboden nächtigen will",
weint sie — „was Anderes ist unmöglich!" — Zappelmeier ist
"°ch zu strapazirt, um schon weiter zn reisen. Also in Gottes
Zainen denn aus den Heuboden!
ist zwar in Bezug auf Nacht-
lagerung etwas verwöhnt und
lludet es nicht gerade angenehm,
als er Abends sich auf das Heu
"lederlegt — aber die Müdigkeit
l"ßt ihn doch einschlafen. — Da
~~ "ach einer kurzen Weile —
zwackst er. Was ist das? Ist
""s ein Spuk, eine Halluci-
"ation seiner überreizten Sinne?
Sder ist's Wahrheit? . . Ja, ja,
j teuflische Gewißheit ist's! In seiner unmittelbareu Nähe rasselt's,
schnurrt's, pfaucht's, dröhnt es wieder wie in verwichener Nacht.
„Mein Herr!" ruft er aufspringend in maßlosem Zorn, „das
ist zu viel, das lasse ich mir nicht gefallen! Eine solche Bosheit
schreit zum Himmel I Sie sind mir nachgeschlichen, Sie foltern mich
vorsätzlich, obwohl ich diese Nacht vor Ihnen geflohen bin!"
Inzwischen ist auch der Andere munter geworden. „Was?"
grollt er mit seinem tiefen Baß. „Sie vor mir geflohen? Sind
Sie auch wieder da, Sie un-
heimlicher Mensch! . . Ich bin
vor Ihnen geflohen — auf
den Heuboden sogar! . . Fragen
Sie nur die Wirthin!"
„Sie vor mir geflohen?"
stammelt Zappclmeicr fassungslos.
„Jawohl!" donnert der An-
dere. „Neben Ihnen kann man's
ja nicht aushalten: Sie reden
ja die ganze Nacht im
Schlaf!"
-o>o<S^=>o^o-
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«rivatier Zappelmeier ist nach einer anstrengenden Fußtour noch
spät Abends in Untersteinloch angekommen und in der „Post"
eingekehrt. „Kann ich wohl noch ein Zimmer haben?" fragt er.
„Allein leider nicht mehr!" entgegnet die freundliche Wirthin. „Bei
dem schönen Wetter ist Alles auf mehrere Tage hinaus besetzt. Nur
in dem Zimmer von dem Herrn dort steht noch ein freies Bett
wenn Sie das wünschen — ?" Zappelmeier betrachtet sich den Herrn,
einen starken, älteren Mann, von Vertrauen erweckendem Aussehen,
und willigt ein. Bei dem Gespräch, in welches er dann mit dem Zimmer-
genossen gcrüth, erfährt er, daß derselbe ein Oberamtmann a. D.,
Namens Bäuchte, ist. Froh über so einen gediegenen Zimmerkumpan,
kriecht er alsbald in's Nest und schläft todmüd ein. — Aber schon
nach einer halben Stunde erwacht er. Die Fenster scheinen zu
klirren und entsetzliche, rasselnde, pfauchende Töne reizen Zappel-
meiers Nervosität. Er richtet sich ans, um sich zu orientiren, und
entdeckt, daß die gräßlichen Töne von dem Oberamtmann her-
rühren, der schnarcht — schnarcht in einer Weise, die noch nicht
da war, die grenzenlos, grausam, unmenschlich ist — die komisch
wäre, wenn man nicht darüber verzweifeln müßte. Der arme
Gequälte seufzt, stöhnt, ruft leise, lauter, bittet, droht,
schimpft — endlich, als Alles nichts hilft, wirst er mit donnerndem
Krach seinen Stiefelzieher gegen die Zimmerthüre. Darauf ein
entsetzter Schrei einer Frauenstimme in der Stube nebenan. Der
Schnarcher aber brummt blos und setzt sein Concert in unverändertem
Maße fort. — Schlaflos, gefoltert, stöhnend und fluchend verbringt
Zappelmeier die Rächt. — Am nächsten Morgen ein Unterhandeln
wit der Wirthin, ein Bitten, ein Beschwören. Sie zuckt die
Achseln. „Wenn der Herr auf dem Heuboden nächtigen will",
weint sie — „was Anderes ist unmöglich!" — Zappelmeier ist
"°ch zu strapazirt, um schon weiter zn reisen. Also in Gottes
Zainen denn aus den Heuboden!
ist zwar in Bezug auf Nacht-
lagerung etwas verwöhnt und
lludet es nicht gerade angenehm,
als er Abends sich auf das Heu
"lederlegt — aber die Müdigkeit
l"ßt ihn doch einschlafen. — Da
~~ "ach einer kurzen Weile —
zwackst er. Was ist das? Ist
""s ein Spuk, eine Halluci-
"ation seiner überreizten Sinne?
Sder ist's Wahrheit? . . Ja, ja,
j teuflische Gewißheit ist's! In seiner unmittelbareu Nähe rasselt's,
schnurrt's, pfaucht's, dröhnt es wieder wie in verwichener Nacht.
„Mein Herr!" ruft er aufspringend in maßlosem Zorn, „das
ist zu viel, das lasse ich mir nicht gefallen! Eine solche Bosheit
schreit zum Himmel I Sie sind mir nachgeschlichen, Sie foltern mich
vorsätzlich, obwohl ich diese Nacht vor Ihnen geflohen bin!"
Inzwischen ist auch der Andere munter geworden. „Was?"
grollt er mit seinem tiefen Baß. „Sie vor mir geflohen? Sind
Sie auch wieder da, Sie un-
heimlicher Mensch! . . Ich bin
vor Ihnen geflohen — auf
den Heuboden sogar! . . Fragen
Sie nur die Wirthin!"
„Sie vor mir geflohen?"
stammelt Zappclmeicr fassungslos.
„Jawohl!" donnert der An-
dere. „Neben Ihnen kann man's
ja nicht aushalten: Sie reden
ja die ganze Nacht im
Schlaf!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Missgeschick"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 112.1900, Nr. 2864, S. 291
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg