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132

Eine Sage.

Es hüllt in ihren Schleier die Nacht nun die Natur
Und senkt in Schlaf die Menschen und Berg und Wald und
Flur —

Nur droben zwischen den Trümmern der Burgruine stand
Ein schattenähnlich Wesen in fliegendem Gewand.

Das ist Frau Irmgard, welche des Schlaffes Herrin war,
Die ist alldort verzaubert nun schon manch hundert Jahr,

Die muß allnächtlich wandeln auf jenen wüsten Höh'n,
Verzweifelnd ringt sie die Hände — sie möchte schlafen geh'n.

Halb Kind, halb Jungfrau ward sie Graf H u go angetraut,
Sie — frisch in's Leben blickend, und er — schon längst ergraut,
Er — eine alte Eiche, in der der Sturm gewühlt,

Sie — eine frische Rose, von Frühlingshauch umspielt.

Er sprach: „Die Kriegsdrommete, sie ruft mich aus dem
Schloß,

Ich ziehe jetzt von hinnen sammt meinem ganzen Troß,

Doch laff', bevor ich scheide, ich diesen Ring zurück,

Steck' ihn an Deinen Finger — er birgst Dein Geschick.

„Sollt'st Du nur untreu werden, dann springt der Ring
entzwei,

Und Deiner harr't Verderben ob der gebroch'nen Treu!"

Er hat es kaum gesprochen, als er auf's Pferd sich schwang
Und wild von dannen stürmte mit lust'gem Hörnerklang.

Kaum barg in seinem Schatten die Schaar der nahe Wald,
Als unter Jrmgard's Fenster ein Saitenspiel erschallt,

„Es ist," so sprach der Diener, „es ist ein Troubadour,

Der Euch um Herberg' bittet für Nacht und Abend nur."

„Ein Sänger ist's?" rief Irmgard, im Blick der Freude
Strahl,

„O laß herauf ihn kommen und führ' ihn in den Saal,

O eile ihn zu holen, bevor er wieder zieht,

Daß er die Zeit mir kürze mit manchem süßen Lied."

Er kam — ein Jüngling war es, mit blauem Augenpaar,
Von edlem, schlankem Wüchse, mit blondem Lockenhaar,

Die Laute in dem Arme naht er der Herrin hold,

Und als nach Sänger Weise er ihr den Gruß gezollt —

Da griff er in die Satten und sang mit süßem Ton
Vom Mai, dem blüthenreichen, von treuer Minne Lohn, —
Wie hing sie an dem Munde, dem dieser Sang entfloß.

Ein kaum geahnter Himmel sich ihrem Blick erschloß.

Und süßer, immer süßer des Sängers Lied erklingt,

Und tiefer, immer tiefer ihr es zur Seele dringt,

Ihr Herz erbebt vor Wehe, ihr Herz erbebt vor Lust —

Sie liegt — wie war's gekommen? — dem Sänger an der
Brust.

Doch horch — da springt's und klingt es und klirrt am
Boden hin —

Sie schreckt aus seinen Armen mit angsterfülltem Sinn,

Blickt zitternd nach dem Boden — der Probstein ihrer Treu,
Der Ring — er war geborsten, der Ring — er brach entzwei.

Und alsbald kracht's und toset und bebt und wankt und
dröhnt,

Der Mauern Sinken und Bersten ihr Klagen übertönt,

Die Burg — mit einem Male ein Trümmerhaufen nur,
Darin Irmgard begraben sammt ihrem Troubadour.

Und jede Nacht, wenn zwölfe im Dorf die Glocke ruft,
Da muß Frau Irmgard steigen aus ihrer Felsengruft,
Allnächtlich muß sie wandeln auf jenen wüsten Höh'n,
Verzweifelnd ringt sie die Hände — sie möchte schlafen geh'n.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine Sage"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Ring <Schmuck, Motiv>
Schrecken <Motiv>
Einsturz
Troubadour <Motiv>
Burgruine
Sänger <Motiv>
Karikatur
Laute <Motiv>
Burgfrau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 19.1854, Nr. 449, S. 132
 
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