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Ein Heirathsgesuch und seine Folgen
(Fortsetzung.)
Nr. 6. • Herr A. 8.!
Ich bin eine Fleischerswittfrau und mein Mann ist zwar
erst seit sechs Monaten tobt, aber es geht nicht anders, ich
muß mir wieder Einen nehmen. Ich werde allein mit der
Menge Vieh nicht fertig, das bei uns immer ab- und zukommt.
Nun hätte ich freilich lieber wieder einen Fleischer genommen,
aber es dauert mir zu lange, ehe sich Einer findet, und iväh-
rend der Zeit geht sonst mein Geschäft zurück. Ich habe
eine gute Wirthschaft und ein hübsches Vermögen; ich stehe
^ jetzt im achtunddreißigsten Jahre und verlange nicht etwa
von Ihnen so viel Liebe und Zärtlichkeit, das ist Alles Fir-
lefanz und dunimes Zeug. Wenn Sie nur bald mit den,
Zchlachtvieh umgehen lernen, so daß ich Sie auf den Handel
schicken kann, dann ist es mir schon recht.
Wollen Sie hierauf eingehen, so melden Sie sich bald
bei Dorothea Rippeling.
Nr. 7. Werthgeschätzter Herr!
Der gänzliche Mangel an Bekanntschaften veranlaßt mich,
Ihnen auf Ihr Heirathsgesuch mein Herz und meine Hand
anzubieten, da ich voraussetze, daß Ihr Gesuch ebenso ehrlich
ist als mein Anerbieten. Ich zähle achtnndzwanzig Jahre,
besitze ein Vermögen von einigen tausend Gulden und würde
mich, da ich ganz allein in der Welt, gern einem offenen,
biederen Manne anschließen. Meine große Schüchternheit und
die Zurückgezogenheit, in der ich lebte, haben mich von allen
Kreisen fern gehalten, wo ich hätte können Bekanntschaften
machen, welche die Grundlage einer Verbindung werden konn-
ten. lieber mein Acußeres sage ich Ihnen nichts weiter, als
daß mich meine Freundinnen stets — entschuldigen Sic meine
Anmaßung — hübsch nannten, doch Freunde schmeicheln zu oft.
Sind Sie geneigt, ans meinen Vorschlag einzugehen, so
dürfte sich gewiß Gelegenheit finden, daß wir uns vorher
kennen und — beurthcilen lernten.
Bis dahin Ihre ergebene
Amalie Bartmann.
Das waren die Anerbietungen, welche Schwachbcin auf
sein Heirathsgesuch erhalten hatte. Zitternd vor Erwartung
hatte er die Blätter durchflogen, allein er befand sich jetzt,
nachdem er das letzte gelesen, in eben so großer Verlegenheit,
als wenn auf seine Annonce keine Antwort eingegangcn
wäre. Welche — welche sollte er nun von den Damen wählen,
da ihm doch im Grunde eigentlich Neune angeboten wurden ?
Nr. 1 schien ihm dunkel, aber bei genauer Ueberlegung
nicht ganz unverwerflich; Nr. 2 a, b, c schienen Mädchen
aus dem gebildeten Stande; Nr. 3 hatte einen eigenthüm-
lichen, fast südlichen Charakter; Nr. 4 eine Waschfrau mit
schlistischen Eigenthümlichkeiten, aber großem Vermögen ; Nr. 5
Kind! Seltsam, welche Liebe schon aus der Kleinen sprach
und doch — auf Nr. 5 wollte er verzichten; Nr. 6 eine
tüchtige Fleischersfrau, freilich nur dem Geschäft lebend und
uh»e alle Poesie, aber gewiß ehrlichen Gemüthes; Nr. i —-
dieser Brief sprach ihn in seiner Form am meisten an. allein
die Schreiberin war ihm fast zu jung, niit achtundzwanzig
Jahren haben die Mädchen noch lange nicht allen Flattersinn
aufgegeben — und dennoch war der Brief nicht zu verwerfen.
Aber das war ja eben das Peinigende in Schwachbein's
Lage, daß sich fast für Jede etwas sagen ließ, Nr. 5 ab-
gerechnet, der er eine Ruthe zu schicken gedachte. Der Land-
gerichtsrath war in der That außer sich. Er nahm die Briefe
am andern Morgen niit sich hinaus in des Waldes stille
Einsamkeit, las sich hungrig und fast rasend, denn die Sonne
ging unter und noch war kein Entschluß gefaßt. Trübsinnig
kehrte Schmachbein in die Stadt zurück und warf sich auf
sein Lager. Ruhe fand er zwar nicht, aber — gegen Mor-
gen ein Auskunftsmittel, eine köstliche Idee. In Leichtglanbs-
hain, einer berühmten, gelehrten Stadt erschien nämlich eine
große, weltbekannte Zeitung unter dem Titel: Der Trvnipeter
in Holzschnitt, Organ für höhere Töchter-und Knabenschulen.
