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Des Churfürsten Hofjäger.

! der wallende Busen des geängstigten Mädchens drohte die Hefte
i des Mieders zu sprengen. „Es ist der schwerste Augenblick
meines Lebens, und wärest Du nicht bei mir, ich würde nicht
! die Kraft haben, diese innere Angst länger zu tragen."

„Wir haben viel gewonnen," tröstete der Hofjäger, „seit
der Kurfürst überzeugt ist, daß der Herr von Karaß wilddiebi-
scher Weise auf seinem Revier gejagt, und die tolldreiste Aus-
sage des Rottmeisters hat uns einen guten Dienst erwiesen;
darum, wenn Georg der Erste auch ein gestrenger Herr, so ist
er doch stets gerecht gewesen, auch gegen den niedrigsten seiner
Untcrthanen".

Das Mädchen wollte antworten, als plötzlich das Geheul
der Hunde, das Rufen der Jäger wilder als bisher die Lust
erfüllte; ein furchtbares Prasseln einer einstürzenden Wand,
und ein angstvoller Schrei des Schreckens und Entsetzens er-
tönte von den Gallerten der Zuschauer.

Der Bär, im ivilden Kampfe mit den Hunden, hatte die
Vermachung durchbrochen, die Hunde von sich geschleudert und
stürzte sich, aus mehreren Wunden blutend, auf die Knechte,
welche sich seiner Wuth entgegen stellten. Diese ergriffen die
Flucht, und der Bär kletterte mit der letzten Kraftanstrengung
die Wendeltreppe des Eckthurmes hinan, an deren' Eingang
Anna mit Rudolph die Ankunft des Churfürsten erwartete.

In wilder Flucht stürzten Cavaliere, Damen und Diener
durch die Gänge um in den innern Gemächern Schutz zu
suchen, und mit Entsetzen sah Rudolph das wuthgereizte Thier
mit dumpfem Stöhnen dem Eingänge des Ganges sich nahen,
der nach der Kapelle führte. Das Gebell der Hunde, welches
einen Augenblick verstummt war, begann mit erneuerter Hef-
tigkeit, und noch einmal die gluthrothen Augen nach seinen
Verfolgern wendend, hielt der Bär in seiner Flucht an, leckte
sich das an ihm herabfließende Blut ab und setzte unter äch-
zendem Brummen seinen Weg fort.

Mit einem Angstschrei des Entsetzens klammerte sich Anna
an Rudolph, der nur noch so viel Zeit behielt, um seinen
Hirschfänger zu ziehen, während der Bär im Begriff war, sich
ihm entgegen zu stürzen; aber das Erscheinen der Hunde auf
der Treppe, die mit winselndem Geheul ihm nacheilten, und
, sobald er sich umdrehte, nicht zurückwichen, schien den Ent-
schluß des Unthiers zu ändern. Es hob den zottigen Kopf
gegen Rudolph gewendet, in die Höhe, stieß ein dumpfes Ge-
brüll aus und flüchtete mit der letzten Kraftanstrengung in
plumpen Sätzen in die offenstehende churfürstliche Kapelle. *)
Das Klirren der auf die Steinplatten fallenden Hellebarden
verkündete die Flucht der dort Wache haltenden Trabanten,
während der Troß der Jäger und Knechte dem Bären nach-
eilend auf der Treppe erschien.

„Anna!" rief plötzlich Rudolp, „bleibe ruhig hier, die
! Gefahr ist vorüber, der Bär kann nicht rnehr zurück und hat
sich schon zu stark verblutet, um gefährlichen Widerstand zu
leisten. Bald bin ich wieder bei dir." •

„Rudolph," jammerte das Mädchen erschrocken — „nur
jetzt verlaß mich nicht."

Aber der Jäger küßte die Jammernde flüchtig und eilte
den Jägern voran in die Kapelle.

„Vater im Himmel! beschütze ihn," betete zitternd das
Mädchen, während ein dumpfes Brummen aus dem Innern
der Kapelle ertönte, ein Gepolter, wie das Umstürzen eines
Stuhles und bald darauf ein schneidendes Schmerzgebrüll.

Die Gruppe der Jäger und Knechte, welche die Hunde in
den Schloßhof zurückgetrieben und die Thüre abgesperrt hatten,
um diese nicht in die Kapelle zu lassen, drängten sich jetzt
in dieselbe und fanden Rudolph eben im Begriff, dem an
einen rothsammtnen umgestürzten Lehnstuhl sich anklammernden
Bären den Todesstoß zu geben. Mit ächzendem Stöhnen sank
das blutende Unthier zusammen, und in wildem Halloh fielen
die Jäger jetzt über denselben, um den Bären, dessen lang-
same Verzuckungen seinen Todeskampf bezeugten, aus der ge-
heiligten Stätte zu schleppen.

Als der Troß sich dem Gange näherte, >vo Rudolph
Anna verlassen hatte, fanden sie das arme Mädchen in Ohn-
macht an der Fensterwölbung niedergesunke», vor ihr der Chur-
fürst Georg der Erste, umgeben von den Herzögen von Sachsen-
Lauenburg, Mecklenburg und Pommern, das Schreiben ent-
faltend, welches der Ohnmächtigen entfallen >var.

In diesem Augenblicke drängte sich Rudolph, den blutigen
Hirschfänger in der Hand, durch die Menge. Als er aber den
Churfürst und seine Umgebung sah, wich er einen Schritt zu-
rück, doch der Anblick des geliebten Mädchens gab ihm seinen
Muth wieder.

„Eure churfürstliche Durchlaucht," rief er, den Hirschfän-
ger zu dessen Füßen legend, möge Höchstdero Gnade erlauben,
die Arme den Blicken der Menge hier zu entziehen," indem
er das Mädchen aufrichtete, welches, als sie die Augen auf-
schlug und sich von so viel Menschen umgeben sah, ihr Haupt
an des Hofiägers Brust verbarg.

„Wer?" frug der Churfürst, auf das zitternde Mädchen
zeigend.

„Die Tochter des Amtsschöffers zu Zeitz!" entgegnete Rudolph.

„Und Er?"

„Der Jäger Rudolph, Ew. churfürstliche Durchlaucht," rief
der Oberjägermeister von Ziegesar, sich dem Fürsten nähernd,
„derselbe, der soeben den Bär in der Kapelle getödtet."

„Bring' Er die Jungfrau fort, und melde er sich morgen
bei mir," sprach der Churfürst, einen milden Blick auf das
Paar richtend, und wendete sich nach dem Gefolge der Jäger,

! die eben im Begriff waren, den todten Bär die Thurmtreppe
herab zu schleifen.

„Amen!" jubelte Rudolph, als der Churfürst sich entfernt,
und küßte die Angstbewegte. „Der Bär hat uns am Ende
den besten Dienst erwiesen," und verließ mit dem, von so
vielen unerwartet auf einander folgenden Ereignissen tiefer-
! schöpften Mädchen das Schloß.

*) S. Weiks Dresdner Chronik. S. 334.
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