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Fliegende Blätter — 19.1854 (Nr. 433-456)

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https://doi.org/10.11588/diglit.2119#0131
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Der eingepökelte Vetter.

131

UserH, s'gibt aff de ganze Welt nor ain Geschäft, was hat
erste Bedeiting un das is: Calmeier unRosenberg. Denn
damals hat noch nich geexistirt der grauße Baron Rothschild in
Frankfort, was is der Ferscht von alle Ferschten un doch ainer
von unsre Lait.

Calmeier und Rosenberg haben sich verdient ain Tausend
Dollariuse nach's andre und haben gehabt ganze Gasin voll
Haiser in Neukorks und viele Mageziens mit Waaren, davon
gar Niemand hat gewußt kainen Werth nich. Bei alle den
graußen Verdienst sain aber immer geblieben de beiden Com-
pagnoners ledig; kainer hat sich angeschasfen eine Kalles. Wo-
rum? Dorum! Weil das Heirathen verhindert so gar gewaltig
de freie Entwickling von de Spikelizgon.

So sain Baide geworden immer reicher un immer reicher
und immer noch reicher. Aber wie der Reichthum nimmt ßu,
so nimmt das Leben ab, un de Lebenszeit is das Ainzige af de
Welt, wumit sich nischt läßt' spikeliren. denn de Lebensverstch-
ring is nur ain falsches Wort vor ain falschen Begriff un nur
ane Spikelizgen aff den Tod un nich aff das Leben.

Rosenblatt is gewesen der Erste, was sich hat gcfihlt un-
wohl un hat kain Dokter nich kennen finden ain Mittelche vor
saine Krankheit, ßum wenigsten was sain gewesen von de bil-
ligen Doktersch. Denn ßu den reichen Prefesiersch, wo verlangen
vor einmal de Szunge rausgesteckt drei Dollariuse, gaiht kaner
von unsere Lait. Wenn es nun einmal soll gestorben sain, so
hilft kain Dokter nich un da is es bester, mer läßt sich ßu Tode
koriren von Ainen, was es thut vor 8 Groschen, als von ain
Andern, was hat Ordens un Kreuzlichs an de Brust un thut
es nich unter ain Dukaten vor'n Besuch un darf kain As fehlen.

Kurz und gut! Rosenblatt, was jetzt hat gehaißen Rosen-
berg, hat missen sterben. Vor sain Tod aber hat er noch ain-
mal gerufen Calmeiern, oder aigentlich Calmusen.

„Calmeierleben", hat Rosenberg gesagt, „ich were missen
sterben, ich merk es schon. Es hilft nun ainmal nichts, es chut
mer aber nur laid, daß ich Dir muß lassen main ganzes Ver-
mögen ohne aineEutschädiging; denn was nutzt mer aine Ent-
schädiging, wenn Du mer sie aach giebst; wenn ich taudt bin,
würdest erben aach noch de Entschädiging."

Calmeier hat sich gewundert, wuher sain Vetter Rosenberg
hat gekriegen aff ainmal so viel Waishait vor sain Tod. Aber
Rosenberg hat weiter gered't:

„Ich habe blos aine Bitte, Vetter. Wenn ich werde sain
gestorben, möchte ich gerne kommen ßu liegen bar maine Ver-
wanoten in Königsberg nach Preißen. Versprich mir also, mir
ßu spediren xor Segelschiff in gewöhnlicher Lieferzeit nach Kö-
nigsberg , wu se mer sollen begraben neben Reb Mauses un
Levp Steinfeldern. Willst'e mir das versprechen?"

Da sain Calmeiern de Thränen in de Aagen getreten nn
er hat gesagt :

„Rosenbergleben, sai unbesorgt, ich lasse Dir spediren,
daß De kommst ßu liegen nach Königsberg."

Wie das hat gehört Rosenberg, is er geworden ruhig un
noch gestorben an denselben Tage. Calmeier hat gejammert un
gewaihklagt nach alle Kräfte und gemachen aine Krie') in
sain Rock.

Am nächsten Tage is gegangen Calmeier nach den Hafen
un hat gefragt nach de Kaptäns, wo grade absegelten nach Asch-
kenas. Er hat aach balde ainen gefunden, denn hat er gefragt:

„Entschold'gen Se, Herr Kaptän, was preißeiE) Sc de
Fracht vor aine Kiste nach Königsberg?"

Hat der Kaptän gesagt: Das käme draff an, ob das Kist-
lich were grauß oder klain, laicht oder schwer un überhaupt was
drinnen wäre.

Sagt Calmeier: „Na, wenn Se's muffen wissen, was
drinne is — main Vetter is drinne, was is gestern gestorben
un was soll getransbitirt werden ßur Lewaje^) nach Aschkenas".

Hat der Kaptän geantwortet: „ Unter hundert Dollariuse
kann ich's — nich thun."

Wie das hat Calmeier gehört, is er erschrocken ßum Tode
un hat fast verloren de Sprache vor Entsetzen über aine so
grauße Summe.

„Entschold'gen Se, Herr Kaptän", hat Calmeier gesagt,
„sain Sie von Sinnen oder habe ich vielleicht nur verloren
mein Gehöre?"

Darauf is geworden der Kaptän grob un hat gesagt:

„Nu? Soll ich transbitiren ainen taudten Menschen vor
zwei Silbergroschen?"

Calmeier hat wollen handeln un hat geboten fünf Dolla-
riuse, dann sechs, sieben, achte, naine un endlich gar ßehne!
Aber der Kaptän is feste geblieben aff sain Kopp un hat es
nich thun wollen unter hundert Dollariuse. Calmeier aber is
gegangen nach Hause un hat gar nich gewußt, was er soll ma-
chen; denn vor so aine Klainigkait hundert Dollariuse geben,
das konnte er nich bringen über sain Herze, weil es gewesen
were, eine gedauleH Verschwending.

So hat er gesesien de ganze Nacht un hat sein Geist
abrachweneE) damit, daß er sollte finden ein Mittel gegen diese
Theuring. Endlich is er gekimmen aff eine Idee, wo is zwar
gewesen seltsam, aber billig, warum er se hat am Ende aach
ganz feste gefaßt. Nemlich er nimmt sich vor, seinen verstor-
benen Vetter Rosenberg in Sticklichs ßu schneiden un ßu legen
in ein Faß mit Pökelbrühe, wonach er kann dekleriren in den
Frachtbrief das ganze als Pökelfleisch un braucht ßu beßahlen
nur einfache Fracht. Wie er nu is getreten vor seinen taudten
Vetter Rosenberg, hat er gesagt :

„Rosenbergleben! Es hilft nichts, ich muß Dir ßerschneiden
in Sticklich un einpöckeln, denn vor'n Transbort in Ganzen bist'e
mir ßu thcuer."

(Schluß folgt.)

1) Krie; der Riß, der als Trauerzeichen in da« Kleid gemacht wird.

2) was preißen — wie viel kostet.

3) Lejawe; Leichenbegängniß.

4) gedaule; groß.

5) abrachwenen; abmühen.

1) User; wahrhaftig.

2) Kalle; eine Braut, Geliebte.

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