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122 Zwei

I geritten muß sein, dort wackelt schon eine Ordonnanz die
' Treppen herunter und bringt meine Depesche. Addio Caro,

! bis morgen zum Kaffee oder zum Mittagessen, der Teufel weiß
wo?" Mit diesen Worten warf der Dragoner-Offizier die
goldene Schärpe über die Schulter, zog die Quasten auf der
rechten Seite herab und schwang sich auf seinen Braunen.
Das Pferd war frisch und muthig, der Reiter ebenso, und
und nach einem Händedruck, ein paar Courbetten auf dem
Pflaster, daß die Funken sprühten, verschwand er in der Nacht.
Noch eine Zeit lang sah man seinen weißen Waffenrock
glänzen, dann verlor er sich in der allgemeinen Finsterniß.

Graf S. ging in das Haus hinauf, suchte und fand ein
paar bekannte Offizier, mit denen er ein äußerst frugales
Souper verzehrte, eine Cigarre rauchte und sich darauf, er-
müdet wie er war, mit Atila und Säbel auf einen Stroh-
sack warf, den er im Borzimmer fand, Ivo er baldigst in
einen tiefen Schlaf fiel.

Er hatte so einige Stunden ruhig geschlafen, da wurde
er lachend erweckt und sah den Major E. vor sich stehen,
der es unendlich bedauerte, gezwungen zu sein, ihn aus deni
Schlafe wecken zu müssen. „Es ist Niemand da, Theuerster,"
sagte der Major, „und obgleich ich weiß, wie stark Sie schon
im Dienst waren, so kann ich doch nicht umhin, Sie wieder
in die Nacht hinaus zu schicken."

Augenblicklich war der junge Husaren-Offizier munter und
auf den Beinen, riickte Säbel und Cartouche zurecht, und ver-
nahm den Befehl, vorsichtig gegen Pizzeghettone zu reiten, um
im Fall die Oestreicher dort schon eingerückt seien, dem Ge-
neral S. einen wichtigen Befehl zn überbringen. Der Major,
als freundlicher und guter Kamerad, gab dem jungen Ordon-
I nanz-Offizier die Hälfte eines starken schwarzen Kaffee's, den
er für sich selber hatte machen lassen, dann erhielt er seine
Depeschen und eilte die Treppen hinunter in das andere
Haus zu seinen Pferden. Der Rappe war im Augenblick j
fertig gemacht, Graf S. warf seinen weißen Mantel über,
bestieg das Pferd und ritt langsam zum Dorfe hinaus.

Das Wetter hatte sich unangenehm verändert. Ringsum
herrschte eine Finsterniß, daß man im wahren Sinn des
Wortes keine Hand vor den Augen sehen konnte; am Himmel
glänzte nicht ein Stern und es fegte zuweilen jener scharfe
ttockene Wind, das schwere Athmen eines heftigen Gewitters,
bevor es seinen Mund öffnet, um Feuer und Verwüstung
auszuspeien. Die Lagerfeuer auf den Feldern waren kaum
zu erhalten und die gestörte Flamme flackerte ängstlich hin
und her. Die Pferde in den Bivouaks schüttelten sich und
streckten die geöffneten Nüstern in die Luft hinauf. Man
bemerkte fast keinen Soldaten, der sich hingestreckt hatte, uni
zu schlafen, fast alle waren munter, saßen in den Gräben
oder standen auf der Chaussee in Gruppen, an den schwarzen
Nachthimmel deutend, der zuweilen am Horizonte durch einen
gähen Blitz erhellt wurde.

Wo Graf S- bei einem Trupp Offiziere vorbei kam, da
wurde er mit freundlichem Wort begrüßt, nicht ohne daß man
hinzusetzte: „ Geben's Achtung, wir werden was Gehöriges

Näch-te.

abkriegen." Bald ließ der junge Ordonnanz-Offizier die
Lagerplätze und Bivouaks hinter sich und ritt auf der ein-
samen Straße dahin. Seine Gedanken übersprangen einen
Zeitraum von vier Jahren, und er dachte jener Nacht, wo
er von Mailand ausfuhr fast denselben Weg, jener Nacht
voll Blumenduft, Nachtigallenlied und Liebeszauber, die von
der heutigen so himmelweit verschieden war. Auch jenes
Mädchens dachte er, und der drei Küsse, und wenn er auch
seit jener Zeit manche warme Lippen berührt, so konnte er
doch jene heiße, süße Stunde nicht vergessen. Heute aber
hörte er nicht Nachtigallenlied, wohl aber das Heulen des
Windes, das Rollen des Donners, der über seinem Haupte
immer näher und näher tönte. Bäume und Büsche an der
Straße bogen sich tief vor dem Grimme des Sturmes und
sein Rappe schauerte zusammen vor den heftigen Blitzen, die
sich zwischen den schwarzen Wolken kreuzten.

Jetzt begegnete er einer Kavallerie-Patrouille, die ihm
entgegen kam, und der Führer derselben, ein alter Wacht-
meister, meldete, daß, soviel er am Fluß bemerkt habe, die
Piemontesen so eben im Begriff seien, Pizzeghettone zu ver-
lassen, und daß sich der Offizier nicht zu sehr zu beeilen
brauche, um mit der östreichischen Vorhut dort einzutreffen.

Es mochte ein Uhr in der Nacht sein, und das Unwetter
fing an, sehr heftig zu werden. Der Wind war so stark,
daß sich der Rappe kaum in seiner Richtung erhalten konnte.
Heulend umsauste er den Reiter,. warf ihm Sand und Steine
ins Gesicht, und riß starke Aeste von den Bäumen, die er
rechts und links neben dem Pferde niederschmetterte. Der
Regen strömte herab, Hagelkörner in außerordentlicher Dicke
schlugen mit fürchterlicher Gewalt auf Roß und Reiter, so
daß das geängstigte Thier von dem kräftigen Offizier kaum
in Ruhe erhalten werden konnte. Es war ein fürchterlicher,
unheimlicher Ritt.

Eine Stunde mochte der Gewittcrsturm so mit ungemin-
derter Heftigkeit gedauert haben, als der Regen und das
Sausen des Windes etwas nachlicß und sich auf Augenblicke
in leichtes Wehen verwandelte.

In solchen Momenten kam es dem Reiter vor, als ver-
nehme er vor sich das Rasseln von Fuhrwerken und kaum
hörbar, das Getümmel von Infanterie- und Kavallerie -
Colonncn, die in ziemlicher Entfernung vor ihm vorüber-
zogen. Der Wind führte diese Klänge bald schwächer bald
stärker an sein Ohr; er hielt sein Pferd an und beugte sich
vor, um sich möglicher Weise zu orientiren, ob da vor ihm
Freund oder Feind zöge, und zu überlegen, ob er zur Seite
oder vorwärts reiten solle. Etwas zur linken Hand mußte
Pizzeghettone liegen, von dort aus gegen rechts zu zog das
Getöse, das er vernahm. Also konnten es nur die Piemon-
tesen sein, welche soeben die Festung verließen. Er wandte
sein Pferd etwas links, und begann nach der Richtung hin
zu reiten, wo er die Stadt und den Fluß vermuthete, er
mußte sich nah bei letzterem befinden, doch es war so dunkel,
daß die Fluth nicht leuchtete. —-

Auf einmal prallte der Rapp zurück und der entsetzte Reiter
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