Die Gewohnheit der Liebe größter Feind.
„Im Gegentheil, Doktor, wir sind seit unserer Ver-
heirathung nicht einen einzigen Tag von einander getrennt
gewesen. “
„Aha" dachte der Arzt, der zugleich ein Stückchen
Philosoph war und leicht den Grund der gegenseitigen Ver-
stimmung errieth — setzte seine Brille auf, betrachtete zuerst
die Dame, dann den Herrn und sagte nach einer Weile:
„Es ist wahr, die Dame hat ein kleines Mahl auf der
linken Wange, fast so groß, wie ein Stecknadelkopf, was
ihr jedoch allerliebst steht. Und bei Ihnen, mein Herr,
steht die Pupille des rechten Auges, was bei gar vielen
Menschen der Fall ist, ein klein Wenig näher nach der
Nase zu als die des linken Auges. Sie würden aber
Beide nicht soviel Aufhebens davon gemacht, ja es nicht
j einmal bemerkt haben, wenn Sie sich nicht alle Tage sähen."
Dem jungen Paare mochte wohl der Ausspruch des
j Arztes einleuchten. Am folgenden Tage wurde Alfred an
j das Sterbebett eines entfernt wohnenden Onkels gerufen.
' Tie Reise, sowie die Regulirung des Nachlasses hielten
' Alfred über vier Wochen von Hause entfernt, und als er
! nach Ablauf dieser Zeit dahin zurückkehrte, war das Mahl
i auf Clementinens Wange verschlounden und diese fand
Alfreds Augen so hübsch wie früher. —
Und die Moral der Geschichte? Diese, mein lieber
Leser, ist bereits in der Ueberschrift angegeben. Die Ge-
wohnheit ist die grausamste Enttäuscherin in der Ehe und
in deren Glück. Die einzigen beglückenden Ehen sind die,
wenn der Gemahl weise genug ist, seine Gattin selten zu
sehen. Das Fernsein am Morgen bewahrt vor Langeweile
am Abend und zeitweilige Trennungen besiegen den Zauber
der Gewohnheit. Demnach, lieber Leser, falls Du ver-
heirathet bist, kann ich Dir kein größeres Glück wünschen,
als daß von Zeit zu Zeit hundert Meilen von Deinem
Wohnort entfernt, ein reicher Onkel oder eine äitto Tante
das Zeitliche segnen und Dich zu ihrem Erben einsetzen
mögen — unter der Bedingung, daß Du ihnen die Augen
zudrücken sollst. Oder — bist Du mit Nachkommenschaft
gesegnet und kannst Du vielleicht das Schreien der Kinder-
chen, dieser kleinen, lebenden Querpfeifen, nicht vertragen,
so mache in Gottes Namen eine kleine Reise aus der
. Kinderstube in die weite, weite Welt. Mit verdoppelter
Liebe und Zärtlichkeit Ivirst Du dann in Deine Häuslich-
keit zurückkehren.
P. 8. Eben als ich diesen guten Rath für Ehemänner
niedergeschrieben habe, guckt mir mein liebes Weibchen über
! die Schulter und bittet mich himmelhoch, nachträglich am
; Schlüße meiner Erzählung (die Frauen lieben einmal die
I Poslscripts) noch zu bemerken, daß ich selbst aus Erfahrung
j nicht sprechen könne, da ich seit meiner Verheirathung nicht
einen einzigen Tag verreist gewesen sei und doch wohl glück-
lich genug lebe. Was ich hiermit pflichtschuldigst thue. —
Jagdabenteuer. 19
Baron von Trifftnix. „Johann, ich stelle mich ver-
kehrt an den Bogen; wann etwas daher kommt, ruf' er nur:
rechts oder links!"
,,'rr Gnaden Excellenz links!"
,,'rrr Gnaden Excellenz rechts!!"
Etymologisch-Philologisches.
Seit urfürdenklicher Zeit ist unter denen deutschen Sprach-
forschern und Philologis die Quere! gewesen und eiffrig für
und wider disputiret worden, ob das Wort „Bedienter", >
welches einen Menschen bezeichnen soll, der als servns, Diener,
alicui servit, dient, auch richtig feie, oder ob es nicht vielmehr
einen Menschen bezeichne, der bedient wird, <mi quis servit.