Wollte man da dem Herrn Zeitungsschreiber etliche Groschen
mitschicken, so war der im Stande, wenn er nur einen Haar-
strich sah, den irgend Jemand gezogen, auf der Stelle des
Jemands Gegenwart darin zu lesen; zur Erkenntniß der ge-
sammten Vergangenheit einer Person gehörte nur ein Grund-
strich; ein ganzes Wort aber war hinreichend, um des
Schreibers geheimsten Gedanken dem Wundermanne offen dar-
zulegen. Viele unserer Leser werden daran gar nicht glauben
wollen und meine Behauptung für eine Lüge halten, allein
Solchen gebe ich nur zu bedenken, daß dies vor bereits mehr als
hundert Jahren geschehen ist Heutzutage freilich— in n n-
sern aufgeklärten Zeiten glaubt daran Niemand mehr, ebenso
wie man die Doktoren, die im Wasser die Krankheit des
Menschen erkannten, längst verlacht und gesteinigt hat.
Dazumal aber schrieb Schwachbein an den „Trompeter
in Holzschnitt":
Mein Herr!
Da ich mich zu verheirathen gedenke, so wende ich mich
an Ihren dreibcinigen Zauberstuhl mit der Bitte, mir die
Charaktere der Damen genau zu bezeichnen, von welchen ich
Ihnen eigenhändig geschriebene Worte zur Bcurtheilung vor-
lege. Ihr Ausspruch soll mich allein leiten. Zur Bestreit-
ung der Jnserationsgebühren schicke ich Ihnen 16 Thaler
mit und verbleibe mit unbedingtem Glauben an Dero Gottheit
Anglist Schwachbein.
Dann bestellte Schwachbein sogleich aus der Post in
Mumpelhausen, daß man ihm den „Trompeter in Holzschnitt"
sofort nach seiner Ankunft mit Expressen zuschicken möchte.
Die Tage bis zum Erscheinen des Trompeters waren
mehr als Ewigkeiten für den verliebten Heirathscandidaten.
Aber endlich kam der alte Postbote keuchend auf Schwach-
bein's Haus zugelaufen und hielt schon von Weitem das ver-
hängnißvolle Blatt hoch in die Höhe. Der Landgerichtsrath
stürzte ihm entgegen, drückte dcm Athemlosen ein reichliches Trink-
geld in die Hand und eilte dann wieder in den verborgensten
Winkel seiner Wohnung, wo er zitternd das Blatt entfaltete.
(Fortsetzung folgt.)
Ein Heirathsgesuch und seine Folgen
(Fortsetzung.)
Nr. 6. • Herr A. 8.!
Ich bin eine Fleischerswittfrau und mein Mann ist zwar
erst seit sechs Monaten tobt, aber es geht nicht anders, ich
muß mir wieder Einen nehmen. Ich werde allein mit der
Menge Vieh nicht fertig, das bei uns immer ab- und zukommt.
Nun hätte ich freilich lieber wieder einen Fleischer genommen,
aber es dauert mir zu lange, ehe sich Einer findet, und iväh-
rend der Zeit geht sonst mein Geschäft zurück. Ich habe
eine gute Wirthschaft und ein hübsches Vermögen; ich stehe
^ jetzt im achtunddreißigsten Jahre und verlange nicht etwa
von Ihnen so viel Liebe und Zärtlichkeit, das ist Alles Fir-
lefanz und dunimes Zeug. Wenn Sie nur bald mit den,
Zchlachtvieh umgehen lernen, so daß ich Sie auf den Handel
schicken kann, dann ist es mir schon recht.
Wollen Sie hierauf eingehen, so melden Sie sich bald
bei Dorothea Rippeling.
Nr. 7. Werthgeschätzter Herr!
Der gänzliche Mangel an Bekanntschaften veranlaßt mich,
Ihnen auf Ihr Heirathsgesuch mein Herz und meine Hand
anzubieten, da ich voraussetze, daß Ihr Gesuch ebenso ehrlich
ist als mein Anerbieten. Ich zähle achtnndzwanzig Jahre,
besitze ein Vermögen von einigen tausend Gulden und würde
mich, da ich ganz allein in der Welt, gern einem offenen,
biederen Manne anschließen. Meine große Schüchternheit und
die Zurückgezogenheit, in der ich lebte, haben mich von allen
Kreisen fern gehalten, wo ich hätte können Bekanntschaften
machen, welche die Grundlage einer Verbindung werden konn-
ten. lieber mein Acußeres sage ich Ihnen nichts weiter, als
daß mich meine Freundinnen stets — entschuldigen Sic meine
Anmaßung — hübsch nannten, doch Freunde schmeicheln zu oft.
Sind Sie geneigt, ans meinen Vorschlag einzugehen, so
dürfte sich gewiß Gelegenheit finden, daß wir uns vorher
kennen und — beurthcilen lernten.
Bis dahin Ihre ergebene
Amalie Bartmann.
Das waren die Anerbietungen, welche Schwachbcin auf
sein Heirathsgesuch erhalten hatte. Zitternd vor Erwartung
hatte er die Blätter durchflogen, allein er befand sich jetzt,
nachdem er das letzte gelesen, in eben so großer Verlegenheit,
als wenn auf seine Annonce keine Antwort eingegangcn
wäre. Welche — welche sollte er nun von den Damen wählen,
da ihm doch im Grunde eigentlich Neune angeboten wurden ?
Nr. 1 schien ihm dunkel, aber bei genauer Ueberlegung
nicht ganz unverwerflich; Nr. 2 a, b, c schienen Mädchen
aus dem gebildeten Stande; Nr. 3 hatte einen eigenthüm-
lichen, fast südlichen Charakter; Nr. 4 eine Waschfrau mit
schlistischen Eigenthümlichkeiten, aber großem Vermögen ; Nr. 5
Kind! Seltsam, welche Liebe schon aus der Kleinen sprach
und doch — auf Nr. 5 wollte er verzichten; Nr. 6 eine
tüchtige Fleischersfrau, freilich nur dem Geschäft lebend und
uh»e alle Poesie, aber gewiß ehrlichen Gemüthes; Nr. i —-
dieser Brief sprach ihn in seiner Form am meisten an. allein
die Schreiberin war ihm fast zu jung, niit achtundzwanzig
Jahren haben die Mädchen noch lange nicht allen Flattersinn
aufgegeben — und dennoch war der Brief nicht zu verwerfen.
Aber das war ja eben das Peinigende in Schwachbein's
Lage, daß sich fast für Jede etwas sagen ließ, Nr. 5 ab-
gerechnet, der er eine Ruthe zu schicken gedachte. Der Land-
gerichtsrath war in der That außer sich. Er nahm die Briefe
am andern Morgen niit sich hinaus in des Waldes stille
Einsamkeit, las sich hungrig und fast rasend, denn die Sonne
ging unter und noch war kein Entschluß gefaßt. Trübsinnig
kehrte Schmachbein in die Stadt zurück und warf sich auf
sein Lager. Ruhe fand er zwar nicht, aber — gegen Mor-
gen ein Auskunftsmittel, eine köstliche Idee. In Leichtglanbs-
hain, einer berühmten, gelehrten Stadt erschien nämlich eine
große, weltbekannte Zeitung unter dem Titel: Der Trvnipeter
in Holzschnitt, Organ für höhere Töchter-und Knabenschulen.
Wollte man da dem Herrn Zeitungsschreiber etliche Groschen
mitschicken, so war der im Stande, wenn er nur einen Haar-
strich sah, den irgend Jemand gezogen, auf der Stelle des
Jemands Gegenwart darin zu lesen; zur Erkenntniß der ge-
sammten Vergangenheit einer Person gehörte nur ein Grund-
strich; ein ganzes Wort aber war hinreichend, um des
Schreibers geheimsten Gedanken dem Wundermanne offen dar-
zulegen. Viele unserer Leser werden daran gar nicht glauben
wollen und meine Behauptung für eine Lüge halten, allein
Solchen gebe ich nur zu bedenken, daß dies vor bereits mehr als
hundert Jahren geschehen ist Heutzutage freilich— in n n-
sern aufgeklärten Zeiten glaubt daran Niemand mehr, ebenso
wie man die Doktoren, die im Wasser die Krankheit des
Menschen erkannten, längst verlacht und gesteinigt hat.
Dazumal aber schrieb Schwachbein an den „Trompeter
in Holzschnitt":
Mein Herr!
Da ich mich zu verheirathen gedenke, so wende ich mich
an Ihren dreibcinigen Zauberstuhl mit der Bitte, mir die
Charaktere der Damen genau zu bezeichnen, von welchen ich
Ihnen eigenhändig geschriebene Worte zur Bcurtheilung vor-
lege. Ihr Ausspruch soll mich allein leiten. Zur Bestreit-
ung der Jnserationsgebühren schicke ich Ihnen 16 Thaler
mit und verbleibe mit unbedingtem Glauben an Dero Gottheit
Anglist Schwachbein.
Dann bestellte Schwachbein sogleich aus der Post in
Mumpelhausen, daß man ihm den „Trompeter in Holzschnitt"
sofort nach seiner Ankunft mit Expressen zuschicken möchte.
Die Tage bis zum Erscheinen des Trompeters waren
mehr als Ewigkeiten für den verliebten Heirathscandidaten.
Aber endlich kam der alte Postbote keuchend auf Schwach-
bein's Haus zugelaufen und hielt schon von Weitem das ver-
hängnißvolle Blatt hoch in die Höhe. Der Landgerichtsrath
stürzte ihm entgegen, drückte dcm Athemlosen ein reichliches Trink-
geld in die Hand und eilte dann wieder in den verborgensten
Winkel seiner Wohnung, wo er zitternd das Blatt entfaltete.
(Fortsetzung folgt.)