„Im Gegentheil, Doktor, wir sind seit unserer Ver-
heirathung nicht einen einzigen Tag von einander getrennt
gewesen. “
„Aha" dachte der Arzt, der zugleich ein Stückchen
Philosoph war und leicht den Grund der gegenseitigen Ver-
stimmung errieth — setzte seine Brille auf, betrachtete zuerst
die Dame, dann den Herrn und sagte nach einer Weile:
„Es ist wahr, die Dame hat ein kleines Mahl auf der
linken Wange, fast so groß, wie ein Stecknadelkopf, was
ihr jedoch allerliebst steht. Und bei Ihnen, mein Herr,
steht die Pupille des rechten Auges, was bei gar vielen
Menschen der Fall ist, ein klein Wenig näher nach der
Nase zu als die des linken Auges. Sie würden aber
Beide nicht soviel Aufhebens davon gemacht, ja es nicht
j einmal bemerkt haben, wenn Sie sich nicht alle Tage sähen."
Dem jungen Paare mochte wohl der Ausspruch des
j Arztes einleuchten. Am folgenden Tage wurde Alfred an
j das Sterbebett eines entfernt wohnenden Onkels gerufen.
' Tie Reise, sowie die Regulirung des Nachlasses hielten
' Alfred über vier Wochen von Hause entfernt, und als er
! nach Ablauf dieser Zeit dahin zurückkehrte, war das Mahl
i auf Clementinens Wange verschlounden und diese fand
Alfreds Augen so hübsch wie früher. —
Und die Moral der Geschichte? Diese, mein lieber
Leser, ist bereits in der Ueberschrift angegeben. Die Ge-
wohnheit ist die grausamste Enttäuscherin in der Ehe und
in deren Glück. Die einzigen beglückenden Ehen sind die,
wenn der Gemahl weise genug ist, seine Gattin selten zu
sehen. Das Fernsein am Morgen bewahrt vor Langeweile
am Abend und zeitweilige Trennungen besiegen den Zauber
der Gewohnheit. Demnach, lieber Leser, falls Du ver-
heirathet bist, kann ich Dir kein größeres Glück wünschen,
als daß von Zeit zu Zeit hundert Meilen von Deinem
Wohnort entfernt, ein reicher Onkel oder eine äitto Tante
das Zeitliche segnen und Dich zu ihrem Erben einsetzen
mögen — unter der Bedingung, daß Du ihnen die Augen
zudrücken sollst. Oder — bist Du mit Nachkommenschaft
gesegnet und kannst Du vielleicht das Schreien der Kinder-
chen, dieser kleinen, lebenden Querpfeifen, nicht vertragen,
so mache in Gottes Namen eine kleine Reise aus der
. Kinderstube in die weite, weite Welt. Mit verdoppelter
Liebe und Zärtlichkeit Ivirst Du dann in Deine Häuslich-
keit zurückkehren.
P. 8. Eben als ich diesen guten Rath für Ehemänner
niedergeschrieben habe, guckt mir mein liebes Weibchen über
! die Schulter und bittet mich himmelhoch, nachträglich am
; Schlüße meiner Erzählung (die Frauen lieben einmal die
I Poslscripts) noch zu bemerken, daß ich selbst aus Erfahrung
j nicht sprechen könne, da ich seit meiner Verheirathung nicht
einen einzigen Tag verreist gewesen sei und doch wohl glück-
lich genug lebe. Was ich hiermit pflichtschuldigst thue. —
Jagdabenteuer. 19
Baron von Trifftnix. „Johann, ich stelle mich ver-
kehrt an den Bogen; wann etwas daher kommt, ruf' er nur:
rechts oder links!"
,,'rr Gnaden Excellenz links!"
,,'rrr Gnaden Excellenz rechts!!"
Etymologisch-Philologisches.
Seit urfürdenklicher Zeit ist unter denen deutschen Sprach-
forschern und Philologis die Quere! gewesen und eiffrig für
und wider disputiret worden, ob das Wort „Bedienter", >
welches einen Menschen bezeichnen soll, der als servns, Diener,
alicui servit, dient, auch richtig feie, oder ob es nicht vielmehr
einen Menschen bezeichne, der bedient wird, <mi quis servit.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Jagdabenteuer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 20.1854, Nr. 459, S. 19
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg